Im Jahr 2020 erregte ein Aufsatz der Prähistoriker Rupert Gebhard und Rüdiger Krause Aufsehen, dass die Himmelsscheibe nicht in die Bronzezeit, sondern in die Eisenzeit, also in die Zeit der
Kelten, zu datieren sei. Sie wäre also jünger. Umfangreiche Nachuntersuchungen bestätigten allerdings die Zugehörigkeit zu einem Hort aus der frühen Bronzezeit um mindestens 1600 vor Christus.
Bemerkenswert an der Himmelsscheibe von Nebra ist nicht nur ihr Alter, sondern
die Tatsache, dass sie zwei mal Veränderungen erfahren hat, die nicht nur ihr
Aussehen, sondern auch ihre Funktion radikal änderten!
Man vermutet, die Veränderungen wurden vorgenommen, da altes Wissen um die
astronomische Funktion von Generation zu Generation verloren ging, weil nur
wenige einzelne Menschen eingeweiht waren, was man mit der Scheibe machen kann.
Die Veränderungen waren nicht etwa Fortschritte oder Verbesserungen, sondern
eher
Rückschritte:
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Ursprünglich waren die beiden Horizontbögen links und rechts nicht enthalten,
ebenso die Sonnenbarke im unteren Teil. Ohne diese Teile ist nur schwer zu
erkennen, welchen Sinn das Ganze haben soll. Sowohl im Dokumentationszentrum
Arche Nebra am Fuß des Mittelbergs als auch im Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle
bekommt man die vermuteten Zusammenhänge multimedial erklärt:
Ohne die Horizontbögen und die Sonnenbarke wurde die Himmelsscheibe offenbar
benutzt, um den Kalender nach der sogenannten Plejaden-Schaltregel
mit den astronomischen Gegebenheiten zu synchronisieren. Auf der Scheibe sehen
wir das Siebengestirn, den Sternhaufen der Plejaden im Sternbild Stier, in
einer bestimmten Stellung zum zunehmenden Mond mit einer bestimmten Dicke.
Die Schaltregel lautete nun:
"Wenn die Plejaden in dieser Stellung zum
zunehmenden Mond stehen und dieser zu dem Zeitpunkt die abgebildete Dicke hat,
ist in den Kalender ein Schaltmonat einzufügen."
Dieser Schaltmonat glich die Verschiebung zwischen Kalenderjahr und Sonnenjahr
aus, die dadurch entsteht, dass das Sonnenjahr ca. 365 Tage hat, während das
Kalenderjahr (Mondjahr, Lunarjahr) nach 12 vollen Mondphasen mit je
ca. 29,53 Tagen (synodischer Monat) nur ca. 354 Tage umfasst.
Eine ähnliche Schaltregel, ebenfalls mit Hilfe der Plejaden, kannten auch die
Assyrer in der sumerischen Kultur und Mythologie, festgehalten in den berühmten
Mul-Mul-Apin-Texten, Keilschrifttafeln aus der Bronzezeit. Die Plejaden sind ein Sternhaufen, der
aus über tausend Sternen besteht und nur
rund 400 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt ist.
Mit bloßem Auge sieht man davon meist nur um die sieben Sterne, deshalb
Siebengestirn.
Wir gleichen heute die Differenz mit unserem Gregorianischen Kalender dadurch
aus, dass wir längere Monate haben, die nicht mehr mit den Mondphasen
zusammenpassen. Trotzdem muss ab und zu ein Schaltjahr mit einem zusätzlichen
Tag eingefügt werden, um unseren Kalender wieder dem Sonnenjahr anzupassen.
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Nachdem das Wissen um die Plejaden-Schaltregel entweder verloren ging oder
vielleicht auch, weil der Sonnenkalender gegenüber dem Mondkalender an Bedeutung
gewann, brachte man auf der Himmelsscheibe die
beiden Horizontbögen links und rechts an. Ihre Funktion ist relativ einfach zu
erkennen: Von einem bestimmten Punkt aus, zum Beispiel dem Mittelberg bei
Nebra, zeigen sie den Winkel zur Sommersonnenwende und Wintersonnenwende.
Dazu muss man nur den Punkt des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs
anvisieren und dann zeigen die oberen und unteren Enden der Horizontbögen die
Sonnenwenden an.
Ähnlich bestimmte man wichtige Ereignisse im Kalenderjahr mit
der viel älteren Kreisgrabenanlage (Sonnenobservatorium) in Goseck
in der Jungsteinzeit, als sich in der Neolithischen Revolution
der Mensch vom Sammler und Jäger zum Ackerbauern, Hirten und Viehzuchter entwickelte. Zu dieser Zeit gab es noch keine Metallverarbeitung.
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Während sich die beiden letzten Stadien der Himmelsscheibe auf beobachtete
astronomische Tatsachen bezogen, brachte man in einem dritten Schritt im
unteren Teil die Sonnenbarke an. Sie steht dazu im Gegensatz, weil sie erstmals
eine mystische Komponente einfügt. Möglicherweise diente die Scheibe dann nur
noch (oder auch) kultischen Zwecken.
Das ist meiner Meinung nach Bezeichnend für eine Entwicklung, die schon in der
Bronzezeit begann, die materielle, beobachtbare Fakten unterdrückte und hin zu
einer priesterlichen Mystik und religiösen Dogmen führte, weg von den
Naturreligionen hin zu »Macht euch die Erde untertan!«
Die naturwissenschaftlichen Fakten wurden unterdrückt und gerieten in Vergessenheit. Die christlichen Kirchen setzten diese Entwicklung fort, was schließlich unter anderem in den Hexenverfolgungen des Mittelalters gipfelte und nur mühsam durch Humanismus und Aufklärung wieder
zurückgedrängt wurde, aber bis heute noch nachwirkt, im Islam genauso wie in den modernen
Kirchen. Mystik und Glaube wurden leider schon immer auch von Schamenen,
Druiden, Imamen und Priestern missbraucht, um die Menschen zu beherrschen, Macht auszuüben.
Das hat nichts mit dem Glauben an einen Gott
oder die Existenz eines Gottes zu tun und schon gar nichts mit den Lehren Jesu,
der nie beherrschen wollte. Es wird Zeit, dass wir wieder wegkommen von
»Nur die Religion (und ihre Vertreter) können die Vergebung
eurer Sünden bewirken.« Das dient nur dazu, die Menschen von der Religion abhängig zu machen.
Oder von »Seid fruchtbar und mehret euch!«
hin zu einer naturverträglichen Lebensweise und
Bevölkerungszahl.