Kapitel 9
Die Erfolgsfeier
Einige Stunden später in einem sehr
noblen Restaurant namens Maritim und an einem Tisch, wo vier uns
bekannte Persönlichkeiten ausschweifend und ausgiebig
feierten:
»Ich möchte heute Abend für
eine bestimmte Person, die sich in unserer Mitte befindet, einen
Toast aussprechen. Und dieser Toast gilt unserer Mary Ritley. Äh...
liebe Mary...«
Peter redete sich quasi die Seele aus dem
Leib, bis er schließlich doch zum Ende kam: »Und so, liebe Mary,
hoffen wir, dass du noch weitere zehn, ach was sage ich, dass du für
immer bei uns bleibst. Worauf wir nun alle anstoßen wollen.«
Es folgte ein Händeklatschen und ein Anstoßen mit Sekt.
Trotz der heutigen und anscheinend guten Laune
von Peter, sah Mary doch ein geschickt verborgenes Verhalten von
ihm. Jedem konnte Peter etwas vorspielen, aber Mary Ritley nicht.
Sie kannte ihn wie ihre eigene Westentasche. Und sie wusste, dass
auch er es wusste.
»Also, was sind das für Probleme, Peter?«, kam sie gleich ohne Umschweife zur Sache.
»Wie kommst du drauf, dass ich welche habe?«, gab Peter wie immer ironisch und etwas verlegen von sich.
»Na komm schon. Ich kenne dich doch!
Glaubst du etwa im Ernst, dass du mir etwas vorspielen kannst?«
»Ich glaube, du hast mich durchschaut, Mary!«
»Und ob ich das habe!«
»Trotzdem glaube ich nicht, dass es im
Augenblick der richtige Moment ist, über Geschäfte zu
reden oder?«, wendete Peter ein.
»Ach, wann kann man schon sagen wann der
richtige Moment ist.«
Wie immer ist auch heute Abend Mary mit ihren
Antworten sehr flink.
»Da kann ich dir nur beipflichten,
Mary.«
»Also, nun
erzähl schon deine Geschichte, Peter.«
»Na denn. Es war so.«
Und Peter erzählte Mary die ganze Geschichte der Familie
Hübner. Von dem geheimnisvollen Verschwinden der Katja Moser an
der kleinen Sitzbank vor dem Bahnhofshäuschen, bis hin zu dem
Beweisstück der Videokassette. Und, nicht zu vergessen, den
sanften Rausschmiss seitens der Familie Hübner in Zusammenhang seiner eigenen Person.
»...so, jetzt weißt du alles, Mary.«
»Und du hast dieses Video mit
eigenen Augen gesehen? Ein Irrtum ist also ausgeschlossen?«
Peter bemerkte nun genau das, was er sich
insgeheim wünschte. Mary scheint nach seiner Meinung wieder
eine heiße Story gewittert zu haben. Und so war es dann
schließlich auch.
Mann, Peter, das ist doch ohne Ausnahme die
Story des Jahrhunderts, ach was sage ich denn da, die Story des
Jahrtausends.«
»Glaubst du denn, das weiß ich nicht,
Mary?«
»Und du hast es auch noch verbockt!«
»Dessen bin ich mir bewusst. Und du
glaubst, dass da nichts mehr zu machen ist?«
»Natürlich nicht.«
»Aber dennoch, so glaube ich, wird das
noch ein ganz schönes Stück Arbeit werden, diese Familie
zu überzeugen, dass es nur zu ihrem Besten ist, uns, den
Spezialisten das Video zu überlassen. Es ist doch so, wenn
du so Eingefleischte also, gottesfürchtige und ehrliche
Menschen in ihren Gefühlen verletzt und dann auch noch ihre
Emotionen antastest, dann hat man ihr Misstrauen geweckt. Und, Peter,
sei doch mal ehrlich, würdest du jemandem den du misstraust
irgendetwas erzählen, geschweige denn, um Hilfe bitten?«
»Natürlich nicht, Mary. Mann, den Fall
habe ich mir selbst weggenommen.«
Und Mary setzte ein beherztes lächeln auf.
»Also, Mary wie kannst du da noch
lächeln! Ich jedenfalls finde das überhaupt nicht
komisch. Das hätte uns einen ganz schönen Batzen Geld
einspielen können.«
»Na jetzt mach dich doch nicht selber
verrückt, Peter. Ich schau mal, was sich da machen lässt.
Wenn du nichts dagegen hast, werde ich mich ab morgen darum
kümmern.«
»Ob ich was dagegen habe, fragst du mich,
ich bitte dich sogar darum, Mary. Du bist ein Schatz!«
»Na, lob mich lieber nicht im voraus, wie
du weißt, bin ich abergläubisch.«
Und wieder setzte sie ein lächeln auf.
Aber dieses mal sah sie Peter tief in die Augen.
»Was... was ist, worüber musst du
schon wieder Lachen?«
Peter begann an sich herumzufummeln und sich selbst überall
zu bemustern.
»Äh, stimmt an mir irgendetwas nicht?«
»Doch, doch,
du siehst gut aus. Wenn du es genau wissen willst, habe ich nicht
wegen dir gelacht. Es war, weil ich gerade gedacht hatte...« Dann hielt sie plötzlich inne.
»An was dachtest du gerade, Mary?«
»Na weißt du, Peter, dieser Fall Hübner
um den ich mich morgen kümmern werde, interessiert mich sehr.
Ich habe schon so einige Storys hier in Deutschland, also in meiner
zweiten Heimat für dich an Land gezogen. Weißt du, das hat für
mich was ganz Besonderes. Oh Mann, ich sage dir und wenn es die
letzte Story auf diesem Planeten wäre, ich werde sie dir nach
Hause holen. Das hat was und wird was persönliches für
mich.
»Das weiß ich doch, Mary.«
Na klar, Peter, kannst du dich noch an meinen
ersten Arbeitstag gegenüber der Agentur im Restaurant
erinneren?«
Mary warf Peter einen Blick zu, der ihn ein
kleines bisschen Angst machte. Er kannte Mary bereits seit zehn
Jahren, aber einen solchen Gesichtsausdruck hatte er noch nie bei ihr
gesehen. Dennoch hielt er es für besser, nicht mehr davon zu
reden.
Peter sah noch eine Weile dem Treiben der Feier zu.
»Im Restaurant, Mary, ja den Typen hast
du ganz schön eingewickelt. Dieser Trottel. Na ja, es gibt doch
immer wieder welche, die es nie lernen werden.«
»Ach, Peter, mach dir keine Sorgen. Lass
uns doch mit den anderen mitfeiern und für heute Abend die
Arbeit unter den Tisch kehren.«
»Ja Mary, was soll's, man lebt ja
schließlich nur einmal.«
Ein weiser Entschluss, den Peter da fasste.
Und wie sie feierten. Sie tranken und aßen bis nach
Mitternacht. Vergaßen dabei Zeit und Probleme.
Unterhielten sich und lachten herzhaft über vergangene
Geschäfterfolge und Misserfolge.
»So, Leute, es ist schon reichlich spät
geworden, mir reicht es für heute. Um fünf Uhr früh ist die
Nacht vorbei. Drei oder vier Stunden brauche ich mindestens Schlaf.
Sonst bin ich morgen unausstehlich und dass färbt sich dann
auf meine Kunden ab.«
Auch die anderen sahen nun auf die Uhr.
Ach du meine Güte, ist das schon spät
geworden? Hab ja noch mindestens eine Stunde Autofahrt vor mir, bis
ich wieder zu Hause bin.«
»Quatsch, Gregor, das lohnt sich doch gar
nicht mehr. Kannst bei mir pennen, wenn du willst. Schlug ihm Peter
vor.«
»Ich nehme an, dass es in deinem Zustand
das beste wäre, nicht wahr, Gregor?«, mischte sich Mary ein. Worauf Gregor, der ja
wahrlich einen in der Krone sitzen hatte, Mary sehr böse ansah.
»Was geht dich mein Zustand an, he.«, stammelte und fauchte Gregor in einer leiernden Tonart Mary an.
»Was ist denn nun los, hab ich was
Falsches gesagt?«, verteidigte sich Mary, die es ja eigentlich
nicht böse gemeint hatte.
»Ja, unsere Mary ist die Beste, der gelingt ja immer alles. Unseres Chefs
Liebling!«
Jedem fiel auf, dass Gregor irgendwie eifersüchtig auf Mary war.
»Also, mach mal halblang, Gregor. Und
dass du gleich Bescheid weißt. Ja, und das gilt jedem von euch. Bei
mir wird niemand nach seinem Charakter beurteilt. Keiner wird auf
irgendeine Weise bevorzugt. Und Lieblinge, die ich bevorzugen soll,
gibt es nicht. Jeder einzelne wird nach seiner individuellen Leistung
eingesetzt und bezahlt. Jeder von euch hat so seine persönlichen
Qualitäten, die ich in den letzten Jahren sehr zu schätzen
gelernt habe, weil wir ein prima Team geworden sind und das soll
auch so bleiben. Ich dulde keinerlei Streitereien im Bezug auf
unser Geschäft, gleich welcher Art auch immer. Ihr müsst
unbedingt begreifen, dass das Geschäft nur mit uns allen
gedeihen kann und nicht durch einen einzigen von euch. Gemeinsam
haben wir uns in den letzten Jahren mehrmals aus der Pleite geholt.
Jeder einzelne ist hier wichtig und für mich unersetzlich. Wir
haben uns in all den Jahren zusammengespielt. Und so soll es auch
bleiben. Macht es also nicht kaputt. So, und jetzt gehen wir alle
schön brav nach Hause. Wir haben morgen... Ach, ist ja
schon nach zwölf, na ja dann haben wir eben heute einen
schweren Tag vor uns. Und noch etwas, für diese späte
Zeit bin ja nun mal ich verantwortlich. Deshalb mache ich heute
eine Ausnahme. Wir fangen also, statt wie gewohnt um 7 Uhr
um neun an. Gregor, du kommst mit mir. Und ich
möchte keine Widerrede von dir hören. So, dann wünsche
ich dem Rest eine angenehme Ruhe.«
Und als Peter sich zum gehen fertig machte,
warf er Susanne, dem Mädchen für alles, einen ihr wohlbekannten Blick zu.
Ȁh, Peter, ich beginne lieber wie
immer um sechs Uhr. Könnte ja ein Kunde anrufen. Ist dir doch
recht oder?«
Susanne war es egal, meistens den Kürzeren
zu ziehen. Sie brauchte dieses Gefühl, von Peter und der
Agentur gebraucht zu werden. Obwohl Peter sehr oft, und das
meistens, wenn er sich in geschäftlichen Nöten befand,
seine Wutanfälle an ihr ausließ, verehrte sie ihn, mehr
noch, sie liebte ihn. So viele Jahre war sie nun in ihn verliebt.
Doch Peter irgendwann einmal etwas davon zu sagen, wäre für
sie ausgeschlossen. Schon aus Angst, er könnte sie abweisen und
alles zerstören, wovon sie schon immer träumte. Und so
lebte sie viel lieber mit Peter in ihrer Traumwelt weiter. Dort in
dieser Welt der Phantasien, die nur ihr gehörten, waren sie und
Peter längst zusammen. Ein Liebespaar das Hand in Hand durch
einsame Straßen schlenderte, das sich eng umschlungen den
Sonnenuntergang ansah und das sich immer und immerzu zärtliche
Wörter zuflüsterte.
»Bist ein Schatz, Susanne.«, erwiderte Peter, mit einem fliegenden
Handkuss, der zustandekam, wenn man seine Innenhand küsste, sie
dann auf die gewünschte Person richtete und sozusagen den Kuss
mit einem festen Pusten zu ihr schickte. Und Susanne schmolz mit einem
schüchternen Lächeln dahin. Und als alle das Restaurant
verlassen hatten und jeder seines Weges ging, erloschen auch schon
alle Lichter des Lokals.
Wenige Stunden später:
Oh Mann, hab ich nen Kater.«, gab Gregor von sich, als Peter ihn so gegen
acht Uhr weckte und der sich umsah und nicht schlecht staunte, wo er sich denn befand
und wie er hierher kam.
»Nun mach schon Gregor, raus aus den
Federn und ab unter die Dusche.«, drängelte Peter,
der in dem Zimmer seiner Stadtwohnung umhersauste und verzweifelt seine Kleidung vom Vorabend zusammensuchte.
»Sag mal, hast du ein oder zwei Aspirin,
mir platzt gleich der Schädel, Peter?«
»Da, rechts in der Schublade neben dir
sind welche. Mann, Gregor, hattest du gestern vielleicht einen
geladen.«, predigte Peter zielsicher auf Gregor ein.
»Peter, ich glaube, das letzte Pils
gestern muss schlecht gewesen sein.«
»Ja, Gregor, das sage ich auch immer,
wenn ich mal zu tief ins Glas geschaut habe.«
Dann ging Peter in die kleine Kochnische, wo schon der Kaffee, den
er kurz vorher aufgebrüht hatte, auf ihn wartete und goss Gregor
eine Tasse voll ein.
»Hier, trink das, Kaffee, extra stark.
Der wird dich wieder munter machen.«
Während Gregor mit Kopfschmerzen seinen
extra starken Kaffee genoss, ging Peter ans Telefon, um sich bei
Susanne, die ja schon seit sechs Uhr morgens in der Agentur war,
umzuhören. Er wählte die Nummer der Agentur.
»Ja, Rätselhafte Phänomene,
Agentur Peter Lenz, was kann ich für Sie tun?«, sprach Susanne, die diesen Spruch schon seit
Jahren herunterleiern musste und doch stets versuchte, ihn
mit einer netten und vielversprechenden Stimme anzupreisen.
»Guten Morgen Engelchen, na, wie läuft
das Geschäft in der Hand meiner treuesten Mitarbeiterin?«
Geschmeichelt und entzückt von den Worten
und der Gewissheit, dass Peter gute Laune hatte, bracht sie zunächst
kein Wort heraus.
»Susanne, bist du noch am Telefon? Ist
alles in Ordnung mit dir? Susanne, so antworte doch!«, brüllte Peter sorgenvoll ins Telefon.
»Natür... Äh... Ich bin dran.
Entschuldige, ich hatte aus Versehen etwas Kaffee verschüttet.«
Beruhigt holte Peter tief Luft.
»Na, Gott sei Dank, ich dachte schon, dir
wäre etwas geschehen, Susanne. Sonst ist alles beim Alten, oder?«
»Aber ja doch, wie immer, Chef. Mach dir
keine Sorgen. Der Kaffee befindet sich eingießbereit an seinem
Platz, die Aufgabenmappen liegen bereit und meine Wenigkeit wartet
nur noch, dass ihr alle Hübschen eintrefft.«
»Na dann kann ja heute nichts mehr
schief gehen, Susanne, oder?«
»Nun, man sollte sich so früh am
Morgen nicht darauf verlassen, Chef.«
»Ich hoffe, dass du dich in diesem
Punkt irrst. Aber nichts desto trotz, wird es wie immer weitergehen.
So, Susanne, dann bis nachher und halte mir ja schön die Stellung,
okay? Halt, hätte ich doch glatt vergessen, sei doch so nett und
mache doch für Mary einen Termin bei den Hübners klar, in
Ordnung?«
»Ich dachte, diese Familie ist nicht gut
auf unsere Agentur zu sprechen, nach deinem Missgeschick... na du
weißt schon.«
»Susanne, das weiß ich selber. Versuch
es doch einfach und setze ein bisschen deinen unvergleichlichen
Scharm ein. Alles andere wird Mary schon klären, okay?
»Na, wenn das mal nicht in die Hose
geht. Dennoch, Peter, werde ich wie immer mein Bestes versuchen.«
»Etwas anderes erwarte ich auch nicht
von dir, Susanne. Also, tschüs und bis dann.«
Und Peter legte den Hörer wieder in die Gabel des Telefons.
Szenenwechsel - Kurz bei Susanne:
Als auch Susanne den Hörer wieder
auflegte, kam ihr ein Gedanke, der in ihr Verwunderung auslöste.
Nachdenklich und fast nuckelnd stand sie mit ihrer fast leeren
Kaffeetasse am Tresen in der kleinen Küche, die Peter vor etwa
vier Jahren hat einbauen lassen. Komisch, dachte sie, ich glaube,
dass ich gerade beim Telefongespräch Peter öfter 'Chef'
nannte, und er hat sich überhaupt nicht aufgeregt. Ist schon
sehr komisch, seinen Chef nicht 'Chef' nennen zu dürfen.
»Ach, was soll’s.«, gab sie im leisen Unterton von sich.
Wieder bei Peter und Gregor:
»Na Gregor, wie fühlen wir uns denn
jetzt wieder?«, fragte Peter, als er sich in seinem olivgrünen Sessel
niederließ, während er mit schadenfrohen Blicken auf
Gregors Antwort wartete.
»Danke der Nachfrage, es geht schon
besser. Ich bin auf jeden Fall bereit den Tag mit Elan zu beginnen.
Peter wusste, dass Gregor sich alles andere als
fit fühlte.
Trotz seines abendlichen und etwas schweren
Umtrunks, tat ihm Gregor doch ein bisschen leid.
»Du, Gregor, weißt du was, ich habe da
einen Vorschlag für dich: Wie wäre es, wenn du Mary bei
dem Fall Hübner assistieren würdest. Ich meine, dir geht es
sowieso nicht so gut. Und da dachte ich mir, so wie ich Mary kenne,
wird sie mit Sicherheit diese Familie Hübner aufsuchen wollen
und das heute noch. Man hört ja so oft, dass die frische Luft
auf dem Lande sehr gesund sein soll.«
Plötzlich war Gregor hellwach. Nie hätte
er sich träumen lassen, dass er tatsächlich mit Mary einer
Story nachjagen durfte. Das war schon immer sein heimlicher
Traum.
»Mann, das ist ja ein Ding, machst du
Scherze oder was?«
»Sehe ich so aus, als würde ich
dich verarschen?«
»Nein, natürlich nicht, aber was
ist mit Mary?«
»Was meinst du Gregor? Was soll denn mit
Mary sein?«
»Na, wird
sie denn damit einverstanden sein? Du weißt doch, dass sie gerne
alleine arbeitet und niemanden dabei haben will.«
»Gregor, was siehst du, wenn du mich
ansiehst?«
Gregor guckte Peter sorgfältig von oben
bis unten an. Das sah so komisch aus, dass Peter sich das Lachen
verkneifen musste, um Gregor nicht zu beleidigen.
»Ich weiß nicht, vorauf du hinaus willst,
aber wenn du mich so direkt fragst, sehe ich meinen Chef vor mir.«
»Genau, so ist es.«
Damit verklickerte Peter Gregor, dass er das
Sagen hatte. Punktum.
»Willst du noch nen Kaffee, Gregor?«
»Ja, gerne Peter.«
Dann goss er Gregor und sich selbst noch eine Tasse ein.
»Wenn wir unseren Kaffee getrunken haben
können wir langsam aber sicher in die Agentur fahren, Gregor.«
»In Ordnung, Peter.«
Peter wurde wie immer vor Beginn der Arbeit
zappelig und unruhig. Und wie auch so vielen anderen
Geschäftsmännern erging es auch ihm nicht anders, dass
ihm ach so viele Fragen hinsichtlich seines Geschäfts durch
den Kopf rasten. Ob der Tag wohl heute gut wird? Hoffentlich ruft
kein unzufriedener Kunde an, oder ob sich wohl Mary die
Jahrhundertstory zugunsten seiner Agentur unter den Nagel reißen
konnte und so weiter und so fort.
*
Währenddessen in der Agentur, wo sich Susanne wie jeden Morgen, um die Vorbereitungen für den
heutigen Arbeitstag abmühte:
Susannes Gedanken kreisten noch immer um
Peter, ihre große Liebe. Einer Liebe, die wahrscheinlich
niemals erwidert werden wird. Doch nichts desto trotz ging sie wie
immer ihrer Arbeit nach. Susanne ging geradewegs aus der kleinen
Kochnische in Richtung ihres Büros, als plötzlich die
Sicherheitsglocke am Haupteingang schrillte und Mary Ritley den Flur
hoch kam.
»Guten Morgen, Susanne.«
»Guten morgen Mary.«
»Na, wie geht's denn heute?«, erkundigte sich Mary um Susannes Ergehen.
»Frag mich lieber erst nach Feierabend,
Mary.«
»Ach Susanne, auch der heutige Tag wird
vorbeigehen.«
»Du sagst es, Mary.«
Gerade wollte Mary in ihr Büro gehen, da schrillte erneut die
Sicherheitsglocke am Haupteingang. Es war Peter und Gregor, die, mit
einem tapsigen und etwas müden Eindruck, stampfend und keuchend
herein kamen.
»Hallo allerseits. Ich hoffe, ihr seid heute alle in bester geistiger
Verfassung? Wir haben heute einiges vor.«
Obwohl Peter heute Morgen einige negative
Gedanken hatte, war er doch durchaus gut gelaunt. Und das
bemerkten auch die anderen. Sogleich machten sich alle an ihre
gewohnte Arbeit. Peter ging in sein Büro, setzte sich in seinen
Bürosessel und wühlte wie jeden Morgen in dem Wirrwarr
seiner Akten und Terminplanungen. Nach seiner Meinung ein durchaus
perfektes Ordnungssystem.
»Na, wo ist es denn? ... Ah ja, da haben
wir es ja. Der Fall Hübner.«
Dann beugte er sich leicht nach vorne, um an seine Sprechanlage zu
kommen, die mit jedem seiner Mitarbeiter verbunden ist und
drückte die entsprechende Taste.
»Mary, kommst du mal kurz in mein Büro?«, gab Peter beherrschend von sich.
»Einen Augenblick, Peter, ich komme gleich zu dir.«, erwiderte ihrerseits Mary in die Sprechanlage.
Mary befand sich nämlich gerade in
tiefsten Gedanken, um ihre letzten Berichte der Malediven-Aufträge,
die sie ergattern konnte, zu archivieren. Also legte sie die
Aufträge beiseite und hob ihre Kaffeetasse, um noch schnell und
genüsslich einen Schluck daraus zu nehmen. Dann ging sie
gemächlich aber dennoch nicht zu langsam aus ihrem Büro,
den Flur entlang, wo sich noch immer auf der linken und rechten Seite
unzählige Kartons bis hoch zur Decke stapelten, bis vor
Peters Büro und blieb vor seiner Tür stehen. Dann ein
leises Klopfen an der Türe aus Glas.
»Ja, Mary, komm doch rein.«
Mary trat ein.
»Was gibt es denn, Peter?«, fragte Mary in neugieriger Erscheinung.
»Du, Mary, du weißt doch bestimmt noch,
dass wir uns kurz über den Fall Hübner unterhielten,
oder?«, kam energisch von Peter.
»Na klar weiß ich das noch, Peter,
wieso?«
Mary wusste zwar schon im Vorfeld, was Peter
von ihr wollte, dennoch tat sie so, als hätte sie keine Ahnung.
So gab sie Peter des öfteren das Gefühl, dass nur er den
absoluten Durchblick in diesem Geschäft hatte. Das festigte
die regelmäßige Zusammenarbeit und hielt ihn meistens bei
Laune.
»Ich dachte mir, dass du die Sache mit
Gregor in Angriff nimmst.«
Beide sahen sich nun an, und beide hätten gerne eine
ernsthafte Diskussion vermieden. Dennoch schien die momentane
Situation es nicht zu erlauben. Ein kurzes Schweigen fiel nun in
Peters Büro ein. Dann ein Zucken um Peters Mundwinkel. Mary
begann sich ganz leicht auf die Lippen zu beißen.
»Mary, dass du gerne alleine
arbeitest, ist mir bekannt. Aber ich bin der Meinung, dass wir Gregor
eine neue Chance geben sollten. Seit er einige Aufträge
verloren hat, steht es nicht gut um sein Selbstvertrauen. Ich
glaube, dass du hierfür die beste Medizin für Gregor bist.«
Peter sah Mary gespannt an und erhoffte sich ein klares Ja von Mary.
Doch weit Gefehlt:
»Ich schätze Gregor genau wie du,
Peter. Er ist fleißig und ein dufter Arbeitskollege. Aber
dennoch habe ich nicht die Zeit, für dich Kindermädchen zu
spielen. Ich muss topfit und bei klarem Verstand sein, wenn ich den
Fall Hübner an Land fischen soll. Wie soll das gehen? Wie
stellst du dir dass vor?«
Selten erlebte Peter seine treue und liebste
Mitarbeiterin Mary so in Rage. Es fiel ihm nun sichtlich schwerer,
seinen Entschluss aufrecht zu erhalten. Dennoch konnte er nun nicht
mehr davon abweichen. Es galt nun, als Chef dieser Agentur sein
Gesicht zu wahren und nicht zu verlieren.
»Auch das ist mir bekannt, Marie. Ich
weiß auch, dass Gregor kein Fachmann auf deinem Gebiet ist. Tja, und
ich schätze, das wird er auch nie werden. Tu mir doch bitte
den Gefallen, Mary?«
Mary war baff. In all den Jahren, und das
waren bereits etwas über zehn, seitdem sie nun in Peters Firma
arbeitete, konnte sie sich nicht daran erinnern, Peter jemals bitten
zu hören.
Damit hatte sie natürlich nicht
gerechnet. Es gab nur zwei Möglichkeiten, die für Peters
plötzliches Verhalten in Frage kamen. Entweder Peter
hatte einen kleinen Nervenzusammenbruch, den man in seinem
äußerlichem Erscheinungsbild nicht identifizieren konnte,
oder es war ein kluger Schachzug von ihm, da das Wort 'bitte' für Peter
sonst eigentlich nicht existierte. Na ja, dies und jenes, hin und her, die Runde ging an Peter.
»Nun gut, Peter, du hast mich überredet.
Aber mach mir ja keine Vorwürfe, wenn die Story Hübner in
die Binsen geht.«, beklagte sich Mary mit leiser Stimme.
Peter hingegen dachte, nein, er wusste es, dass
Mary eine kämpferische Natur war. Wie schon einmal
angesprochen, hat sie erst einmal eine Geldquelle geschnuppert, ist
sie nicht mehr aufzuhalten.
»Mary?«, rief er ihr noch nach,
als sie sich schon auf dem Flur befand um in ihr Büro zurück
zu gehen.
»Was ist denn noch, Peter?«, gab
sie Peter im forschen Ton Antwort.
»Du wirst doch trotzdem dein Bestes in
diesem Fall geben oder?«
Mary warf Peter einen Blick zu, aus dem er sich
diesmal keinen Reim machen konnte. Dann setzte sie ihren kurzen Weg durch den
Flur zu ihrem Büro fort.
Peter saß tief gesenkt und in gekrümmter
Haltung in seinem Bürosessel. Er schwenkte sich mit dem Sessel
mal nach links, mal nach rechts und starrte dabei auf die Decke. Dann
hielt er plötzlich mit dem Schwenken seines Sessels inne. Eine
Fliege hatte sich in einer Spinnwebe verfangen. Sie zappelte und
rankte sich wie wild in diesem seidig schimmernden Geflecht, das aus
unzähligen Quadraten zu bestehen schien. Verzweiflung, so dachte
er sich. Absolute Angst. Er dachte noch, dass er, wenn er nur wollte,
dieses kleine Geschöpf retten konnte. Doch warum tat er es
nicht? Ja, so dachte er, warum rette ich diese kleine Fliege nicht?
Er wusste die Antwort schon im Vorfeld. Weil diese Welt knallhart
ist, und nur, ja absolut nur die Stärksten können in dieser Welt
überleben.
»Mist, diese Weiber.«, dachte
sich Peter etwas verärgert.
Während Peter sich in diesem
Augenblick der Muße alles Seins hingab, bereitete sich Mary schon
auf ihre Abreise vor. Auch Gregor fing schon kräftig in seinem
Büro zu werkeln und zu hantieren an. Natürlich behielt
Peter Recht, dass Mary alles versuchen würde um die Familie
Hübner für die Sache zu überzeugen. Jeder Auftrag
wurde für Mary eine persönliche Angelegenheit. So sehr
nahm sie jeden Fall ernst. Und sie wusste auch, dass sie hierfür
gute Aussichten hatte. Dennoch bekam sie kein gutes Gefühl,
dass sie mit Gregor zusammenarbeiten musste. Persönlich hatte
Mary natürlich nichts gegen Gregor. Doch ihr bisheriges Motto
war nun mal, alleine zu Arbeiten. Dabei konnte sie sich voll auf
ihre Aufgaben konzentrieren, ohne dass irgend jemand ihre
Entscheidungen beeinflussen würde. Nun denn, ein Trostpflaster
blieb ihr bei diesem Auftrag dennoch. Es war ja in diesem Fall nur
das eine Mal. Mary beschloss schon, während sie ihre
Minikameraausrüstung überprüfte und begann
einzupacken, dass sie ihren nächsten Fall wieder alleine bestreiten würde, und das auf
Biegen und Brechen, koste es, was es
wolle. Wie schon ausgesprochen, befand sich Mary gerade beim
Zusammenstellen diverser Dinge, als sie bemerkte, dass Gregor in der
Tür stand und sie zu beobachten schien.
»Na, Gregor, hast du denn nichts Besseres
zu tun, als mich zu beobachten?«
»Entschuldige, Mary, ich wollte dich bei
deinen Vorbereitungen nicht stören.«, gab Gregor
kleinlaut wirkend von sich.
»Und, was willst du?«, gab Mary
etwas genervt von sich.
»Mary, ich... ich kann mir gut
vorstellen, dass du nicht gerade begeistert von Peters Idee bist, mit
mir den Fall Hübner zu lösen.«
Dann schwieg sich Gregor aus. Anscheinend
erwartete er eine für ihn positive Reaktionen seitens Mary's.
»Ja, und weiter?«, wiederholte
sich Mary.
»Nun... ich wollte dir nur sagen, dass
ich mein Bestes für dich und die Agentur geben werde.«
Mary begann der Kragen zu platzen. Genau diese
Art von Schleimerei hasste sie an Gregor. Schon jetzt begann er, nur
für sich zu arbeiten. Zu denken, dass er irgendwie von ihr
etwas lernen konnte. Wovon er sowieso nicht im Geringsten eine
Ahnung hatte. Nein, er machte nicht im Geringsten irgendwelche
Anstalten, Mary das Gefühl zu geben, dass sie die absolute
Meisterin sei, was ja auf diesem Gebiet nicht einmal übertrieben war.
»Gregor,
wie kommst du darauf, dass du dein Bestes geben wirst. Dein Bestes,
wovon denn?«, kam als Rüge von Mary.
»Ich verstehe nicht ganz, was du meinst,
Mary?«
»Ich kann dir schon sagen, was ich damit
meine. Ich meine, was maßt du dir überhaupt an. Du
kannst mir vorerst überhaupt nicht behilflich sein. Dazu
braucht man jahrelange Erfahrung. Mag ja sein, dass du ein Fachmann
auf deinem Gebiet bist. Grundgütiger, auf meinem Gebiet bist du
kein Fachmann. In meinem Gebiet bist du ein ausgesprochener Leie.
Das soll absolut keine Beleidigung sein.« Mary befand sich
nun auf Hochspannung.
»Sicher hast du Recht, Mary.«
»Und ob ich Recht habe, Gregor.«
»Ja, aber was kann ich denn dann dabei
tun. Ich meine, wie soll ich denn meinen Beitrag in diesem Fall
beisteuern?«, machte sich Gregor zunehmend Gedanken.
»Tja, es wird das Beste für uns
beide sein, dass du mir erst einmal bei meiner Art zu Arbeiten
zusiehst. So lernst du am schnellsten. Kein Dazwischenreden, wenn
ich mit dem Kunden verhandle. Du machst sozusagen überhaupt
nichts, ohne es vorher mit mir abgesprochen zu haben. Ich hoffe, dass du
mich in dieser Sache klipp und klar verstanden hast, Gregor?«
Ja, so war Mary nun mal. Sie sagte immer das was sie dachte und
das ohne Wenn und Aber.
Ein harter Satz, den sie da gegen Gregor aussprach.
Gregor wurde blass wie ein schneeweißes
Laken, das gerade gebleicht wurde. Er fühlte sich von Mary
wie ein kleines Kind behandelt. Natürlich konnte er jetzt
Einwände erheben, doch dann musste er damit rechnen, dass ihm
die einmalige Gelegenheit, sich seinem Chef zu beweisen, verloren
ging, was Gregor enorm wichtig war. Also hielt er es für das
Beste, einfach seinen Mund zu halten. Denn Gregor glaubte sich
sicher, dass er irgendwann einmal in Position eins an Peters Seite
stehen würde. Das war sein Ziel und davon wich er niemals ab.
Insgeheim wussten das nicht nur Mary, sondern auch Susanne. Nur
einer schien davon keinen blassen Schimmer zu haben, oder er tat
zumindest so. Nämlich Peter.
Eine Weile war vergangen. Mary und Gregor
hatten alles beisammen, was sie für den Trip nach
Rednitzkleineck zu der Familie Hübner brauchten. Jetzt
warteten sie in ihrem Büro auf das Startzeichen von Peter.
Peter saß noch immer mit Blick auf die Decke, bis er
blitzschnell aus seinem Sessel hochfuhr und auf seine Armbanduhr
starrte.
»Mann, ist das schon spät. Ich geh mal zu Susanne rüber.«
Dann marschierte er den Flur entlang, direkt zu Susannes Büro,
wo er vor ihrer Tür stehenblieb und anklopfte.
Susanne beschäftigte sich gerade mit
ihrem Terminplaner, der auf ihrem Computer installiert war,
als sie Peters Klopfen hörte.
»Ja, herein, wer auch immer.«
»Susanne, konntest du den Termin mit den
Hübners klarmachen?«
»Tut mir leid, Peter, aber sie befinden sich offenbar nicht zu Hause. Hab mehrmals
versucht sie anzurufen.«
»Mist, auch das noch, ich glaube die
schalten auf stur. Oder was meinst du, Susanne?«
»Ja, Peter, ich glaube du hast Recht.
Aber was soll man da schon machen?«
»Na ja, Susanne, ich dachte nur, dass es
für Mary und Gregor angenehmer wäre, wenn sie bei der
Ankunft bei den Hübners willkommen wären. Tja, da kann man wohl
nichts machen, da muss man halt mit härteren Bandagen
aufwarten.«
»Klar, Peter, wird wohl nicht anders
möglich sein. Mach dir keine Sorgen, Mary wird es schon
richten. Du kennst sie ja, oder?«
» Ach, Susanne, wenn ich doch nicht
alles verbockt hätte. Dieses eine Mal bin ich mir nicht so
sicher. Ob du Recht hast, wird sich ja im Laufe des Tages
herausstellen.«
»Klar habe ich Recht. Wirst schon
sehen.«
Wie schon so oft bemerkte Susanne, dass Peter
sich wieder einmal um alles Sorgen zu machen schien. Was sollte sie
da schon tun. Mehr als ihn etwas aufzuheitern war da nicht möglich.
Dann ging Peter zu Mary ins Büro.
»Na, wie geht es voran. Wie ich sehe,
hast du schon alles beisammen, was du für den Fall Hübner
so brauchst, Mary?«
»Ja, das habe ich, Peter.«
»Du Mary, ich wollte dir nur sagen, dass
Susanne die Hübners nicht erreichen konnte. Du musst sehen, wie
du an sie rankommst.«
»Ist mir bereits bekannt, Peter, hab auch
schon ein paar mal angerufen, geht aber keiner ran. Na ja, ich und
Gregor werden uns wohl irgendwo in dem Ort ein Zimmer nehmen
müssen.«
»Ja, meinst du, dass es so lange dauern
wird, um sie für uns zu gewinnen?«
»Aber Peter, ich kann doch nicht so mir
nichts dir nichts an die Tür klopfen, 'Hallo' sagen und den
Namen unserer Agentur preisgeben. Nach allem was zwischen dir und
den Hübners vorgefallen ist. Die knallen mir doch glatt die
Türe vor der Nase zu. Und was dann?«
Peter sah Mary an und begriff sehr schnell,
dass dieser Fall sogar für Mary eine harte Nuss werden wird.
»Ja, Mary, das hatte ich gar nicht bedacht.
Sicher hast du Recht. Du wirst das schon irgendwie machen...«
Und Peter faselte und faselte und merkte nicht
einmal, dass er Mary so allmählich auf die Nerven ging.
»Peter, du machst mich noch ganz nervös.
Lass mich ruhig machen. Ich fahre jetzt mit Gregor erst einmal zu
diesem Kaff. Mir wird dann schon etwas einfallen. Okay, Peter?«
»Ja sicher, Mary, ich meinte ja nur.«
Mary sah, wie Peter schmollte, was ihr ja auch nicht genehm war.
»He, Peter, mach dir keine Sorgen. Ich werde dir den Fall schon an Land ziehen.«
Peter fiel nicht gerade ein Stein vom Herzen, aber dennoch
beruhigten ihn Marys Worte.
»Ach, noch etwas, Peter, ich werde mit
Gregor noch schnell bei mir zuhause vorbeifahren, bräuchte
dringend noch ein paar Kleidungsstücke zum wechseln. Und rufe
mich nicht ständig auf meinem Handy an. Sobald sich etwas
entschieden hat werde ich dich sofort benachrichtigen. So, also, dann
mach's gut, mein Schnuckelchen und bis auf bald.«
Mary ließ Peter einfach stehen und ging
in den Flur, rief nach Gregor, der aus seinem Büro gerannt kam, voll gepackt mit allerlei Sachen,
wie eine von der Katze gejagte Maus. Und Mary ging nun voran zum Ausgang, gefolgt von Gregor, der
stolpernd, ja fast tapsig wirkend hinter ihr her eilte. Dann ein
Leuten der Sicherheitsklingel an der Außentür, die auch
beim hinausgehen läutete, und fort waren die beiden. Peter
guckte nicht schlecht über die Gewandtheit seiner Mitarbeiter.
Dann ging Peter wieder in sein Büro zurück.
*
Sarah Hübner saß in ihrem Zimmer,
die endlose Warterei auf dem Speicher an der Radioteleskopanlage
langweilte sie allmählich, vor allem weil sich keinerlei
Reaktion auf den gesendeten Impuls zeigte. Deshalb verlegte ihr
Vater einen Lautsprecher direkt in ihr Zimmer. Wenn dieser Impuls
auf irgendetwas stoßen sollte, konnte sie dieses Signal
zumindest hören. Sarah würde es dann sofort ihrem Vater
melden, der natürlich geschwind auf den Speicher eilen würde, um
die genaue Position zu ermitteln. Sarah schob sich mit ihrem
Rollstuhl zu dem erhöhten Podest, um mal wieder nach ihrem kleinen Buntspecht Ausschau zu
halten. Wieder einmal und wie von selbst, wandte sich ihr Blick zu
der kleinen Sitzbank an dem Bahnhofshäuschen, von wo die Katja
Moser quasi vor ihrem Fenster entführt worden war. Noch immer
quälten Sarah viele Fragen und Vorwürfe. Vor allem, ob es
nicht doch noch im Nachhinein eine Möglichkeit gäbe, dem
armen Mädchen zu helfen. Womöglich ist etwas auf ihrem
Beweis-Video zu sehen, was sie noch außer Acht
gelassen hatte.
»Sich immerzu Selbstvorwürfe zu machen,
bringt mich ja auch nicht weiter.«, dachte sich noch Sarah.
»Weshalb bin ich nun eigentlich ans Fenster? Ach ja, jetzt fällt es mir wieder
ein. Wollte doch nach meinem kleinen Piepmatz sehen.«
Und Sarah begann, ihren ganz speziellen
Pfeifton zu fabrizieren. Sarah sah sich fieberhaft nach ihrem
kleinen Freund um, doch weit gefehlt. Nichts war von ihm zu sehen.
»Möchte zu gerne wissen, wo sich
dieser kleine Racker mal wieder herumtreibt. Hoffentlich ist ihm
nichts passiert. Nun, bis jetzt ist er ja immer wiedergekommen.«,
übte sich Sarah vor Langeweile im Selbstgespräch.
Sie suchte noch eine Weile mit ihrem
Fernglas, das immer in Reichweite auf der inneren Seite des
Fensterbrettes stand, die ihr vertraute Umgebung ab, als sie plötzlich
einen ihr völlig fremdartigen Ton vernahm. Wie von selbst und
absolut zielsicher starrte sie auf den Lautsprecher, den, wie schon
angesprochen, ihr Vater vor geraumer Zeit in Verbindung mit der
Radio-Teleskopanlage auf dem Speicher zu ihr ins Zimmer
verlegt hatte.
Sarah drehte sich mit akrobatischer
Meisterleistung, und das auch noch aus dem Stand, mit ihrem
Rollstuhl in Richtung Lautsprecher, von wo dieser eigenartige und
mysteriöse Ton herkam. Dann rollte sie geschwind das kleine
Podest herunter bis hin, wo der Lautsprecher stand. Im nächsten
Augenblick lehnte sie sich mit ihrem ganzen Oberkörper zu dem
Lautsprecher hin, so dass sie fast mit ihrem linken Ohr an den
Lautsprecher anstieß. Eindeutig kam dieser eigenartige Ton von
ihrem Lautsprecher. Sarah blieb fast das Herz stehen. Ihr Puls
schlug wie wild. Ihre Hände begannen zu zittern. Dann musste
Sarah nachdenken, was sie mit ihrem Vater in diesem Falle ausgemacht
hatte. Sie wollte Schreien. Doch vor Aufregung brachte sie in diesem
Moment keinen einzigen Ton heraus. Ruhig Blut, dachte Sie, dann
folgte ein Aufschrei. Die Folge davon war nicht zu übersehen.
Ihr Vater kam mit einem Gepolter die Treppen heruntergestürzt
als ginge es um Leben und Tod.
»Was ist, Sarah?«, kam als erste Reaktion von ihm.
»Papa, hör doch mal, der Lautsprecher...«
Ihr Vater staunte nicht schlecht, denn
insgeheim dachte er sich, als er die Anlage auf dem Speicher
montierte, dass es sowieso aussichtslos sei, jemals irgendein
Zeichen aus dem so unendlichen Universum zu empfangen. Was sollten
schon er und seine Tochter erreichen, wo sämtliche
Raumfahrtbehörden mit ihren gigantischen Teleskopen nichts hörten, die sage
und schreibe dreißig bis vierzig Meter Durchmesser hatten und
um ein vielfaches mehr an Kapazität boten, als diese kleine
Amateuranlage, die auf ihrem Speicher stand. Ganz behutsam ging
Stephan um seine Tochter herum und bückte sich tief mit seinem
Kopf zu dem Lautsprecher, aus dem der besagte Ton kam. Plötzlich
und wortlos erhob sich Stephan, ging wieder um Sarah herum und sauste
wie von einer Tarantel gestochen die Treppen hoch. Weg war er. Sarah
kam nicht mehr zu Wort, so schnell war ihr Vater entschwunden.
Aber dennoch wusste Sarah, was ihr Vater nun vorhatte. Bestimmt
befand er sich nun in dem Versuch, dieses Signal zu orten und
abzuspeichern. Nun hieß es für sie abzuwarten. Bange
Minuten standen nun zwischen Sarah und dem Ergebnis. Sarah begann,
vor lauter Neugier auf ihre Lippen zu beißen. Sie faltete und
knetete ihre Finger zusammen, als wolle sie einen Knoten daraus
machen. Ein Fingerspiel, das einen Beweis ihrer Nervosität
wiederspiegelte. Es war kaum zu ertragen. Wo bleibt er nur, dachte
sich Sarah. Doch es half nichts. Sie musste sich in Geduld üben.
Währenddessen auf dem Dachboden, also auf dem Speicher:
Stephan saß längst vor dem Monitor und gab wie ein
Besessener Befehle zur Identifizierung des Ausgangspunktes
des vermeintlichen Signals in den Computer ein.
»Na komm schon. Sag mir, woher kommst du,
kleines Signal?«
Und Stephan tippte und tippte immer wieder
das gleiche ein, bis schließlich das Signal immer deutlicher
wurde. Stephan richtete durch Eingabe in den Computer seine
Radioteleskopschüssel, die auf dem Dach des Hauses installiert
war, in Richtung des Signals aus. So bekam er genauere Daten und
hörbar bessere Signale. Stephan wurde kreidebleich, als er auf
seinen Monitor starrte und den Signalstreifen in Richtung einer der
simulierten Galaxien auf seinem System verfolgte. Dieser
Signalstreifen zog seine Bahn zu einem Sternensystem, das wir im
allgemeinen als Andromedanebel bezeichnen. Dieser Nebel befand sich
2,7 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt und erstreckte sich
160 000 Lichtjahre lang in seiner Ausdehnung. Ja, dieser so
unendlich weit weit entfernte Andromedanebel beinhaltete Milliarden
von uns noch unbekannten Sternen. Stephan war baff, als der
Signalstreifen auf dem Monitor sich in den Weiten des
Andromedanebels verlor. Keinerlei Standorte, von wo er kam oder wo
er auftraf lieferten einen Beweis seiner genauen Herkunft in diesem
Sternennebel. Stephan war sichtlich enttäuscht. Dennoch gab es
für ihn keinen Zweifel und somit nur zwei Möglichkeiten. Die
erste wäre, dass ihr eigener Impuls, den Stephan mit seiner
Tochter aussendete, auf irgend etwas aufprallte und somit zurückkam
und dabei diese Daten vom Andromedanebel sendete. Und zum
zweiten, dass dieses Signal außerterrestrischen Ursprunges
war. Nur eines von beiden kam für Stephan in Frage und konnte
logisch eingeordnet werden. Stephan beschloss trotz alledem, diese
ganze Aktion auf einer Diskette abzuspeichern, was er auch sogleich
in Angriff nahm. Erst drückte er auf seiner Tastatur die
Speichertaste und ging in Flotten Schritten nach unten in seinen
Arbeitszimmer, wo der Rechner stand, nahm eine Diskette, führte
sie in das dazugehörende Diskettenfach und schon ging es los.
Zwar war dies ein bisschen umständlich, aber dennoch effektiv.
Stephan brauchte den Rechner genauso in seinem Arbeitszimmer wie
eigentlich auch auf dem Speicher für die Radioteleskopanlage.
Also dachte er sich, dass er den Rechner im Arbeitszimmer ließ und
dennoch für die Tastatur und das bis in den Speicher, um
Befehle eingeben zu können, eben eine Verlängerung
anzulegen. Das gleiche galt auch für den Monitor und
sonstige Utensilien, die für das gesamte System von Wichtigkeit
waren. Das war früher sein Hobby. Da kamen in ihm alte Zeiten
hoch. Damals, so dachte sich Stephan, gab es auch schon einiges an
elektronischen Geräten für sein Hobby, aber was der Jugend
heute zu Verfügung stand, war schon enorm. Ja es war
außergewöhnlich. Als er alles was ihm wichtig erschien,
auf der Diskette gespeichert hatte, fiel ihm etwas ganz bedeutendes
ein. Normalerweise konnte der Impuls, den er und Sarah aussandten, in
so kurzer Zeit ja gar nicht so weit entfernt sein und schon gar
nicht 2,7 Millionen Lichtjahre. Denn schneller als das Licht
war der Impuls ja auch nicht unterwegs. Und wenn der Andromedanebel
2,7 Millionen von Lichtjahren von der Erde entfernt war, konnte sich
dort der Impuls ja nicht reflektieren. Eigentlich wollte Stephan und
seine Tochter sich nur in der Nähe, also im Orbit des Mondes
umhören. Also, wie konnte sich dann der Impuls, den sie
aussandten, in so kurzer Zeit im Andromedanebel befinden. Nach
menschlichem und wissenschaftlichem Ermessen ein Ding der
Unmöglichkeit. Stephans Gefühle sagten ihm, dass einiges
seit dem Verschwinden von Katja Moser nicht mit rechten Dingen
zuging. Was genau sollte er seiner Tochter nun mitteilen, denn er
konnte sich vorstellen, dass Sarah im Augenblick wie auf heißen
Kohlen saß und vor Aufregung nur so herumzappelte. Nun denn,
nachdem Stephan die Diskette wieder aus dem Schacht des
Rechners herausnahm, ging er wieder zu seiner Tochter nach unten.
»So, Sarah, du hattest Recht. Unser
abgeschickter Impuls ist vermutlich auf irgendetwas gestoßen.«
»Auf irgend etwas?«, wiederholte
Sarah erstaunt.
»Ja, Kleines, auf irgend etwas. Ich kann
dir nur nicht sagen, auf was da unser Impuls stieß. Wie soll
ich es dir nur erklären?«
Sarah begriff nun überhaupt nichts mehr. Und wieso tat
plötzlich ihr Vater so geheimnisvoll.
»Papa, du verbirgst doch etwas vor mir.
Willst du mir nicht sagen, was es ist.?«
»Aber nein, Sarah, ich verberge vor dir
doch nichts. Lass mich doch bitte erst einmal nachdenken, wie ich am
besten beginne.«
So gut er es vermochte, versuchte Stephan seiner Tochter über
sein gerade erlebtes Bericht zu erstatten. Und als es vollbracht
war, staunte Sarah nicht schlecht.
»Ach du meine Güte, Papa, was
machen wir denn jetzt. Ich meine, mit der Diskette können wir
doch im Endeffekt ja auch nicht viel anfangen, anscheinend hat sich
in deinem System irgendein Fehler eingeschlichen. Oder was meinst du
dazu, Papa?«
Eine durchaus berechtigte Frage die da von Sarah kam.
»Daran hatte ich auch sofort gedacht,
aber glaube mir, Sarah, das kann überhaupt nicht sein. Weißt du,
ich kenne mich mit diesem System hervorragend aus, einen Fehler im
System schließe ich aus. Ich habe alles doppelt und dreifach
überprüft.« Sarah überlegte eine kurze Weile.
Sie wollte alles an Fehlern ausschließen,
um am Ende eine klare Antwort zu bekommen.
»Aber Papa,
das kann doch nicht sein, dass unser Signal so unglaublich schnell
ist. Ich meine überlege doch mal, ein Impuls der eigentlich
über zwei Millionen Lichtjahre unterwegs sein müsste, kann
doch nicht in so wenigen Stunden angekommen und zurückgesendet
worden sein, oder? Außerdem wollten wir ja nur in der Nähe
des Mondes herumschnüffeln.«
»Sarah, das weiß ich selbst. Ich kann
mir das auch nicht erklären. Am System kann es nun mal nicht
liegen. Davon bin ich fest überzeugt. Weiß der Kuckuck, was da
vor sich geht. Ich begreife so langsam gar nichts mehr. Das ergibt
doch alles keinen Sinn.«, eschoffierte sich der Papa.
Sarah dachte genauso wie ihr Vater. Und
dennoch befand sie sich auf einer geistigen und kindlichen Ebene, wo
es keine Grenzen von Fantasie und Wirklichkeit zu geben schien. So
wie bei allen heranwachsenden Teenagern in ihrem Alter.
»Und was tun wir jetzt, Papa?«,
fragte Sarah besorgt nach.
»Ehrlich gesagt, das einzige was wir
jetzt tun können, ist, dass wir ab und an neue Impulse senden.
Vielleicht hat sich doch ein Fehler in unser System eingeschlichen
und ich komme nur nicht drauf. Das wäre zumindest eine
Erklärung. Obwohl ich es immer noch nicht glauben kann, dass es
daran liegen soll. Ja, gleich Morgen früh werde ich einen neuen
senden.«
»Ja, Papa, ich glaube du hast Recht. Es
wird uns wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu warten.
Trotzdem schade, dass wir nicht fündig geworden sind.«,
jammerte Sie.
»Ja, zu schade. Doch für den
Augenblick können wir nichts mehr tun.«
»Ach, fast hätte ich es vergessen:
Morgen kommt wieder deine Lehrerin, die Hansen, dass du mir ja den
Mund hältst, du kennst sie ja, die gute Seele.«
Und ob Sarah ihre Lehrerin kannte.
»Also, Papa, glaubst du ich bin verrückt
geworden? Ich werde doch nicht so dumm sein und der Frau Hansen von
unserem Geheimnis erzählen. Die bringt es glatt fertig und
bekommt vor mir eine Herzattacke.«
»Klar, Sarah, und wenn keinen Herzanfall,
dann zumindest einen Tobsuchtsanfall. Darauf können wir beide
uns verlassen. Deshalb absolutes Schweigen ist in diesem Fall
angesagt.«
»Aber klar doch, Papa, kannst dich
hundertprozentig auf mich verlassen.«
»Nun gut, Sarah, dann werde ich jetzt in
mein Arbeitszimmer gehen und noch etwas arbeiten. Wenn du mich
brauchst, rufst du mich, okay?«
»Natürlich, Papa, mach dir keine
Sorgen. Ich werde noch etwas lesen.«
»Ja, tu das, ist ne prima Idee.«
Und Stephan ging ganz gemächlich, vollgestopft mit wirren Gedanken, die Treppen in sein Arbeitszimmer hoch.
Sarah saß noch eine Weile nachdenklich und regungslos in ihrem Rollstuhl.
In Stephans Büro:
Stephan lief schon
einige Minuten in seinem Arbeitszimmer hin und her. Eigentlich hatte
er ne Menge Arbeit, sprichwörtlich Arbeit über beide
Ohren. Doch konzentrieren konnte er sich nicht. Selbständig zu
sein forderte ständig Flexibilität und einen guten Draht
zu einem umfangreichen Kundenstamm. All dies besaß
Stephan. Und bis jetzt tat er alles, um sein Geschäft aufrecht
zu erhalten. Doch für heute hatte er gewissermaßen die
Faxen dicke, also die Schnauze gestrichen voll. Die letzten
Ereignisse wollten und wollten nicht aus seinem Kopf heraus. Immer
und immer wieder kehrten sie zurück, nisteten sich förmlich
in seinen Gedanken ein. Erst die Entführung der Katja Moser
und dann noch das Wunder mit ihrem gesendeten Impuls, der plötzlich
quasi in nur wenigen Stunden einen Zeitsprung von über 2 Millionen Lichtjahre machte, in dem Andromedanebel verschwand und
ein paar Stunden später wieder in seine Anlage zurück kehrte. Stephan machte sich Sorgen. Bis jetzt konnte er selbst die
härtesten Schicksalsschläge nicht aus seiner Lebensphase
herausreißen. Dennoch, die letzten Tage und die damit
verbundenen Erlebnisse gaben ihm den Rest. Er ging ans Fenster und
beobachtete das flinke Treiben einiger in diesem Ort ansässiger
Jungs, die wie wild mit einer leeren Dose auf dem Fußgängerasphalt
umherspielten. Stephans Fenster befand sich im Gegensatz zu Sarahs
Fenster auf der Vorderseite.
»Mist, was ist nur mit mir los. Kann
mich kaum noch konzentrieren. Muss ruhiger werden.«
Stephan dachte an Peter Lenz Worte, dass ihm
früher oder später - wenn er den Fall gelöst wissen
will - nichts anderes übrig bleiben wird, ihn oder irgendeinen
Fachmann hinzuzuziehen. Und jetzt im Nachhinein dachte
sich Stephan, dass er und seine Tochter, vielleicht doch etwas
voreilig handelten und dass Peter Lenz nicht einmal so unrecht
hatte. Er und Sarah waren erst am Anfang und sahen sich schon jetzt
am Ende ihrer Kunst. Es musste etwas geschehen und das sehr
schnell. Eher fanden er und seine Tochter sowieso keine Ruhe.
Ich muss mit Sarah reden, dachte sich Stephan. So kann es doch nicht
weitergehen. Vielleicht sollten wir doch diesen Herrn Lenz eine
Chance geben und vielleicht ergibt sich ja doch noch eine
Möglichkeit, dieser Katja Moser zu helfen. Kaum ausgesprochen,
begab sich Stephan zu seiner Tochter um ihr seinen Vorschlag zu
unterbreiten.
»Na, Kleines, wie fühlst du dich?«,
leitete Peter sein Gespräch ein.
»Ach Papa, mir geht halt dieses Mädchen,
die Katja, nicht aus dem Sinn. Mir tut sie so leid. Ich komme mir so
hilflos vor.«
»Ich kann dir nachempfinden, wie du dich
fühlst. Mir geht es genauso.«
»Weißt du, es macht mich fast
ohnmächtig, nichts tun zu können.«, klagte Sarah.
»Tja, Sarah, das ist auch der Grund,
warum ich mit dir reden möchte. Ich hätte da einen
Vorschlag.«, begann ihr Vater mit einem leicht ironischen
Unterton.
»Da bin ich aber gespannt, Papa.«
»Ich dachte mir, dass wir vielleicht
doch zu voreilig diesen Peter Lenz aus dem Haus geschmissen haben.
Du siehst ja selbst, dass wir mit unseren Methoden keinen Schritt
vorankommen. Oder was meinst du, Sarah.«
»Ja, Papa, ehrlich gesagt hatte ich da
auch schon dran gedacht. Du weißt ja, dass der Lenz an die
Öffentlichkeit gehen will?«
»Ja, Kleines, das ist mir schon klar.
Wir werden diesen Herrn der außergewöhnlichen Fälle
wohl oder übel ein paar festgelegte Punkte vorlegen müssen.«,
stellte Stephan fest.
»Papa, und das heißt?«
»Na das heißt, dass wir ihm
vertraglich klarmachen, was er darf und was nicht.«
»Kann man denn so etwas vertraglich
absichern, Papa?«, fragte nun Sarah von der Neugier gepackt.
»Oh liebes, du kannst dir gar nicht
vorstellen, was man alles vertraglich vereinbaren kann.«, ja,
da lag Sarahs Vater nicht einmal so falsch.
»Du, Papa, und wenn sich der Herr Lenz
nicht an die vertraglich abgesicherten Abmachungen hält, was
dann?«, eine durchaus berechtigte Frage die da von Sarah kam.
» Dann werden wir ihn verklagen bis ihm
die Luft ausgeht. Und eines kannst du mir beruhigt glauben, bevor
dieser Herr einen Haufen Geld zahlen muss, und ich werde ihm jeden
Cent den er besitzt abnehmen, wird er es sich drei mal überlegen,
uns zu hintergehen.«, verkündete Stephan sehr stolz.
» Mann, Papa, was du so alles weißt. Ich
hoffe aber, dass wir damit keinen Fehler begehen?«
Ihr Vater fühlte sich bei diesem
Gedanken nicht sehr wohl. Dennoch suchte er ein baldiges Ende dieser
so komplizierten und geheimnisvollen Ereignisse.
»Ich kann dich gut verstehen, Sarah, ganz
wohl ist mir dabei auch nicht.«
Sarah und ihr Vater besprachen noch einige
Punkte und kamen zu dem Entschluss, dass es doch besser für
alle Beteiligten wäre, einen neuen Anfang zu wagen. Gleich am
nächsten Tag wollte Stephan in der Agentur anrufen und ein
neues Zusammentreffen arrangieren. Was die beiden natürlich
nicht wissen konnten, ist, dass sich Mary Ritley und Gregor Wagner
längst auf dem Weg zu ihnen befanden.
*
Zur gleichen Zeit in einem Auto auf der Autobahn in Fahrtrichtung Rednizkleineck:
Mary saß neben Gregor, der gut gelaunt
und leise pfeifend hinter dem Steuer saß. Mary hingegen
kramte und wühlte nach ihren Zigaretten und einem Feuerzeug.
Als sie endlich fündig wurde, steckte sie sich eine davon an.
»Mary, seit wann rauchst du denn? Das
sehe ich ja das erste mal an dir?«, erkundigte sich Gregor
erstaunt.
»Ich denke, Gregor, dass du dich um deine
eigenen Sachen kümmern solltest.«
»Entschuldige bitte, Mary, man wird doch
noch mal fragen dürfen oder?«
»Ja, schon gut, Gregor, beruhige dich.«
Ja, es war nicht zu übersehen, dass beide
angespannt waren. Kein Wunder, denn Mary und Gregor hatten keine
leichte Aufgabe vor sich. Auch sie konnten natürlich nicht
wissen, dass es sich die Hübners anders überlegt hatten und
sich mit der Agentur gütlich einigen wollten.
Nach weiteren Minuten Fahrt bemerkte Mary, dass
Gregor sie irgendwie zu mustern schien. Was ihr nicht im
Geringsten behagte.
»Sag mal, brauchst du vielleicht ein
Passbild von mir, Gregor?«
»Du, Mary, glaubst du, dass wir diesen
Auftrag an Land ziehen können?«
»Wie kommst du denn darauf, dass wir es
nicht schaffen könnten?«, hakte Mary entschlossen nach.
»Nun, ich sehe doch, dass du ziemlich
nervös bist.«
»Da mach dir mal keine Sorgen, bis jetzt
hab ich noch immer jeden Auftrag an Land gezogen. Es war zwar nicht
immer leicht, das muss ich zugeben, und manche schienen schon
verloren zu sein, aber gerade in diesen Augenblicken fiel mir dann
doch die rettende Idee ein.«
... und wie recht Mary damit hatte.
»Wenn es so leicht ist, warum bist du
dann so nervös, Mary?«
Mary begann, sich langsam aber sicher über Gregor zu ärgern.
»Sag mal, Gregor, was ist denn mit dir
los? Ich habe das dumpfe Gefühl, dass du mich ärgern
willst.«
»Aber nicht doch, Mary, ich meinte ja nur.«
»Natürlich ist man vor jedem neuen
Auftrag nervös und zappelig. Das ist ja gerade das Aufregende
an diesem Beruf. Oder findest du deinen heutigen Ausflug etwa
langweilig, Gregor?«
»Langweilig? Ne, langweilig gerade nicht,
aber dennoch ein bisschen gemütlich.«
»Ach, Gregor, du bist mir schon einer. Na ja, was soll es, du wirst es nie
begreifen, worauf es hierbei ankommt. Mary hatte da nicht einmal so
unrecht. Sie spürte, ja sie wusste ganz genau, dass Gregor zwar
auf einen Erfolg bei dieser Geschichte der Hübners scharf war,
aber dennoch aus nur einem Grund: Gregor wollte Eindruck bei
Peter schinden. So ungefähr wie: Einmal dabei und schon Erfolg.
Ja, Gregor wusste auch, dass Mary ein Ass in ihrem Fach war und dass er
da nicht viel an Arbeitseifer mitbringen musste. Dass er sich an
ihren Lorbeeren bereichern wollte. Aber da hatte er bei Mary aufs
falsche Pferd gesetzt. Mary hatte da schon eine Idee, wenn der Fall
abgeschlossen ist, die er in seinem Leben nicht vergessen
sollte. Wie schon gesagt, sie hatte nichts gegen Gregor. Dennoch,
sich auf ihre Kosten gütlich zu tun konnte Mary beim besten
Willen nicht zulassen. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte sich noch Mary.
Wenn es so weit ist, wenn es so weit ist. Ja, es kommt der Tag. Mary
und Gregor fuhren noch den Rest der Autobahn schweigend, bis sie
dann die Ausfahrt Richtung Rednizkleineck nahmen und auf der
Landstraße weiterfuhren. Gelangweilt beobachtete Mary die
ländliche Umgebung, die sich ihr darbot. Dann schrillte ihr Handy, das sich in ihrer
Handtasche befand. Flink wie ein verstohlener Taschendieb griff Sie
hinein, wühlte sich bis zu dem nervtötenden Apparat,
der sich irgendwo zwischen Lippenstift und Makeup, Puder und
sonstigem Zeug, das Geschäftsfrauen für den Alltag so
nötig hatten - versteckte.
»Ja, Mary Ritley hier?«, gab Sie von sich.
»Mary, ich bin es, Peter.«, gab er
wie immer Nervös an.
»Ah... Peter, du, was gibt's denn?
Ist was geschehen?«, fragte sie verwundert.
»Was? Aber nein, es ist alles in Ordnung.
Ich wollte mich nur erkundigen, ob ihr beide schon angekommen
seid.«, fragte er.
»Nein, Peter, aber es kann nicht mehr
lange dauern.«
»Nun gut, Mary, dann wünsch ich euch
beiden viel Erfolg.«
»Ja, danke Peter. Ach was ich noch sagen
wollte, Gregor und ich, wir suchen uns erst mal ne Bleibe. Heute wird
sowieso nichts mehr daraus, es ist schon sehr spät geworden.
Ich hoffe, du bist damit einverstanden?«
»Klar doch, Mary, das ist kein Problem,
das setze ich von der Steuer ab. Und noch etwas, wenn ihr
irgendetwas braucht, ruft mich an, Okay Mary?«
»Ist gut, Peter, also dann, drücke
uns für morgen die Daumen. Machs gut und auf bald.«
Und Mary beendete das Gespräch, legte
das Handy wieder in die Handtasche und schmiss diese in einem
Schwung auf den Rücksitz. Dann folgte von Gregor ein zynisches »Was?«
»Was meinst du mit 'was'?« fragte
Mary völlig verblüfft.
»Na, ich meine: Was hat er gesagt?«
»Hat wer gesagt?«, natürlich
wusste Mary genau, was Gregor meinte, der vor Neugier zu platzen drohte.
»Na, ich meine Peter, was hat er denn
gewollt, Mary?«
Mary machte es sichtlich Spaß, Gregor auf die Palme zu
bringen. Irgendwie, so schien es, bahnte sich zwischen den beiden ein
kleiner Privatkrieg an.
»Ach, Gregor, ich bin doch nicht deine
private Berichterstatterin.«
Jetzt schien Gregor sich nicht mehr beherrschen zu können und
fing laut zu fluchen an.
»Verdammt noch mal, verdammt, verdammt.
Kannst du mir mal sagen, Mary, was verdammt noch mal mit dir los
ist?«
Und Mary schien seine Aufregung zu genießen.
»Ich weiß nicht, was du meinst, Gregor?«
Um das Fass noch zum Überlaufen zu
bringen, stellte sich Mary dumm.
»Das weißt du ganz genau. Ich möchte
jetzt wissen, was du plötzlich gegen mich hast.«, schrie Gregor Mary lauthals an.
»So, du möchtest also wissen was ich
gegen dich habe?«, konterte Mary zurück.
»Ja, ich
möchte es jetzt wissen?«, stellte Gregor ihr ein Ultimatum, so hörte
es sich jedenfalls an. Worauf Mary sich in ihrem
Stolz niemals einlassen würde.
»Halt den Wagen an, Gregor.«,
forderte Mary ihn auf.
»Was, was soll das, Mary? Was hast du
vor? Gregor ahnte es schon, doch er wollte es nicht wahrhaben.
»Halt endlich an, ich warne dich, Gregor,
halt den Wagen an.«, schrie Mary Gregor an. Dann sah er Mary
mit einem solch hasserfüllten Blick an, dass sie sogar ein
bisschen Angst vor ihm bekam. Und im nächsten Augenblick stieg
er mit einer solchen Kraft auf die Bremse, dass beide mit einem
mächtigen Ruck nach vorne schnellten. Pech für Mary, denn
nur Gregor war angeschnallt. Mary prallte dabei mit ihrem
Kopf gegen das harte Armaturenbrett des Wagens. Der Aufprall war
nicht sehr hart, aber dennoch verletzte sich Mary auf ihrer Stirn und
fing ganz leicht zu bluten an. Das reichte Mary endgültig. In
einem war sich Mary sicher, Gregor wusste und war sich dessen auch
bewusst, dass sie nicht angeschnallt war und somit versuchte, sie
absichtlich zu verletzen. Mary war außer sich vor Wut. Sie
konnte und wollte ihm nicht die Genugtuung eines Sieges geben. Mary
sah Gregor ganz kurz und mit einem Gezwungenen Lächeln an,
grapschte vom Fordersitz mit der linken Hand nach ihrer Handtasche,
die sich, wie uns bereits bekannt ist, auf dem Rücksitz befand, öffnete
sie und wühlte nach einem Taschentuch. Sogleich klappte sie die
Sonnenblende herunter, wo sich ein kleiner Quadratischer Spiegel
befand, guckte hinein und wischte sich mit dem Taschentuch das Blut
von ihrer Stirn.
»Oh... Mary entschuldige, das habe ich
nicht gewollt.«, kam scheinheilig von Gregor rüber.
Mary war klar, dass Gregor seine Entschuldigung
nicht ernst meinte. Klar, so dachte sie sich, während sie sich
selbst verarztete, habe sie ihn geärgert, aber dass er so weit
gehen würde, das hätte sie ihm nie im Leben zugetraut. Dass er in
seinem geschäftlichen Eifer sich so vergessen konnte, grenzte
schon an Kriminalität.
»Und doch hast du es gewusst, dass ich
nicht angeschnallt bin, Gregor. Ja, ich gebe zu, dass ich dir eine
Lektion erteilen wollte. Du mit deiner ewigen Schleimerei bei Peter.
Jahrelang habe ich den Mund gehalten und geschwiegen, wenn du dich
auf Susannes und meine Kosten beim Chef beliebt gemacht hattest.
Aber dass du so weit gehen würdest, nie im Leben. Du bist
krank, weißt du das, Gregor? Und jetzt sage ich es nur einmal: Steig
aus dem Wagen.«
Es folgte ein Blick zwischen den beiden, bei
dem Gregor mit Sicherheit verlieren würde. Wenn Blicke töten
könnten, würde Gregor jetzt tot umfallen. Mary war nun zu
allem bereit, bereit, und das sogar als Frau, sich mit Gregor
anzulegen. Weiterhin sahen sich die beiden tief in die Augen, wobei
Gregor bemerkte, dass Mary ihre rechte Hand verdächtig in ihre
Handtasche steckte. Ja, Gregor hatte nicht umsonst ein komisches
Gefühl. Marys rechte Hand umklammerte nämlich ihr
Pfefferspray, das sie nun bereit war einzusetzen.
»Mary, ich sagte doch bereits, dass es mir
leid tut. Was willst du denn noch?«
»Ich will, dass du aussteigst und zwar sofort.«
Marys Antwort, so bemerkte Gregor, war
endgültig, und auch, dass es keinen Sinn mehr hatte mit Mary
hinsichtlich dieser Tatsache zu verhandeln. also, es kam
was kommen musste.
»Na schön, Mary, ganz wie du willst.
Aber warte bitte, bis ich mein Gepäck aus dem Kofferraum geholt
habe, okay?« Hoffnungs- und erwartungsvoll sah er Mary an, doch
die gab ihm keine Antwort. Gregor schnallte seinen Sicherheitsgurt
ab und stieg aus. Einen Moment lang blieb er vor der Türe der
Fahrerseite stehen. Dann ging er nach hinten, um sein Gepäck aus
dem Kofferraum herauszuholen. Währenddessen war Mary bereits
um die Vorderfront des Autos herumgelaufen und nahm den Platz des
Fahrers ein. Und Mary fuhr los. Während Mary wegfuhr,
beobachtete sie Gregor im Rückspiegel, der fassungslos mit
seinem Gepäck in der Hand, mitten auf der Fahrbahn stand und
ihr reumütig nach sah.
»Mistkerl, dieser vermaledeite Mistkerl!
Das werde ich dir nochmal heimzahlen. Ich kann es einfach nicht
glauben, dass dieser Kerl doch glatt versucht hat mich ernsthaft zu
verletzen.«
Mary schimpfte, fluchte und regte sich im
Selbstgespräch so sehr auf, dass sie ganz vergaß, weshalb sie
eigentlich unterwegs war, also wohin sie eigentlich wollte. Mary
fuhr langsamer und langsamer, so dass ein hinter ihr befindlicher
Fahrer Lichthupe gab und ihr beim Überholen den Vogel zeigte.
Als Reaktion fuhr sie an den Rand der Fahrbahn und stoppte das
Auto. Ganz ruhig, ja fast bewegungslos, saß sie hinter dem
Steuer und dachte nach. Sie dachte nach, ob sie den Vorfall nicht
lieber Peter melden sollte. Und sie kam zu dem Entschluss, dass es
das Beste wäre. Dann griff sie mal wieder in ihre
lederschwarze Handtasche, wo sich ihr Handy befand und wählte
Peters Namen.
»Mann, Peter, geh schon ran!«,
zappelte sie am Handy.
»Ja, hier Peter Lenz, was kann ich für
Sie tun?«, fragte er guten Gewissens.
Und Mary erzählte haargenau, was sich zwischen ihr und Gregor
abgespielt hatte.
»Na, Peter, was sagst du nun dazu?«,
drängte sie ihn.
»Ach du meine Güte, spinnt denn
Gregor? Hat er denn total den Verstand verloren?«, gab er von
Gregor enttäuscht wieder.
Peter traute seinen Ohren nicht. Es fiel ihm
schwer, Mary Glauben zu schenken, andererseits kannte er Mary
schon viele Jahre, insgesamt zehn, um genau zu sein. Und in
diesen Jahren konnte er sich immer auf sie verlassen. Nie, auch nicht
ein einziges mal, hatte Mary ihn hintergangen oder gar belogen. Im
Gegenteil, wenn irgendetwas in der Firma fehlschlug, nahm Mary alles
auf sich und hielt dabei zu Susanne und auch zu Gregor. Aber auch
Gregor vertraute er. Peter vertraute seiner ganzen Crew.
»Mary, jetzt beruhige dich doch, wenn
sich Gregor bei mir meldet, werde ich ihn sofort nach Hause beordern
und ihm die Hölle heiß machen, du hast mein Wort darauf.«
»Nun gut,
wenn du meinst, Peter. Ich hoffe, das wird ihm eine Lehre sein,
diesem Armleuchter. Es kommt in den besten Kreisen vor, dass man sich
mal neckt, aber gleich so auszurasten, also ich weiß nicht. Der ist
doch gemeingefährlich. Ja Peter, Gregor ist ne tickende
Zeitbombe, das kannst du mir ruhig glauben.
»Na, na, Mary, übertreibst du jetzt
nicht ein bisschen? Ich meine, sicherlich hat Gregor Mist gebaut, da
stimmt doch was nicht. Ist dir denn an Gregor nichts aufgefallen?«
»Nein Peter, eben nicht. Doch jetzt, wo du
es sagst. In seinem Verhalten war es tatsächlich nicht normal.«
Siehst du, Mary. Ich schlage dir erst einmal
vor, dass du mir die nötige Zeit gibst, mich mit Gregor zu
befassen, wenn er wieder zurück ist. Ich werde dann schon
herausbekommen, was mit ihm los ist, okay Mary?«
»In Ordnung, Peter, aber ich hoffe
inständig, dass du diesem Scheißkerl ordendlich die Ohren
wäschst.«
»Natürlich, Mary, kannst dich in
diesen Punkt auf mich verlassen.«
»Das hoffe ich wirklich, Peter, das
hoffe ich für uns alle.«
Peter kannte diesen entschlossenen Unterton
von Mary und er wusste auch was er bedeuten könnte. Doch er
wagte nicht einmal daran zu denken.
»Ich sagte doch, Mary, du kannst dich auf
mich verlassen. Ach, noch etwas, wenn du möchtest, kannst du
natürlich nach Hause kommen und für heute Schluss machen.
Das wäre bestimmt das Beste für dich.«
»Lieb von dir, Peter, aber ich habe mir
vorgenommen, diesen Auftrag an Land zu ziehen und das werde ich
auch, komme was da wolle.«
»Also, Mary, du bist unvergleichlich und
einfach nicht zu erschüttern.«
» Na, wenn du dich da mal nicht
täuschst.«
In diesem Falle täuschte sich Peter natürlich nicht.
»In Ordnung, Peter. Ich komme in ungefähr
zehn Minuten in Rednizkleineck an. Und wie abgesprochen, suche ich
mir für ein oder zwei Nächte ein Zimmer. Vielleicht werde
ich sogar die Hübners noch heute besuchen oder zumindest
anrufen. Mal sehen, was sich so ergibt. In Ordnung Peter?«
»Aber natürlich, Mary, ganz wie du
willst. Na dann, mach's gut, Süße.«
»Gut, du auch und bis auf bald.«
Mary fuhr vom Fahrbahnrand an und
gliederte sich in den stark zugenommenen Verkehr in Richtung
Rednizkleineck wieder ein.
Nach einer kurzen Weile sah sie endlich
das Schild 'Rednizkleineck' vorbeirauschen.
Mann, das wurde aber auch Zeit, bin ganz schön
fertig, dachte sich Mary. Muss zusehen, dass ich noch ein Zimmer
bekomme. Um diese Zeit? Es wird nicht leicht sein, so glaube
ich. Ach, da vorne ist ja schon ein Motel. Zur Himmelfahrt.
Komischer Name, na, Hauptsache ich bekomme noch ein Zimmer mit
Dusche. Ja, duschen und danach einen extra starken Kaffee. Mehr
brauche ich im Moment nicht. Im Nu hatte sich Mary auf dem Parkplatz
des Motels eingeparkt. Im Motel angekommen ging sie gleich zur
Rezeption, um sich für ein Zimmer einzuloggen. Am Tresen stand
ein junger Mann, der anscheinend nicht viel Arbeit hatte. Sie sah,
dass er einen Kopfhörer trug und höchstwahrscheinlich
Musik hörte. sie konnte den dazu gehörenden Walkman sehen,
der auf seinem Schoß lag.
»Hallo, Hallo!«, schrie Mary den
jungen und gutaussehenden Mann an. Doch der schien sich in seine
Zeitschrift, die er zudem noch las, vertieft zu haben. Mann, was ist
nur mit der heutigen Jugend los, dachte sich noch Mary, als der
junge Mann sie bemerkte. Mit einem Satz schlitterte er einen Meter
nach links den Tresen entlang, bis er in Höhe, wo sich Mary in
etwa aufhielt, zum stehen kam, schmiss seine Zeitschrift, die sich
dadurch als Porno-Schmöker entpuppte, auf den hinter sich
stehenden Stuhl und hoffte, knallrot geworden, dass der neue Gast
keinen Wind davon bekam.
»S.. sie w.. wünschen Madame?«,
kam von dem Pagen stotternd hervor. Einen Moment lang sah sie diesen
Schüchternen, jungen und nach ihrer Meinung sehr hübschen
Mann wortlos an. In diesem Augenblick dachte sich Mary:
Ist der süß, den würde ich nicht von der Bettkante schmeißen.
»Ja, was will man denn im Allgemeinen,
wenn man ein Motel betritt?«, warf Mary zänkisch ein.
Verdutzt und noch errötender als vorher
geworden, sah er sich Mary genau an. Dabei spitzte er mit seinen
Himmelblauen Augen von ihrem Gesicht abwärts, bis hin zu ihrem
Busen. Mehr vermochte er von Mary in diesem Augenblick nicht zu
erspähen, da Marys interessantere Hälfte zwangsweise vom
Tresen verdeckt wurde. Verzückt schenkte Mary ihm ein Lächeln.
»Ein Zimmer?«, gab er bekräftigend hinzu.
»Genau!« Und Mary wartete auf
einen Vorschlag, ob sich ein Zimmer noch frei befände,
anscheinend vergebens.
»Und, junger Mann, was ist nun?«
Mary stand da, ihre beiden Hände zusammengefaltet auf dem
Tresen und rollte kreisförmig ihre beiden Daumen.
»Oh... verzeihen sie bitte, ich war
gerade in Gedanken vertieft. Natürlich haben wir noch ein
Zimmer frei. Aber, um ehrlich zu sein, können sie sich von den
15 Zimmern 14 aussuchen. Wir hätten aber auch eine Sweet
für sie frei, sie hat allen Komfort und ist wegen Unterbelegung sehr günstig.«
»Die Geschäfte gehen wohl nicht
sehr gut?«, wollte Mary neugierig geworden wissen.
»Ja, so könnte man es auch
ausdrücken. Sie müssen wissen, dass, seit dieses 4-Sterne-Hotel
zwei Straßen weiter gebaut wurde, für die
kleinen Motels in dieser Gegend Ebbe ist. Es ist zum Haare
ausraufen.«
»Komisch, mir fiel nur ihr Motel auf, als
ich hier in eure Ortschaft Einfuhr und nicht ein 4 Sterne Hotel?«
»Ja, das
können sie ja auch nichtsehen, wenn sie in die Ortschaft einfahren. Doch
beim Verlassen schon. Es befindet sich fast am Ende der Ortschaft.
Unser Rednizkleineck ist nicht sehr groß, müssen Sie
wissen.«
»Nun, das mag ja sein, dennoch ein
schönes Fleckchen Erde dieses Rednizkleineck.«
»Ja, da gebe ich ihnen Recht Fräulein
Ritley.« Mary beugte sich leicht über den Tresen, so dass
Martin in ihren Ausschnitt schauen konnte, wenn er hinsehen würde.
»M.. Möchten sie nun lie... lieber
die Sweet oder soll es doch nur ein einzelnes Zimmer sein?«,
begann Martin zu stottern.
» Ja, ich darf doch annehmen, dass sich
eine Badewanne in dieser Sweet befindet, oder?«
»Aber selbstverständlich, Fräulein Ritley.«
»Nennen sie mich doch Mary. Und Sie, wie
heißen Sie?«
»Mein Name ist Martin, Fräulein
Ritley.«, gab Martin schüchtern Antwort.«
»Martin, es freut mich, ihre Bekanntschaft
zu machen.« Mary reichte ihm dabei ganz sachte, ja fast
zärtlich ihre rechte Hand und warf ihm einen Blick zu, bei dem
alle Männer hätten nervös werden müssen. Wobei sie
seine Hand nicht gleich losließ, um zu fühlen, ob dieser
hübsche junge Mann ins Schwitzen kam. Und ob er nervös
wurde. sie fühlte, dass Martin ein wenig zu zittern schien und
seine Hand, die sie noch immer festhiel,t zu Schwitzen begann.
»Ganz meinerseits, Fräulein Ritley.
Sie haben die Zimmernummer 13, wenn es ihnen recht ist?«,
fügte er hinzu.
»Wieso sollte es mir nicht recht sein, Martin?«
»Na ja, Sie wissen schon, die Zahl 13.«
Natürlich erkannte Mary sofort, was Martin
mit der berüchtigten Zahl 13 gemeint hatte. Aber es machte ihr
Spaß, diesen Jungen Mann nervös zu machen. Und das war er
zweifelsohne. Und wie er das war. Ein Nervenbündel seinesgleichen war er geworden.
»Nein, Martin, das weiß ich nicht.«
»Ich meinte, dass manche Menschen
abergläubisch mit dieser Zahl 13 sind. Freitag der 13. soll doch
angeblich für viele Menschen Unglück bringen. Das war
da... das was ich...
»Schon gut, Martin, ich weiß jetzt, was du
mit der Zahl 13 gemeint hast, okay?«
Gut.. Fräulein Ritley, ich darf doch
vorgehen?«
»Ich bitte darum, Martin, nach dir.«
Dann zögerte Mary noch einen
klitzekleinen Augenblick, seine makellose und samtweiche gepflegte
Hand, die sie die ganze Zeit über festhielt, loszulassen.
Sogleich kam er um den Tresen herum, ging mit Mary in den
Fahrstuhl und drückte auf den Knopf, der zur zweiten Etage führte.
Dann ging es durch einen dezent beleuchteten langen und sehr
schmalen, mit einem roten Teppich ausgelegten Gang bis fast ans Ende
zu dem besagten Zimmer mit der Nr. 13, wo Martin unmittelbar vor der Tür
stehen blieb. Alsdann öffnete er für Mary
und trat beiseite, so dass sie als erste die Sweet betreten konnte.
»Oh, Martin, jetzt habe ich doch glatt
mein Gepäck im Kofferraum vergessen.«
»Wenn sie es wünschen, Fräulein
Ritley, werde ich es für sie holen gehen.«
»Ja, Martin das wäre sehr nett von
Ihnen. Es ist der gelbe Mazda mit dem schwarzen ledernen Dach.«
Dann gab Mary Martin dem Pagen ein sattes Trinkgeld und ihren
Autoschüssel. Sofort machte sich Martin auf den Weg. Und
während er so den Gang in flotten Schritten entlangging, dachte
er nach. Mann, was für eine schöne Frau. So eine schöne
Frau hat bestimmt Verehrer bis zum Abwinken.
Währenddessen sah sich Mary die ihr zugewiesene Sweet genauer
an. Ja, es glich fast einer Inspektion, so sehr begutachtete Mary die
Räumlichkeiten.
»Ah... die Dusche und die Badewanne, endlich.«
Im Nu hatte sich Mary ihr dünnes aber
lischeres Gewand von ihrem wohlgeformten Körper gestreift
und begab sich unter die Dusche. Martin hingegen befand sich - und
das mit Sauseschritten, als bekäme er etwas umsonst -
derweil schon mit Sack und Pack auf dem Rückweg zu Marys
Zimmer. Dort schwer atmend angekommen, stellte er mit seiner rechten
Hand den einen von zwei Koffern neben sich auf dem Boden ab. Dann
begann er ganz sachte zu klopfen. Doch es kam keine Antwort. Also
wiederholte er seine Aktion. Doch es hallte erneut keinerlei
Aufforderung zum Eintreten seitens des Gastes nach draußen.
Was nun, dachte sich Martin. Und das Gepäck einfach draußen
auf dem Gang stehen zu lassen, schien ihm doch zu unhöflich zu
sein. Erneut klopfte Martin an die Tür, doch es regte sich
nichts. Martin beschloss, dann einfach unaufgefordert in die Sweet
einzutreten. Vorsichtig umklammerte er mit seiner rechten Hand den
runden Türknopf und drehte ihn ganz langsam nach rechts. Ein
kleines Klicken und Schnappen war zu hören und die Türe
war offen. Als nächstes streckte er nur seinen Kopf in den
offenen Spalt zwischen Türe und Rahmen, um vielleicht ein Blick
von jener schönen Frau zu erspähen. Doch nichts war von
ihr zu sehen.
»Fräulein Ritley, kann ich hereinkommen?«,rief Martin laut.
Dann bückte er sich, um den abgestellten
Koffer wieder aufzunehmen und betrat den Raum. Kaum stand er alleine
und suchend im Raum, da ging urplötzlich die Tür zum
Badezimmer auf, an die Martin überhaupt nicht gedacht hatte, und
Mary stand erstaunt und völlig nackt in der Tür vor
Martin dem Pagen. Für Mary schien es so als sei es Martin sehr
peinlich, sich nun in dieser verflixten
Situation zu befinden, denn er guckte verlegen wirkend in ihr
Gesicht und nicht, wie er eigentlich hätte reagieren müssen,
auf ihren nackten Körper. Beide standen nun da und sahen sich
an. Martin sah noch immer nur in ihr Gesicht. Eigentlich erwartete
Martin nun ein Geschrei und Gezeter von dem äußerst
attraktiven weiblichen Gast, doch nichts dergleichen geschah. Sie
stand nur da und guckte ihn an. Stattdessen fiel ihm von Mary ein
süßes Lächeln entgegen.
»Martin?«, vernahm er ihre Stimme wie in einem Echo
klingend, während Martin verzweifelt versuchte, das Unmögliche
möglich zu machen. Nämlich seinen heißen und
erregten Schweiß unter Kontrolle zu bringen. Doch im
Gegenteil, sein Schweiß begann sich jetzt zu Perlen so
groß wie Tränen zu verformen. Ohne Gnade musste Martin
den Fluss der Peinlichkeit über sich ergehen lassen.
»Ja, Fräulein Ritley?«, gab
er an seinem ganzen Körper angespannt als Antwort.
»Verschließe die Türe.«,
gab Mary sichtlich erregt von sich.«
Dann ging Martin auf die noch offene Türe
zu, hindurch auf den Gang und schnappte sich die knopfrunde
Türklinke, so dass er sie von außen schließen
konnte, als Mary ihn wieder rief.
»Martin?«
»Ja, sie haben noch einen Wunsch,
Fräulein Ritley?«, erkundigte sich Martin, der jetzt sehr
nervös wurde.
» Du sollst die Türe schließen,
das ist richtig, aber nicht von außen.«
Martin glaubte, sich verhört zu haben.
Das was er sich immer wünschte ist mit einem Male eingetreten.
Immer hatte er sich eine Liebesaffäre mit seiner Traumfrau
gewünscht. Und da stand sie nun. Völlig nackt, wunderschön
und von einer Aura umgeben, die eines Engels gleichzustellen war.
Doch wie sollte er sich nun Verhalten? Martin bebte innerlich, schon
der Gedanke daran, sie berühren zu dürfen,
und dann auch noch an ihren intimsten Stellen, brachte ihn innerlich
völlig außer Rand und Band. Martin ging wie auf Befehl,
ja wie hypnotisiert wieder hinein und verschloss die Tür
hinter sich. Er drehte sich um und sah in ihre Augen, die immer näher
zu ihm kamen. Martin fiel das Atmen schwer und sein Herz klopfte
ihm bis zu Hals empor. Seine Gedanken sahen nun Bilder, die eines
jeden Menschen Vorstellungskraft überstiegen. Er kam sich nun
wie ein ganzer Kerl vor, ja wie ein Mann, den seine Angebetete zu
Füßen lag, ein Mädchen, das sich heimlich und
versteckt in einem alten Garagenschuppen sein erstes Küsschen
von des Nachbars Jungen abholen durfte. Doch trotz seiner
derzeitigen Überlegenheit, so dachte zumindest Martin, getraute
er sich nicht zu bewegen, viel zu tief saß die Angst, irgend
etwas falsch zu machen, so dass dieses Prachtweib einen Grund hätte,
ihn hinauszuschmeißen. Nein, er beschloss, wie ein Amboss
stehen zu bleiben. Ja, stehen zu bleiben, festgewurzelt wie ein
uralter Baumstamm.
»Ganz ruhig,
Martin, hab keine Angst. Es wird dir gefallen.«, frohlockte
sie.
Doch Martin gab keine Antwort und als sie
begann, ihn zu berühren, schloss er die Augen. Sie begann, ihn
ganz langsam auszuziehen. Ganz behutsam öffnete sie seine
schwarze Uniformhose, die in diesem Motel Pflichtkleidung darstellte
und zog sie herunter. Sie glitt mit ihren etwas kühlen und
kleinen Händchen von den Knien aufwärts, die
Oberschenkel entlang, an den Hüften vorbei und über seinen
Brustkorb, der sich nun vor Aufregung wie ein Pfau oder zu einem
Blasebalg zu verpuppen schien. Dann ein ganz tiefer Zug bis in die
letzten Winkel seiner Lunge, um mehr Luft zu holen und so seinen
Oberkörper geschickt zu einer perfekten und geschwollenen
Muskelmasse werden zu lassen, wenn auch simuliert, bis hin zu
seinem Gesicht, das sie abtastete, als wäre sie von Blindheit
geprägt. Als nächstes knüpfte sie sein Jackett auf
und während sie es ihm auszog gab sie ein sehr leises und
erregtes Stöhnen von sich. Sie zog ihm alles aus, was er an
sich trug. Und als er genau wie sie splitterfasernackt im Raum
stand, nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn ins
Schlafzimmer der Sweet.
Kapitel 10, Die Kreatur Elopp
Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer
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