Kapitel 10
Die Kreatur Elopp
Mittlerweile in einer anderen Zeit, bei uns bekannten Personen:
Norman und Katja konnten sich für die
Dogon begeistern. Die Wärme und Liebe, die diese Spezies
ausstrahlte, war schwerlich zu beschreiben. Die Ruhe und
Geborgenheit, die diese Wesen Norman und Katja vermittelten, gaben
den beiden allmählich das Gefühl, dass sie von ihnen
gemocht wurden. Obwohl sich Norman und Katja schon
einige Monate auf diesem Raumschiff befanden, fühlten sie sich
doch noch ein klein wenig fremd auf dem Raumschiff der Dogon. Denn
diese Zeit verbrachten die beiden, wie uns bekannt ist,
ausschließlich in der Schlafkammer, also quasi unbewusst. Und
wie uns wiederum bekannt ist, lebten Norman und Katja in einer
anderen Zeitrealität. So dass, würden sie jetzt und im
selben Augenblick in dieser Zeitschleife nach Hause katapultiert
werden, beide keinen Zeitverlust hätten. Irgendwie konnten die
Dogon auf der Reise durch eine Art Zeitschleife, und das
beliebig, die Zeit verändern. Beide genossen allmählich
das Leben auf diesem Raumschiff. Sie konnten essen, was das Herz
begehrte. Sie bekamen Kleidung aus den edelsten Materialien und
Stoffen, für die sie auf der Erde ein Vermögen hinblättern
hätten müssen. Beide brauchten nur Lyr dem Androiden Bescheid geben
und schon hing im Verlauf des nächsten Tages die oder das
gewünschte Kleidungsstück nagelneu und fein säuberlich
in ihren Kleiderschränken. Sie bekamen wirklich alles, was Sie
zum Leben brauchten und begehrten. Norman und Katja fanden dies sehr
merkwürdig und tuschelten des öfteren darüber, woher
sich die Dogon diese Sachen nur nahmen. Vor kurzem erlaubte sich
sogar Norman einen Scherz, so glaubte er. Er versuchte Lyr und den
Dogon eins auszuwischen. Natürlich war das nicht böse
gemeint. Dennoch beschloss Norman, einmal etwas ganz
außergewöhnliches zu Tisch zu bestellen. Er bestellte
Seetang und zwar als Salatkreation. Lächelnd und im festen
Glauben, sich etwas bestellt zu haben, was die Dogon auf keinen Fall
kredenzen könnten, nahmen er und Katja an ihrem zugewiesenen
Tisch Platz und staunten nicht schlecht. Norman blieb fast die
Spucke weg. Er bekam wie bestellt Seetangsalat und noch dazu
frisch. In diesem Fall war Norman nicht zu betrügen. Sehr oft
ging er auf seinem Heimatplaneten in seinen chinesischen
Lieblings-Feinschmeckerladen, um sich frischen Seetangsalat zu
kaufen. Und wenn jemand sagen konnte, ob es Seetang ist und dazu
noch frisch, dann natürlich Norman Wiesener. Trotzdem blieb bis
jetzt die Frage offen, woher die Dogon all das bezogen.
»Du, Norman, wir sollten nicht nur
darüber reden, woher sie all diese Sachen beziehen. Ich meine,
die neuen und tollen Klamotten, das täglich frische Essen?«,
dann sah Katja ihren Bruder erwartungsvoll an.
»Und sieh dir nur mal unsere
maßstabsgetreuen Möbeln an. Selbst die kleinsten Ritzen
oder gar Beschädigungen stimmen mit denen von zu Hause überein.
Norman begann, mit gesenkten Kopf in seinem Seetangsalat
herumzustochern, indem er offensichtlich versuchte, einen kleinen
Berg daraus zu formen.
»Was hast du plötzlich, Norman?«,
fragte Katja leicht besorgt.
»Ist es denn nicht besser, damit zu warten?«
»Mit was zu warten, Norman?«
»Ich meine, wir sollten doch eigentlich
froh darüber sein, dass es uns so gut geht. Weißt du, unsere
Entführung hätte auch anders ausgehen können. Ich
jedenfalls bin dafür, dass wir mit der Frage, woher sie all
diese Sachen haben, abwarten sollten. Jedenfalls so lange bis die
Zeit dafür reif ist oder?«, und Norman stellte sich schon
auf eine heiße Diskussion mit Katja ein, die aber zu seinem
Erstaunen einlenkte:«
»Klar, wenn du meinst, Norman, kein
Problem. Aber neugierig bin ich trotzdem.«
»Meinst du, ich etwa nicht, Katja?«
Die beiden waren bereits mit dem Mittagessen
fertig, als Lyr der Androide zu ihrem Tisch kam.
»Hallo Lyr, gibt's was Neues oder
kommst du nur, um dich mit uns zu unterhalten?«
»Danke der Nachfrage, Norman. Wie ich
sehe, seid ihr mit der Nahrungsaufnahme bereits fertig.«
»Ja Lyr, doch wie ich dich bereits
kenne, vergeudest du bestimmt nicht deine Zeit, indem du dich
erkundigst, ob wir mit dem Essen fertig sind, oder? Katja behielt in
diesem Punkt Recht.
»Natürlich nicht. Du hast
vollkommen Recht, Katja. Ich wollte euch beiden einen Vorschlag
unterbreiten. Aber wenn ihr dafür kein Interesse habt, dann
eben ein anderes Mal.«
Aber nein, nicht doch, Lyr. Wir würden
gerne deinen Vorschlag hören. Also, schieß los, Bruder
Lyr.«, äußerte sich Norman leicht herausfordernd.
»Ich bin doch nicht dein Bruder,
Norman?«, gab Lyr erstaunt von sich.
Norman hatte mal wieder ein Wort geäußert,
das zwar in Lyrs Speichermedium vorkam, doch keinesfalls so, dass
es für ihn einen Sinn gäbe.
»Lyr, ich weiß doch, dass du nicht mein
Bruder bist. Ich habe es nur so daher gesagt.«
»So, dann ist es ja in Ordnung.«
Also, wie schon von mir angesprochen, habe ich einen äußerst
wichtigen Vorschlag zu machen. Wie wäre es für euch beide,
wenn ich euch die Kommandostation zeige. Na, was haltet ihr
davon?«
Beide brachten keinen einzigen Laut
aus sich heraus. Sie saßen nur stumm und mit weit
aufgerissenen Augen und offenem Mund da, so begeistert waren
Sie von Lyrs Idee.
»Mann, das ist ja ein Ding.«, freute sich Katja.
»Na, dann kann es ja losgehen.«
Auch Norman konnte es kaum erwarten, die Kommandostelle zu
besichtigen.
»So, dann folgt mir, meine Freunde.«
Und Lyr ging wie immer den beiden voraus.
Wieder ging es durch unzählige Gänge, die fast einer
unterirdischen Grotte glichen. Wie schön sie sich doch in ihrer
leuchtenden Farbenpracht darboten. So ging es eine Weile lang
weiter, bis alle drei schließlich an einem der so zahlreichen
Lifte, die aus festem Licht bestanden, ankamen und stehen blieben.
»So, meine Lieben, das ist der Lift, der
uns direkt vor die Kommandozentrale befördern wird. Also, dann
wollen wir mal.«
Nacheinander gingen sie in den Lift. Im
gleichen Augenblick klatschte Norman in seine Hände und der
Aufzug begann, sich langsam aber stetig von Stockwerk zu Stockwerk
zu hieven, bis er abrupt zum Stehen kam.
»Gut gemacht, Norman, ich muss schon
sagen, ihr Menschen lernt sehr schnell dazu.«, lobte Lyr
Norman, weil er den Lift mit seinem Klatschen in Bewegung setzte.
Lyr ging wie immer voraus. Noch wenige
Schritte und sie standen vor einer riesigen Lichtquelle, die sich
nun als Eingang entpuppte. Lyr deaktivierte dieses Energiefeld und
ging hinein, wo sich folglich die Kommandozentrale befinden sollte.
Norman und Katja staunten nicht schlecht als sie den Raum betraten,
der die Kommandobrücke darstellen sollte. Ja, sie waren
sichtlich enttäuscht.
»Was, das soll eure Kommandozentrale
sein? Dass ich nicht lache!«, grinste Katja etwas höhnisch
klingend.
»Ich glaube es einfach nicht, Lyr, aber
wo sind denn all die, die dieses riesige Raumschiff lenken. Ich
meine, wo ist denn der Kapitän?«, kam entrüstet von
Norman.
»Ich verstehe nicht, Norman, was für
ein Kapitän denn? Lyr schien wirklich nicht zu verstehen, was
Norman meinte.
»Na, ich meine den verantwortlichen Mann,
der hier alles in Schuss hält. Ich meine den Mann, der die
Befehle gibt, der hier das Sagen hat. Derjenige, der das
Raumschiff lenkt, also den Kurs angibt und so weiter und so fort?«
»Ach so, jetzt verstehe ich, was du
meinst, Norman. Wir, die Dogon, brauchen keinen Kapitän der
unsere Raumschiffe lenkt. Zumindest nicht hier an Bord.«
»Sondern?«, fügte Katja noch hinzu.
»Alles was hier an Bord geschieht, wird
von unserem Planeten Goderijan aus gesteuert und gelenkt.«
Norman lief in dem riesigen und fast leeren
Raum herum, als suche er etwas was es vielleicht umsonst geben
könnte. Wobei Katja mit Lyr einige
Meter nach dem Eingang stehen blieben und Norman ratlos
beobachteten.
»Sag mal, Norman, suchst du etwas ganz
bestimmtes?«, warf Katja neugierig ein.
»Nein, eigentlich nicht. Aber ich kann
nicht verstehen, dass hier in der Kommandozentrale überhaupt
kein einziger Dogon gebraucht wird, auch wenn dieses Raumschiff von
eurem Planeten aus gelenkt und befehligt wird.« Tja, für
Normans Gefühl, und das mit Recht, irgendwie rätselhaft.
»Ich kann mir gut vorstellen, dass all
das hier neue Fragen für euch aufwerfen wird. Aber ich kann
euch getrost versichern, dass hier alles mit rechten, erklärbaren
und beweisbaren Dingen zugeht.«
Ja, Lyr hatte es mit der Spezies Mensch, also
mit Norman und Katja gar nicht so leicht. Er begriff allmählich,
dass die Neugier und der unendliche Drang, alles wissen, erforschen und anfassen zu wollen,
also der immerwährende Wissensdurst,
einen großen Teil des Menschen-, also Homo-sapiens-Charakters
und des heutigen Wissensstandes ausmacht, was ihm zunehmend große
Freude bereitete. Denn was Lyr am liebsten tat, das war reden und
sich präsentieren. Alles zu erklären und mit seiner
Wenigkeit zumindest ein kleines bisschen im Mittelpunkt zu stehen.
Unglaublich aber wahr, ein Androide mit menschlichen
Verhaltensweisen. Da haben seine Erschaffer ganze Arbeit geleistet.
»So, hat jemand von euch zwei noch
Fragen an mich?« Lyr wartete gespannt auf eine Frage von den
beiden.
Norman lief weiter, hin und her und blieb
kurzerhand vor einem schwarzen und kastenähnlichem Ding stehen, das
fest im Boden verankert war.
»Lyr, was ist denn das für ein
schwarzes Ding?« Anders vermochte Norman dieses etwas nicht zu
bezeichnen.
»Das was du da siehst, ist das
Herzstück unseres Raumschiffes.«, präsentierte Lyr
voller Stolz, indem er sich einmal um die eigene Achse drehte und
ganz komisch mit seinen leuchtenden azurblauen Augen zu rollen
begann.
»Das Herzstück, wirklich?«,
vergewisserte sich Katja noch mal bei Lyr dem Androiden.
»Ja, meine Gute. Das Herzstück. Von
hier aus werden alle Daten zu unserem Heimatplaneten Goderijan
gesendet und im Gegenzug wieder empfangen.«
»Du meinst, dass alle Vorgänge, das
Steuern des Raumschiffes, eure Kommandos, einfach alles von diesem
kleinen Schwarzen Kasten abhängig sind?«, wollte Norman
genau wissen.«
»Nun, nicht ganz, mein Bester. Könnt
ihr euch noch erinnern, als ich euch das erste Mal zu einem
Rundgang auf diesem Schiff einlud? Da zeigte ich euch doch die
vierte Etage. Ich führte euch in einen Raum und zeigte euch ein
paar Kollegen von mir.«
»Ja, wir
erinnern uns. Einige von euch saßen vor so eigenartigen
Bildschirmen. Diese Bildschirme sahen zwar nicht so aus wie wir sie
auf unserer Erde haben, aber immerhin, eine kleine Ähnlichkeit
bestand dennoch.«, sagte Norman mit Interesse.
»Genau, Norman, in dieser etwas anderen
Zentrale werden alle Daten, die von unserem Herzstück, dem
Bawada, ihr würdet Computer dazu sagen, kommen, in Informationen
umgewandelt und ausgewertet. Wenn dies geschehen ist, werden alle
Informationen und Befehle direkt in sämtliche und wichtige
Abteilungen unseres Raumschiffes gesendet. Nach diesen Kriterien
bestimmen wir unser Tun und Handeln.«
»Willst du damit andeuten, dass dieser
kleine schwarze Kasten sozusagen euer Chef ist, euer Boss?«
»Aber nein, Norman, nicht im Geringsten.
Es ist eher eine Art hochentwickeltes Kommunikations- und
Speichergerät.«
»Sag mal, Lyr, könnt ihr auch von
den entferntesten Galaxien, wenn jemand senden würde,
empfangen?«, fragte Katja, jetzt sehr aufmerksam geworden.
Theoretisch schon, doch wenn wir ein Signal
empfangen könnten, dann nur von unserem Planeten.
Verzeih, ich möchte dir nicht zu nahe treten, aber die einzige
von den so vielen uns bekannten Spezies, die fähig wäre
und auch die nötige Intelligenz besitzt, ein solches Signal
auszusenden, wäre die eure. Und bis jetzt könnt ihr nur
Signale oder Radioimpulse senden, deren Höchstgeschwindigkeit
der Lichtgeschwindigkeit entspricht. Das wird sich zwar bei
euch in den nächsten Jahrhunderten eurer Zeitrechnung noch
ändern, dennoch wird es euch höchstwahrscheinlich nicht
gelingen, schneller als die Quanten-Geschwindigkeit zu werden.
Doch selbst diese Geschwindigkeit reicht nicht aus, sich mit uns
in Verbindung zu setzen. Euch fehlt es nicht an Intelligenz, sondern an Zeit.
Denn ihr geht ja nicht gerade schonend mit eurem Planeten um, das
ist ein ganz anderes Thema. Um zu meinem Satz zurück zu
finden, die Lichtgeschwindigkeit beträgt nur 300 000 Kilometer
pro Sekunde, in eurer Zeitrechnung. Jetzt stellt euch doch mal vor, die
Euren auf der Erde wüssten, wo wir uns derzeit aufhalten. Und
sie würden in diesem Augenblick ein Signal oder einen Impuls,
der, na sagen wir mal, einen Gruß an euch beinhaltet, zu
uns senden. Wir befinden uns dank unserer Technik im
Augenblick in einem Sternensystem das ihr als Andromedanebel
bezeichnet und sind etwa 2,7 Millionen Lichtjahre von eurem
Heimatplaneten entfernt. Was glaubt ihr, wie lange würden wir
hier mit unserem Raumschiff warten müssen, bis wir euer Signal
oder diesen besagten Impuls empfangen würden? Na. hat da einer von
euch eine Idee?«
»Lyr?«
»Ja Norman?«
»Viel zu lange.«
»Richtig, nach dem heutigen Stand eurer Technik, wäre es
möglich aber zeitlich gesehen viel zu langwierig. So, das wäre
dann der kleine Rundgang gewesen. Ich hoffe, dass es interessant für
euch gewesen ist. Und als Abschluss möchte ich euch noch euren
ganz privaten Aufenthaltsraum zeigen. Er wurde speziell für
euch beide eingerichtet. Allerdings sind viele unserer Mannschaften
auf eure Freizeit und Gerätespiele sehr neugierig. Daher wäre
es sehr nett von euch, diesen Spaß mit ihnen zu teilen.«
»Natürlich darf jeder der Lust hat
den Aufenthaltsraum Nutzen, Lyr.«
»Gut, ich werde ihnen gleich morgen davon
Bericht erstatten.«
Da staunten Norman und Katja nicht schlecht.
Man muss sich das mal Vorstellen, einen eigenen
Aufenthaltsraum in einem riesigen Raumschiff einer Außerirdischen
Rasse.
»Ist das wirklich dein Ernst, Lyr?«,
fragte Katja sich nochmals vergewissernd nach.
»Ach, meine Lieben, glaubt ihr wirklich
im Ernst, da wir Millionen von Lichtjahren, viele von
Sternensystemen, durchflogen, dass wir da nicht Vorbereitungen
getroffen haben, um es euch so angenehm wie möglich auf unserem
Raumschiff zu machen? Es sollte euch an nichts fehlen. Sicherlich
ist es im Gegenzug, also im Vergleich zu eurem Planeten natürlich
nicht möglich, die gleiche Atmosphäre zu schaffen. Doch
zumindest sollte es euch an materiellen Sachen an nichts fehlen. Wir
möchten, dass ihr euch bei uns wohl fühlt. Was wir dazu
beitragen können, werden wir tun, natürlich nur, und ich
hoffe auf euer Verständnis, im Bereich des Möglichen. Wir
sind uns im Klaren, dass wir tief in eurer Schuld stehen und werden
dies nie in Vergessenheit geraten lassen. Ihr habt diesbezüglich
das Wort unseres heiligen Xarmax.«
»Lyr, wir möchten nicht, dass ihr
euch irgendwie in Schuldgefühle verhärtet.«, da
waren sich Katja und Norman gleichermaßen einig.
»Verzeiht, wir sind keineswegs von
Schuld geprägt, es ist vielmehr eine Feststellung und es ist
für das Volk der Dogon eine Frage des Überlebens. Jede
Spezies hat das Recht und die Pflicht dem Gesetz der Evolution des
Ganzen zu folgen, um sein Überleben zu sichern und seinen
Beitrag im unendlichen Mosaik des Lebens zu leisten. Ihr Menschen
pflegt einem Gott zu huldigen. Wenn es diesen Gott gibt, und er euer
Erschaffer ist, dann habt ihr die Pflicht und Schuldigkeit, das
Leben, das er euch gab, zu ehren und es weiterzutragen. Und wie
ihr so schön zu sagen pflegt: Koste es was es wolle. Auch ihr
hättet, wenn eure Lebensart in Gefahr käme, das Recht,
mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen
anzugehen.«, präsentierte sich Lyr in Gebärden,
wie es nur er konnte. Er wirkte nun in seiner Haltung eher wie
ein edler Ritter nach einem Sieg, der sich stolz dem, ja vor seinem,
Publikum brüstete.
»Wau, hast du das gehört, Norman?«
»Und ob, und ob, Katja. Dass Lyr ein
Wunderwerk der Technik und Elektronik ist, war mir seitdem ich
ihn nun kenne schon immer klar, dieser jene Androide übertrifft
nahezu alles.«
»Ja Norman.
Stell dir das nur mal vor, ein künstliches Wesen, das fähig
ist, anzugeben. Und damit nicht genug. Beleidigt, mitfühlend
und besorgt sein kann er auch noch. Mann, was wäre dieser
Androide auf unserer Erde für ein Vermögen wert. Millionen
von Euro, ach was sage ich, Milliarden?«
»Aber Katja, du wirst doch unseren
treuen Lyr nicht in Geld aufwiegen wollen, oder?«
Tja, Norman bemerkte, dass Lyr trotz Katjas
flüstern ihre Worte anscheinend mitbekommen hatte, und ziepte
sie am rechten Ärmel ihres giftgrünen Umhangs, der eher
einer Soutane ähnelte, als einem modernen Kleidungsstück.
Nun, jeder nach seinem Geschmack, dachte sich noch Norman.
»Aber nicht doch, Norman, Ehrlichkeit währet
am längsten. Wie ihr Menschen so schön zu sagen pflegt. Es
ist mir ein Rätsel, sich von diesem was ihr Wert nennt, also
Geld, sich davon abhängig zu machen. Wir haben euch die letzten
tausend Jahre intensiv beobachtet und studiert. So viele besitzen zu
wenig davon und so wenige zu viel. Das ist nach meiner Meinung
nicht recht, gar nicht recht. Warum teilt ihr das was ihr Geld
nennt nicht in gleichen Teilen auf, Norman?« Ja, Lyr brachte
mit dieser Frage Norman sowie Katja in Verlegenheit.
»Weißt du, Lyr, das ist für mich und
Katja sehr schwerlich zu beantworten. Wir beide glauben, dass es
hierbei ausschließlich um Macht und Ansehen geht. Vielmehr
kommt da noch die grenzenlose Gier nach Luxus dazu, also sich alles
Begehrte kaufen beziehungsweise leisten zu können. Und da
gibt es immer wieder Leute, die an diese Machtposition - und das
meist auf illegalem Weg - gelangen. Ja, diese Mächtigen schrecken
vor Massenmorden und Korruptionen nicht zurück. Dies können
Leute wie ich und Katja nicht ändern.«, gab Norman im
traurigen Unterton von sich.
»Na gut ihr beiden, dann lasst uns in
die zweite Ebene fahren.«
Norman und Katja folgten Lyr, der wie immer
voran ging. Wiederum begaben sich die drei in den Lift und schwebten
mit ihm in die zweite Etage. Norman und Katja waren sehr aufgeregt.
Sie waren gespannt was die Dogon sich für ihren Zeitvertreib
noch alles ausdachten. Und als sie vor den Eingang des sogenannten
Freizeitraums standen und Lyr mal wieder mit einem Händeklatschen
die Pforte öffnete, blieben sie fassungslos stehen. Schon jetzt
konnten sie von hier aus einige Spielautomaten erkennen, die sie von
zu Hause her kannten und an denen sie schon öfter gespielt hatten.
»Norman, sieh mal, das sieht ja wie ein
Flipper aus, oder etwa nicht?«
»Ja Katja, du hast Recht.«
Begeisterung machte sich in der kleinen Runde breit.
»Ich würde euch beiden raten
hinein zu gehen.«, eine kluge Aufforderung die von Lyr herüberkam.
Gesagt, getan. Langsam und staunend gingen sie hinein. Was Sie
da bei näherer Betrachtung zu sehen bekamen, versetzte sie nicht
nur ins Staunen, nein, es entpuppte sich für die beiden als
schier unfassbar. Da standen fein säuberlich in Reih und Glied
Maschine an Maschine. Viele der Spielmaschinen kannten Norman und
Katja. Doch einige waren ihnen noch fremd. Na egal, dachte sich
Katja, als sie durch die Reihen der Geräte lief.
»Ach du
meine Güte, Lyr, das ist ja wunderbar, was sage ich da, das
ist phantastisch. Unglaublich.«
Katjas Freude kannte keine Grenzen. Und wieder
sahen sich Norman und Katja fragend an. Woher bezogen die Dogon all
diese Waren. Doch diesen Gedanken auszusprechen getraute sich
keiner der beiden, zumindest nicht zu dieser Zeit. Sie warteten den
richtigen Zeitpunkt ab.
»Ich hoffe, es entspricht euren
Erwartungen, meine Lieben, aber nach eurer Reaktion zu urteilen
befinde ich mich in bester Hoffnung.« Und ob! Lyr behielt
Recht.
»Das ist mehr als wir erwarten konnten,
Lyr. Danke, vielen Dank dafür.«, bedankte sich Katja
herzlich.
»Das freut mich.«, entgegnete Lyr.
»So, ich muss mich vorerst für den
Rest der heutigen Stunden entschuldigen. Ich werde mich jetzt
anderen Dingen zuwenden müssen. Wenn ihr bleiben und euch hier
ein wenig die Zeit vertreiben wollt, nur zu. Wir sehen uns dann
morgen wieder. Außer ihr habt irgendein Problem, dann genügt
es, wenn ihr meinen Namen ruft. Es sind überall Sensoren
angebracht, die bei meiner Abwesenheit auf meinen Namen reagieren und
mich sofort zu eurem Standort führen werden.
Nun denn, bis bald ihr beiden.« Und Lyr
ging seines Weges.
»Eines muss man schon mal gesagt haben,
Norman, die haben hier wirklich an alles gedacht.«
»Ja Katja, sehr merkwürdig!«
Katja bemerkte plötzlich Normans Nachdenklichkeit.
»Was ist? Was hast du plötzlich, Norman?«
»Ich weiß nicht, aber ich glaube, dass
Lyr uns das erste Mal beschwindelt hat, Katja.«
Katja faltete ihre Hände über ihrem
Kopf, um sie ein wenig zu dehnen und eine Entspannung hervorzurufen.
»Norman, wie kommst du denn so plötzlich
darauf?«, fragte Katja eindringlich.
»Das kann ich dir nicht so erklären.
Mein Gefühl sagte es mir gerade.«
»Dein Gefühl, Norman?«
»Ja mein Gefühl. Du, Katja, weißt du,
worauf ich jetzt Lust hätte?«
In Normans Augen zeichnete sich ein gewisses
und heimtückisches Lächeln wieder.
»Was hast du vor, Norman?«, guckte
Katja ihrem Bruder in die Augen und wusste sofort, was er meinte.«
»Aber Norman, wenn sie uns dabei entdecken?«
»Katja, wir müssen eben sehr
vorsichtig sein. Und um diese Sensoren brauchen wir uns keine Sorgen
zu machen. Du hast ja selbst gehört, dass sie nur auf den einen
Namen reagieren. Wir brauchen also nur diesen gewissen Namen nicht
auszusprechen. Überleg doch mal, das ist die Gelegenheit
überhaupt. Seit Tagen hatten wir ihn immer um uns herum. Außer
in unseren Unterkünften hatte er uns in dieser Zeit kein
einziges Mal aus den Augen gelassen, oder? Das ist die Gelegenheit,
uns etwas intensiver umzusehen.«
»Och Gottchen, du meinst wohl eher 'herumschnüffeln'?«, musste
Katja lachen.
»Nenn es wie du willst, ich jedenfalls
werde mich jetzt und von hier auf die Suche machen. Du kannst ja
hier bleiben und dich amüsieren.«
Katja überlegte kurz.
»Na, wenn du meinst? Ich wollte mich
schon öfter mal so gründlich wie möglich auf diesem
Raumschiff umsehen. Und vielleicht hast du ja in diesem Punkt mit
deinem Gefühl recht. Es kann ja sein, dass diese Dogon doch
etwas vor uns verbergen, was uns schaden könnte. Was sagst du
dazu, Norman?«
»Nicht doch, Katja, sie werden uns nichts
tun. Da kann ich mich auf mein Gefühl verlassen. Nein, das
meinte ich nicht.«
»Was sagt dir dann dein Gefühl, Norman?«
»Ganz genau kann ich dir das auch
nicht sagen, ich kann mich nur wiederholen. Mein Gefühl sagt
mir, dass sie irgendetwas vor uns verbergen. Vielleicht sogar
verstecken.«
»Verstecken, Norman?«
»Ja, verstecken, Katja. Und deshalb will
ich auch etwas, wie du beliebtest zu sagen, herumschnüffeln.
Vielleicht finden wir irgendetwas, nicht wahr, Katja?«
»Ja, mal sehen. Gut, dann lass uns gehen.
Bis zum Abendessen haben wir ungefähr noch vier Stunden Zeit.«
»Und vergiss nicht, sprich ja nicht
diesen bestimmten Namen aus, in Ordnung Katja?«
»Aber gewiss doch, glaubst du, dass ich
so blöde bin, wie ich aussehe, Norman?«
»Das hast du gesagt, Katja, vergiss du es lieber nicht.«
Fortan machten sie sich auf den Weg, gingen
ein kurzes Stück, wo sie bei einer Verzweigung stehen blieben,
guckten sich um und sahen sich an.
»Norman, wohin jetzt.«
»Was ist?«, fügte er hinzu,
während er sich fieberhaft in sämtliche Richtungen umsah.
»In welcher Richtung wollen wir nun
gehen?«, ärgerte sich Katja ein wenig.
»Das ist hier die Frage?«, kam
von Norman.
Die beiden hatten sich in der Ebene 2 bisher
noch nicht so richtig umgesehen und kannten sich folglich nicht sehr
gut aus.
»Ich würde vorschlagen, dass wir
einfach nach links entlanggehen und sollten wir dadurch in eine
Sackgasse geraten, kehren wir einfach um und nehmen die
gegenüberliegende Richtung. Was Hältst du von meinem
Vorschlag, Katja?«
»Ja, das ist gar nicht mal so eine
schlechte Idee. Also dann, lass uns mal losgehen, bevor sie uns noch
vorher entdecken, Norman.«
Und beide stiefelten los. Entschlossen, dem
merkwürdigen Gefühl, das Norman verspürte, zu folgen.
Beide gingen nun die verabredete Richtung weiter und weiter. Und je
länger und tiefer sie in diesen Gang hineingingen, desto
rundlicher wurde er in seiner ganzen Form. Irgendwie kam es Norman
so vor, als gliche nun dieser Gang einem Ratten- oder Mäusetunnel,
mit dem Unterschied, dass er eben ihre Größe besaß.
Trotz alledem gingen sie weiter, mit einem gewissen Unbehagen,
so dass die beiden nun sich Händchen haltend, etwas enger
nebeneinander hielten. Man konnte ihre Angst förmlich riechen.
Beide fürchteten sich. Doch Norman versuchte dem Wort 'Mann'
gerecht zu werden, indem er ganz leise zu pfeifen begann. Was beiden
auffiel war, dass es um sie herum allmählich etwas Dunkler
wurde.
»Warte doch mal, Norman.«, blieb
Katja auf einmal stehen.
»Wieso, Katja?«
»Sag mal, merkst du denn gar nichts, ich
meine, ist dir denn überhaupt nichts aufgefallen?«
Dann blieb auch Norman stehen und ein
eiskalter Schauer zog ihm den Rücken hinunter.
»Doch, jetzt wo du es sagst. Es ist
etwas dunkler geworden, nicht wahr Katja? Das meinst du doch?«
»Genau. Aber das ist es nicht
allein, Norman, ich fühle mich so sonderbar. Ich habe plötzlich
ein so ungutes Gefühl.«
Beide sahen sich an, als hätten sie in
diesem Moment eine beiderseitige Gedankenübertragung, als
wollte irgend wer oder irgend was ihnen davon abraten, weiterzugehen.
»Katja, ich fühle mich auch nicht
gerade wohl. Was ist, sollen wir lieber umkehren?«
»Ich weiß es nicht, aber vielleicht wäre
es doch das Vernünftigste, oder?«
»Andererseits bekommen wir so nie die
Antwort, die wir beide suchen, Katja?«
»Und was für eine Antwort suchen
wir denn überhaupt, Norman?«
»Tu doch nicht so, Katja, du weißt es
genausogut wie ich, dass da irgendwo in dieser Richtung etwas
ist.«
»Du hast Recht, Norman, irgendetwas ist
dort, aber was es ist, kann ich dir auch nicht sagen.«
» Meinst du etwa ich? Ich bin doch kein
Hellseher.«
Fast gleichzeitig blieben die beiden stehen,
als der rattenbauähnliche Tunnel vor den beiden abrupt endete.
»Das gibt's doch nicht, Norman,
wieso geht es denn nicht weiter?« Jetzt war es Katja, der ein
eiskalter Schauer über den Rücken lief.
»Was ist denn jetzt los, Norman. Wo
kommt denn plötzlich diese Wand her?«
Norman guckte, als hätte er gerade eben einen Frosch
verschluckt.
»Das gibt es doch alles nicht. Wieso
ist da eine Wand, wenn ein Weg hier her führt?«, gab
Norman wütend von sich.
Wieder einmal sahen sich die beiden verblüfft
an.
»Das gleiche hatte ich mir auch gerade
gedacht.«, entgegnete Katja.
Da standen nun die beiden fassungslos vor
dieser scheinbar undurchdringlichen kahlen und kalten Wand. Für
einen Augenblick harrten sie der Dinge, machten sich Gedanken,
versuchten, sich zur Fassung zu bringen, einen kühlen Kopf zu
bewahren.
»Und was jetzt, Katja?« Eine gute Frage,
die Katja natürlich zu beantworten wusste.
»Wir machen natürlich das, was wir
vor Beginn dieser Super-Tunnel-Schau besprochen hatten. Wir gehen
wieder zurück und in die entgegengesetzte Richtung. Wie
besprochen, oder hast du eine bessere Idee, Norman?«
Doch Norman gab keine Antwort.
»Was ist denn, Norman? So gib doch
Antwort?«
»Lass uns doch noch einen Augenblick
nachdenken und die ganze Sache überdenken, okay?
Katja konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was es da
noch zu überdenken gab.
»Aber Norman, über was willst du
denn in dieser Lage noch nachdenken? Also ich verstehe nun gar
nichts mehr. Offensichtlich befinde ich mich schon zu lange auf
diesen Raumschiff!«
Katja konnte natürlich nicht ahnen, wie
Recht sie doch mit ihrer Aussage hatte.
»Katja, bitte, sei doch mal für
einen Augenblick still! Ich muss nachdenken.«
»Bitte schön, ganz wie du willst.«,
gab sie Norman etwas schmollend zurück.
Norman fing an, sich diese dunkle Wand, die sich ihm und Katja
entgegenstellte, genauestens zu mustern.
»Menschenskind, da muss doch, oder doch
nicht? Das kann doch, irgend etwas, nein doch nicht, oder?«
Katja beobachtete Norman genau, der wie eine kleine Spinne sämtliche
Unebenheiten dieser Wand abtastete und Selbstgespräche führte.
Für einen Augenblick nur dachte Katja, dass Norman den Verstand
verloren haben muss und als sie es ihm an den Kopf werfen wollte,
wurde Norman urplötzlich fündig. Ungefähr in Höhe
seines Kopfes konnte Norman eine deutliche Unebenheit feststellen.
Doch ob es eine Bedeutung hatte, musste erst festgestellt werden.
»Da, Katja, sieh doch, da ist etwas.«
Norman war ganz aufgeregt, er freute sich wie ein Kind, etwas
entdeckt zu haben.
»Wo denn, Norman, ich kann nichts sehen?«
»Natürlich kannst du es nicht
sehen. Du musst es fühlen. Komm Katja, fühl doch mal.«
Und Katja tastete den Punkt ab den Norman ihr vorgab.
»Na, Katja, kannst du es fühlen?«
»Tatsächlich, Norman, da ist etwas.«
Norman fing an, diesen vermeintlich verdächtigen Punkt zu
drücken, zu verschieben, und mit seinen Fäusten zu boxen.
Doch nichts dergleichen sprach an oder zeigte irgendeinen Erfolg.
»Nichts, es rührt sich nichts.«
Norman konnte und wollte nicht aufgeben.
»Was machen wir jetzt, Norman?«
»Woher soll
ich denn das wissen, wieso fragst du eigentlich immer mich?«
Katja sagte nichts. Sie konnte Normans Aufregung verstehen.
»Entschuldige, Katja, aber ich weiß ganz
genau, dass da irgend ein Trick dahinterstehen muss.«
Beide überlegten krampfhaft. Bis sich bei Katja ein lauter
Gedanke regte.
»Vielleicht muss man, genauso wie bei den
Schwebeliften, einfach nur in die Hände Klatschen, Norman?«
Und Norman klatschte beide Hände ganz fest zusammen. Doch auch
dieser Versuch erwies sich als ein Fehlschlag.
»Schade.«, kommentierte Katja.
»Und, Norman?«, fragte Katja
»Einen Versuch war es wenigstens wert?«,
entgegnete Norman.
»Aber irgendwie muss sich doch dieser
scheiß versteckte Eingang öffnen lassen!« Norman
war wütend. Und weil er es nicht fertigbrachte, diesen geheimen
Zugang zu öffnen, spuckte Norman gegen die Wand, drehte sich um
und ging mit Katja wieder in die Richtung, von der sie gekommen
waren. Sie befanden sich gerade mal zehn Schritte von der Wand
entfernt, als sie plötzlich eine Art matschiges Plätschern
wahrnahmen. Beide blieben abrupt und fast gleichzeitig stehen.
»Norman?«
»Ja, Katja, sei bitte still.«
Normans Gefühle rotierten, noch nie in seinem Leben empfand er
sie so intensiv und stark. Nicht einmal an jenem Tage, als er während
seines Streckenganges in Rednizkleineck Richtung des
Bahnhofshäuschens die Dogon das erste Mal im Schweiße
seines Angesichts verspürte.
»Oh mein Gott, hörst du denn auch,
was ich höre?« Im Nu griff Katja Normans Arm und
klammerte sich vor Angst an ihn.
Tja, Norman stand mal wieder vor der
Entscheidung, Flucht oder hinein ins unbekannte Vergnügen.
Norman drehte sich leicht nach hinten, um zu
sehen, was es mit diesem abartigen Geräusch auf sich hatte,
während Katja panikartigartig und schweißgebadet Normans
Arm noch fester umklammerte und ihre Augen schloss. Doch für
Norman war die Sicht zum Ursprung des Geräuschs durch die Dunkelheit gleich
Null. Um jenes Geräusch zu identifizieren blieb Norman nichts
anderes übrig als etwas zu unternehmen. So beschloss er...
»Katja, lass meinen Arm los! Ich muss
nachsehen was da geschieht.«
Katja sträubte sich, Normans Arm
loszulassen. Viel zu groß war doch die Angst, Norman verlieren
zu können und somit alleine mit sich und den Dogon auf diesem
gigantischen Raumschiff zu bleiben.
»Katja, bitte! Ich komme ja gleich wieder.«
»Nein, Norman, nicht! Was mache ich denn,
wenn dir etwas passiert? Dann bin ich ja ganz alleine mit diesen
Wesen.«
Das leuchtete
Norman zwar ein, dennoch blieb ihm nichts anderes übrig. Es lag
nun mal in seiner Natur, alles Geheimnisvolle zu erforschen. Ja, er
würde sich stets Vorwürfe machen, es würde
ihm keine Ruhe lassen und er würde sich ständig als
Feigling bezeichnen. Nein, das konnte und wollte er nicht auf sein
Gewissen laden.
»Weißt du was, Katja, du bleibst jetzt
derweil hier, und ich verspreche dir, nur ein paar Schritte zurück
zu gehen, so dass du mich immer im Blickfeld hast, okay? Ist das in
Ordnung für dich?«
»Na schön, aber wirklich nur ein
paar Schritte, versprochen?«
»Versprochen, Katja.« Nur
zögerlich ließ Katja Normans rechten Arm los und
streichelte ihm ganz zärtlich mit ihrer linken Handfläche
über seine rechte Wange. Dabei sah sie ihn wortlos an, als
wolle sie ihm noch so vieles sagen.
»Ich weiß, Kleines, keine Angst, es wird
sich schon zum Guten wenden.« Hoffentlich, dachte sich noch
Norman insgeheim. Norman ging mit ganz langsamen und leisen Füßen,
Schritt für Schritt in Richtung, von wo dieses matschige und
Plätschern ähnliche Geräusch herkam. Je näher
er diesem Geräusch kam, je heller wurde es, desto sichtbarer
wurde dieses Etwas. Plötzlich verspürte Norman einen
leichten warmen Hauch über sein Gesicht streichen, der nach
Moder und einer widerlichen Fäulnis roch, so dass ihm fast die
Luft wegblieb und ihm ein Gefühl des Ekels überkam. Und
als Norman eindeutig erkannte, was es mit diesem Geräusch auf
sich hatte, begann er zu tanzen und zu singen.« Norman ist der
beste. Norman ist der aller, aller beste.«
Katja hatte noch immer Sichtkontakt zu Norman,
so dass sie sein Treiben beobachten konnte.
»Oh Mann, was hat er denn? Ja, ist er
denn jetzt ganz und gar verrückt geworden? Ich glaube, jetzt hat
er völlig den Verstand verloren.«, äußerte sich
Katja im Selbstgespräch.
Stimmt, jeder, der jetzt Norman sehen könnte,
würde das Gleiche denken.
»Komm, Katja, komm schnell her!«,
flüsterte Norman Katja entgegen, die sich das nicht zweimal
sagen ließ. Schnell und mit flotten Schritten ging sie zu
Norman.
»Was, was ist, Norman. Hast du was
entdeckt?«, warf, Katja neugierig ein.
»Und ob, sieh mal da hin?«
Katja blickte genau zu dem Standort wo
der Tunnel endete und wo Norman versucht hatte, das geheime Tor zu
öffnen. Genau diese Wand begann sich nun aufzulösen. Beide
starrten mit weit aufgerissenen Augen auf das Geschehen. Sie sahen,
wie sich das feste betonähnliche Tor wie Bienenwachs, das
bei einer bestimmten Wärme zu schmelzen begann, auflöste
und in sich zusammenfiel.
»Aber Norman, wie ist denn das möglich,
was hast du denn gemacht?« Norman holte tief Luft, um Katja
stolz des Rätsels Lösung zu präsentieren, die er
mittlerweile auch schon wusste.
»Gemacht habe ich jetzt nichts. Kannst
du dich an etwas ganz bestimmtes erinnern, als wir vorhin versuchten
diese Wand zu öffnen, Katja.«
»Klar Norman, die haben wir ja nicht
öffnen können.«
»Genau, und was taten wir danach?«
Katja musste sich schon sehr wundern, warum Norman so geheimnisvoll
tat.
»Na, eben nichts, rein gar nichts. Wir
machten uns wieder auf den Rückweg, oder?«
»Falsch.«
»Norman, sag doch endlich, worauf du
hinaus willst. Du machst mich noch mal wahnsinnig.«
»Du willst also wissen, was wir,
beziehungsweise was ich, getan habe, damit sich diese Wand so mir
nichts dir nichts auflöste?«
»Ja, verdammt noch mal!« Und Katja
drohte vor Wut zu platzen.
»Ich spuckte.«
»Du spucktest, Norman?«
»Genau, Katja, ich spuckte!«
»Du spucktest also?«
»Ja, das sagte ich doch bereits.
Jetzt war es soweit, er muss den Verstand verloren haben, dachte
sich Katja.
»Norman, ich glaube es ist doch besser,
wenn wir zurückgehen. Bitte, Norman, du machst mir Angst.«
»Aber nicht doch, Katja, ich bin nicht
verrückt geworden, wirklich nicht. Du brauchst keine Angst zu
haben.«
»Das sagen sie alle. Keiner glaubt oder
gibt es zu, verrückt geworden zu sein.«
»Das mag schon sein, Katja, dennoch, ich
bin es nicht.«, womit Norman natürlich Recht behielt.
»Norman, kannst du mir vielleicht mal
sagen, was dein Spucken mit dem Geheimgang zu tun haben soll?«,
eine berechtigte Frage, die da Katja stellte.
»Wasser?«
»Wasser?«, vergewisserte sich Katja
nochmals.
»Ja Katja, Wasser ist Feuchtigkeit.«
So langsam aber sicher begriff Katja gar nichts mehr.
»Norman, tust du mir einen Gefallen?«
»Gerne Katja, und welchen?«
»Verschone mich doch bitte mit deiner
Geheimnistuerei, okay?«
Gut, dann will ich dir mal erklären, was
ich mit Wasser meinte. Also, wie dir bekannt sein dürfte, ist
Wasser eine Flüssigkeit, und als ich vor Zorn gegen die Wand
spuckte, begann sich diese Wand aufzulösen und legte dabei den
von uns vermuteten Geheimgang frei. Was ich dir damit sagen will,
ist die Tatsache, dieses Material hat sich nur aufgelöst, weil
es mit Flüssigkeit in Berührung kam. Es reagiert auf
Flüssigkeit.
»Mann, Norman, eigentlich kein schlechter
Trick von den Dogon, oder?«
»Ob es von den Dogon stammt? Da bin ich
mir gar nicht mal so sicher.«
»Was meinst du damit, Norman?«
»Ich kann dir das auch nicht so recht
sagen, es ist halt so ein Gefühl, Katja?«
Katja sah, dass Norman mal wieder zu grübeln
anfing.
»Aber Norman, das Raumschiff gehört
doch den Dogon, richtig?«
»Sicher, Katja, das mag ja sein. Ich
glaube trotzdem nicht, dass die Dogon von dem Geheimgang überhaupt
was wissen. Doch wenn, dann wurden sie vermutlich gezwungen, ihn zu
versperren.«
»Zu versperren? Vor wem denn, Norman?«
»Das ist hier die Frage. Dennoch, Katja,
ich habe da ein ganz ungutes Gefühl. Irgendetwas stimmt hier
nicht.«
»Glaubst du, dass die Dogon vor uns
etwas verbergen?«
»Ehrlich gesagt weiß ich das selber
nicht, ich bin mir das erste Mal, seit ich diese Dogon kenne, nicht
mehr so ganz sicher.«
»Norman, und wenn du auf dein Gefühl
hörst. Ich meine, was fühlst du?«
»Das ist es ja gerade, was mich so
durcheinander bringt. Hinsichtlich der Dogon empfinde ich kein
schlechtes Gefühl, Katja.«
Katja fiel auf, dass Norman sich zwischen
seinen Gefühlen und Vorahnungen gefangen hielt und sich damit
auseinanderzusetzen schien. Es fiel ihm offenbar schwer, zwischen
seinen Gefühlen und Vorahnungen zu unterscheiden, obwohl sie
eng verwandt und miteinander verbunden sind.
»Norman, was ist, wenn die Dogon wirklich
keine Ahnung von dem Geheimgang hätten? Da wäre es doch
unsere Pflicht, ihnen hiervon zu berichten?«
»Und wenn doch, was ist, wenn sie doch
darüber Bescheid wissen. Das können wir nicht riskieren.
Katja, wir müssen uns immer einen Weg zugunsten unserer
Sicherheit freihalten. Koste es was es wolle. In Ordnung?«
»Natürlich, Norman, das verstehe
ich ja. Dennoch, wir müssen doch etwas unternehmen. Ich könnte
so nicht auf diesem Raumschiff weiterleben. Immer dieser Gedanke im
Nacken, dass die Dogon uns doch belogen hatten, dass uns alles nur
vorgespielt wurde. Und dann die ständige Angst, dass sie uns
etwas antun könnten. Selbst den Glauben verlieren zu müssen,
dass wir jemals wieder nach Hause kommen würden. Norman, ich
liebe meine Mutter, ich liebe meinen Hund Wuschel. Sie sind alles
was ich habe, ich möchte sie nicht verlieren. Und dich möchte
ich auch nicht verlieren, du bist doch mein Bruder. Katja fing an zu
Weinen, so sehr schmerzte sie die Erinnerung und Sehnsucht nach
ihren Lieben.
»Glaube mir, Katja, ich kann dich gut
verstehen, mir geht es ebenso. Genau deshalb will ich ja unbedingt
nachsehen, was sich da am Ende des nun verlängerten Tunnels
befindet. Ich muss, Katja. Ob ich will oder nicht. Wenn wir ein
halbwegs normales Leben mit den Dogon verbringen wollen, dann haben
wir keine andere Wahl, als bis zum Äußersten zu gehen. Du
verstehst mich doch, Katja?«
»Natürlich, Norman, verstehe ich
dich. Das soll also bedeuten, dass du den Rest des Geheimganges
weitergehen willst?«
»Kannst du mir einen anderen Weg zeigen,
um die Wahrheit zu finden?«
Katja blickte Norman tief, ganz tief, in die
Augen. Anschließend senkte sie kopfschüttelnd den Kopf,
was für Norman ein klares 'Nein' bedeutete.
»Ich gehe mit dir, Norman.«
Norman gab verneinend einen grunzenden Ton von sich.
»Und wenn du dich auf den Kopf stellst,
Norman, ich gehe mit.«
»Katja, es kann sehr gefährlich
werden, du bist dir dessen doch hoffentlich bewusst?«
»Natürlich, Norman?«
»Na gut, du stures Weibchen. Aber mache
mit später ja keine Vorwürfe, wenn irgendetwas schiefgeht.«
»Willst du noch länger quatschen,
oder können wir endlich. Ich will diese ganze Scheiße
endlich hinter mich bringen, okay Norman?« Normans Verblüffung
über Katjas Wortschatz kannte keine Grenzen mehr.
»Gut, dein Wunsch ist mir Befehl,
kleines Fräulein.«
»Lass doch die Scherze, Norman?«
»Entschuldige Katja, war nur der
Galgenhumor.«
Natürlich hatte Norman genauso viel
Angst wie Katja, ja ihm war gar nicht wohl bei seinem Vorhaben. Die
Tatsache, dass hier eindeutig etwas verborgen wurde, konnte Norman in
seiner grenzenlosen Neugier nicht auf sich ruhen lassen. So machten
sich Norman und Katja bereit, durch den geheimnisvollen Eingang zu
gehen.
»Bist du bereit Katja?«
»Ja, wenn es denn unbedingt sein muss,
Norman?«
»Es muss sein. Na dann los.«
Norman und Katja nahmen sich bei den Händen
und gingen langsam, Schritt um Schritt. Ganz allmählich
verloren sie sich in der Dunkelheit des röhrenförmigen
Tunnels. Und während sie immer tiefer in die neu entdeckten
Gefilden des Unbekannten eintauchten,
wuchsen ihre Ängste. Sie wurden aber auch getrieben von einer schier
grenzenlosen Neugier auf das neue Abenteuer. Was wird die beiden am
anderen Ende des Tunnels erwarten. Wie sich verhalten? Was dagegen
unternehmen? Davonlaufen? Oder sich gar dem Unbekannten stellen?
Der Gefahr ins Auge blicken? Möglichkeiten, von denen sie
hoffentlich die richtigen wählten? Denn einen Fehler konnten
sie sich eventuell nicht leisten. Immer fester drückte Katja
mit ihrer rechten Hand Normans linke.
»Katja, lass gut sein. Ich bin ja bei
dir.«, versuchte Norma, Katja ein bisschen zu beruhigen.
»Na, dein Wort in Gottes Ohr, Norman.«
»Du kennst ja das alte Sprichwort 'wird schon
schief gehen'.«, fügte Katja noch hinzu.
Sie gingen weiter, tiefer und tiefer in den
Tunnel hinein und je mehr sie in ihn eindrangen, desto wärmer,
stickiger und muffiger wurde es in ihm.
»Sag mal, Katja, riechst du das auch?«,
fiel Norman auf.
»Und ob, Norman, irgendwie muffig?«
»Ja, ist ekelhaft, nicht wahr?«,
sagte Norman.
»Du sagst es. Norman, ich glaube, dass es hier immer wärmer wird, das ist
doch nicht normal, oder?«
»Katja, kannst du mir sagen, was auf
diesem Raumschiff eigentlich jemals Normal war? Ich jedenfalls
nicht.«
Norman, ich fürchte mich. Sollen wir
nicht doch lieber wieder zurückgehen?«
»Was? Jetzt? Kommt auf keinen Fall in
Frage. Es kann bestimmt nicht mehr weit sein, Katja?«
Katja fiel Normans Besessenheit auf, die ihn fest in ihrenn Klauen zu
halten schien.
»Sag mal, Norman, was erwartest du denn am
Ende des Tunnels? Und warum bist du so scharf darauf, dorthin
zu kommen?«
»Ich weiß es nicht Katja, ich weiß nur,
dass ich da hinmuss. Mit oder ohne dich!«
»So ist das also! Dann geh doch alleine
weiter und renn in dein Verderben, Norman?«
»Entschuldige, Katja, es war doch nicht
so gemeint. Lass mich jetzt bitte nicht allein.«
Katja sah in Normans verzweifelten Gesichtsausdruck.
Auch wenn sie es sagte, blieb es doch bei
dieser Drohung. Sie würde es nie übers Herz bringen, ihn
in dieser Situation alleine zu lassen. Katja schenkte Norman ein
Lächeln. Beide gingen also in diesem muffigen, stinkenden,
stickigen und sehr heißen Tunnel weiter. Gefolgt von
Misstrauen und dem einzigen, was sie noch besaßen, nämlich
den menschlichen Mut der Verzweiflung. Fortan, und das Schritt für
Schritt, wurde es allmählich etwas heller. Vielmehr fiel den
beiden auf, dass dieses helle Etwas eigentlich ganz in der Nähe
sein und folglich einer Lichtquelle entspringen musste. Dann blieb
Norman abrupt stehen und zog Katja an ihrer Hand etwas zurück.
»Da, Katja, sieh doch!«
»Ja Norman, sieht nicht gerade einladend aus, oder?«
»Da gebe ich dir Recht, es nützt
alles nichts, da müssen wir durch.«
»Stimmt, Norman, jetzt wo wir schon so
weit vorgedrungen sind, sollten wir den Rest auch noch schaffen.«
Was Norman und Katja da zu sehen bekamen,
verschlug ihnen den Atem. Vor ihnen befand sich eine gewisse Art
Eingang. Er war umgeben von einer säulenartigen Umrahmung, die
in einem Sonnengelb pulsierte. Den beiden fiel auch auf, dass, je
länger man in dieses pulsierende Licht hineinsah, desto müder
und erschöpfter wurde man.
»Katja, sieh nicht in dieses Licht!
Am besten wird es sein, dass wir die Augen schließen, bevor wir
durchgehen.« Blind ins Verderben laufen, das gefiel Katja ganz und
gar nicht.
»Aber Norman, wir wissen doch nicht, was
uns hinter diesem Tor erwartet. Was ist, wenn dort etwas
Schreckliche auf uns lauert?«
»Katja,
eines muss dir klar sein. Wir haben vielleicht nur diesen einen
Versuch, herauszufinden was sich dahinter verbirgt. Kannst du uns
eine Garantie geben, dass wir je wieder so unbeobachtet herumlaufen
können wie heute? Wir haben also nur zwei Möglichkeiten:
Zum einen, wir gehen zurück und zum anderen, wir reißen uns jetzt
am Riemen und bekommen dadurch heraus, was eigentlich auf diesem
Raumschiff wirklich los ist, okay? Ich überlasse dir die
Entscheidung. Denke gut darüber nach. Denn jede Entscheidung
kann ungeahnte Folgen mit sich führen. Ich jedenfalls will
diesen Mist endlich hinter mich bringen und der Wahrheit ins Auge
sehen. Mann, Katja, wir beide haben weiß Gott schon genug
durchgemacht, da kommt es auf dieses kleine Abenteuer auch nicht
mehr an. Es nützt uns nichts, wenn wir bei jeder Kleinigkeit
von Gefahr den Kopf in den Sand stecken, oder?« Katja holte
tief Luft.
»Na schön, Norman. Ich glaube zwar
nach wie vor, dass unser Vorhaben falsch ist, aber bitte schön,
wie du willst. Na dann, lass uns mal in den sauren Apfel beißen.«
»Bist ein Schatz, Katja.
Und so beschlossen beide im gleichen
Einvernehmen, sich die Hände zu reichen und gemeinsam, so
schnell sie nur konnten, mit geschlossenen Augen durch dieses
eigenartige und pulsierende Tor zu rennen.
»So, Katja, gib Acht. Bei drei rennen wir
beide los als wäre der Teufel hinter uns her, in Ordnung?«
»Ist gut, Norman.« Ängstlich
und doch mit der Verzweiflung des Mutes, sahen sich die beiden
nochmals an, als wollten sie sich verabschieden. Verabschieden für
immer.
»Mach dir keine Sorgen, es wird schon
gutgehen. Bist du bereit, Katja?«
»Ja Norman, ich bin bereit.«
Dann begann Norman zu zählen.
»Eins. Zwei. Drei.« Norman und
Katja schlossen ganz fest ihre Augen und rannten wie von einem
Tornado gejagt los. Immer näher kamen sie auf das Tor zu und
huschten wie ein Wirbelsturm durch das pulsierende Eingangstor.
Keiner der beiden konnte sich im Entferntesten vorstellen, was sich
dahinter zu verbergen versuchte. Doch irgendetwas verbarg sich im
Schutze dieses Gewölbes, dessen waren sich die beiden absolut
sicher. Im Bruchteil einer Sekunde befanden sie sich auf der
anderen Seite. Katja war mit Norman gestolpert und lag mit ihm auf
dem glitschigen, schlammigen und nassen Boden. Der muffige Gestank
war unerträglich geworden. Langsam und stetig öffnete
Katja ihre Augen, während Norman sich ekelnd versuchte, den
schlammigen Dreck, den er während des Hinfallens in seine
Augen bekam, zu entfernen.
»Was ist denn das? Norman, sieh doch
mal!« Katja bekam mächtig große Augen.
»Moment, Katja, habe Dreck in die Augen
bekommen.« Als Norman seine Augen einigermaßen von den
Schlammpartikeln befreit hatte und sich seine Sicht wieder
verbesserte, verschlug es ihm die Worte. Mit weit aufgerissenem Mund
und einem Blick des Erstaunens keuchte und stammelte er ein
Wirrwarr an Wörtern daher, die er vermutlich zu einem Satz
formulieren wollte.
»Norman, was hast du gesagt? Ich kann dich nicht verstehen!«
»Oh mein Gott! Katja, was ist denn das Scheußliches?«
»Diese Frage habe ich dir doch vorhin
schon gestellt, Norman?«
»Ja, hast du? Muss ich wohl überhört
haben. Entschuldige bitte, aber das haut doch glatt den stärksten
Mann vom Hocker.«
In der Tat, was die beiden da vor sich sahen,
wäre für zarte Gemüter ein Schauerspiel gewesen. Doch
den beiden blieb im Endeffekt nichts weiter übrig, als ihr
Vorhaben durchzuziehen. Und das koste es was es wolle.
»Und was jetzt, Norman?«
»Ehrlich gesagt, Schwesterchen, da bin
ich überfragt.« Natürlich fiel es den beiden schwer,
bei diesem ekelerregenden Anblick einen klaren Verstand zu behalten.
Aber das sollte noch kommen. Vor Norman und Katja bot sich ein Bild
des Grauens. Wie schon von Norman angenommen, befanden sie sich nun
in einer Art Gewölbe, das ein merkwürdiges Sonnengelb
ausstrahlte. Dieses wärmespendende Licht kam aus jeder
Richtung, von oben, von unten, von den Seiten, einfach von überall
her. Und es schien so, als befänden die beiden sich in einem
lebenden Schmetterlingskokon. Wie in einer Sauna schwitzten sie
aus sämtlichen Poren. Ihnen fiel auch auf, dass sich dieses
Gewölbe zu bewegen schien. Es zog sich zusammen und dehnte sich
anschließend wieder aus. So wie ein Blasebalg.
Und in der Mitte befand sich etwas großes, schleimiges, das
sich nun auch bewegte. Norman sah sich noch intensiver um. Als
nächstes sah er sich dieses, was er anfangs für ein
Gewölbe hielt, genauer an. Sachte und dennoch hart prüfend,
legte er seine nackte Hand auf die sich scheinbar bewegende
Innenwand des unbekannten Materials. Über Normans gesamten
Körper legte sich ein Schauer des Grauens. Angstschweiß
floss langsam von seinem Nacken hinunter bis ins Gesäß.
Katja stand hinter Norman und wunderte sich über Normans
erstarrte Haltung.
»Norman, was hast du denn?« Doch
Norman gab keine Antwort. Katja griff Norman ganz fest mit beiden
Händen an seinen Schultern und zog ihn mit einem sehr harten
Ruck von dieser Wand weg, so dass er rückwärtig auf den
schlammigen Boden fiel.
»Norman, ist wieder alles in Ordnung?«,
fragte Katja besorgt nach.
»Katja, weißt du eigentlich, wo wir uns
wirklich befinden?«
»Natürlich weiß ich das. In einem
Gewölbe, so denke ich. Norman schluckte und hoffte, dass er
Katja seinen grausigen Verdacht schonend beibringen konnte. Es war
ihm besonders in dieser Situation enorm wichtig,
bei ihr mit seinem Bericht keine Hysterie auszulösen. Ihm war nun klar,
dass Katja und er sich offensichtlich gerade in allerhöchster
Gefahr befanden. Katja sah in Normans angstverzerrtes Gesicht.
»Norman, um Himmelswillen, kannst du mir
mal verraten, was mit dir los ist?«
»Katja, wir müssen so schnell wie
nur möglich hier heraus.« Norman spürte instinktiv,
dass ihnen nicht viel Zeit für Erklärungen blieb.
»Später, Katja, später. Aber
lass uns erst raus hier, okay?« Dann stand Norman auf und
packte Katja an ihrem linken Arm. Wie von selbst begannen ihre vier
Beine in die Richtung des Ausganges zu laufen, von wo sie gekommen
waren. In nur wenigen Sekunden legten sie eine rekordverdächtige
Strecke zurück. Bis sie sich schließlich wieder an
den gekreuzten Wegen im normalen Bereich des Raumschiffes befanden.
Keuchend und völlig außer Puste, standen die beiden in
gebückter Haltung und sich an ihren Knien abstützend da.
»Also, Norman, was war los, was hast du
gesehen?«
»Katja, du wirst es mir nicht glauben,
wenn ich dir meinen Verdacht berichte.«
»Dann versuch es doch. Na los, überrasche mich?«
»Es lebt, Katja, ja, es ist lebendig.
Unglaublich, aber es ist lebendig?«
»Was meinst du mit 'es lebt' und was mit
'lebendig'? Du fängst schon wieder an, in Rätseln zu
sprechen.
»Mann Katja, versteh doch? Es ist nicht
einfach, wie soll ich es dir nur erklären?«
»Ich würde an deiner Stelle einfach
mal anfangen?«
»Katja, es kann doch nicht sein, dass
dir dort in diesem stinkenden Nest rein gar nichts aufgefallen ist.
Sag mal, wie blind bist du eigentlich?«, brüllte er Katja
verzweifelt an.
»Wie soll mir etwas aufgefallen sein?
Ich hatte schon genug mit mir selbst zu tun. Mann, Norman, ich hätte
mir vor Angst beinahe ins Höschen gemacht. Und da soll sich
einer konzentrieren können!«
»Ist ja schon gut Katja, entschuldige.
Mann, was sich auf diesem Raumschiff so alles abspielt, ist schon
schwerlich zu verdauen. Sei mir nicht böse, Katja.«
»Ist schon gut, Norman?«
»Katja, mit Leben meinte ich, dass das,
was wir für ein Gewölbe oder so eine Art Höhle
gehalten hatten, keines von beiden ist. Weißt du, als ich meine Hand
auf das legte, was ich anfangs für eine ganz gewöhnliche
Wand hielt, traf mich doch fast der Schlag. Es fühlte sich ganz
warm und ledern an.«
»Ledern? Was zum Teufel noch mal ist
ledern?«, kam erstaunt von Katja rüber.
»Ich meine damit, dass es sich wie Leder
anfühlte. Und es war feucht, sehr feucht. Und es ließ
sich nach innen dehnen. Ja, es war dehnbar, und weißt du was? Als ich
mit meiner Hand darüber strich, konnte ich fühlen, dass es
sich bewegte. Es zog sich mal zusammen und mal wieder nach außen
hin.«
»Und was schließt du daraus, Norman?«
Katja, weißt du, was ein Kokon ist?«
»Nenne es wie du willst. Ich habe so
langsam die Schnauze voll von dem ganzen Mist hier. Norman, ich will
wieder nach Hause, ich will zu meiner Mutter. Ich halte das alles
langsam nicht mehr aus!« Und Katja begann zu weinen.
»Nicht doch,
Schwesterchen, ich kann mir gut vorstellen, dass das alles sehr
schwer und unbegreiflich für dich sein muss, aber für mich
ist es das ja auch. Doch eines darfst du nie vergessen, Katja: Wir
müssen, egal wie und egal auf welche Art auch immer, stets
wachsam und aufmerksam bleiben, und das ist nicht nur so daher gesagt, immer
diesen Wesen um einen Schritt voraus sein. Du kannst mir ruhig
glauben, das ist die einzige Möglichkeit, die unser Überleben
sichert und uns niemals das einzige nimmt, was uns noch übrig
geblieben ist. Nämlich die Hoffnung. Ja, die Hoffnung, wieder
nach Hause zu kommen. Okay?«
»Ich bin mir dessen bewusst, Norman.
Sicher hast du Recht?« Und während sie so weitergingen,
sprach Katja kein einziges Wort. Sie schien mal wieder ein wenig zu
schmollen.
»Katja, hör doch bitte auf, die
Beleidigte zu spielen! Also weißt du nun was ein Kokon ist,
Schwesterchen?« Ja, jetzt brachte Norman seine Schwester ein
wenig zum Lachen.
»Mann, Norman, du bist mir vielleicht ein
Armleuchter. Natürlich weiß ich was ein Kokon ist. Ein Kokon
ist eine bestimmte Art von Verpuppungsbehälter, wie sie die
Schmetterlinge haben und in dem sie sich von einer Raupe zu eben einem
Schmetterling verwandeln.«
»Genau, und was schließt du aus dem gerade erlebten?«
Katja begriff mit einem Male, worauf Norman
eigentlich hinaus wollte. Doch dieser Gedanke gefiel ihr ganz und
gar nicht, nein, überhaupt nicht. Denn, wenn das was Norman
vermutete, der Wahrheit entsprach, wäre das zum einen
eine grausige Entdeckung, die ihresgleichen sucht, und zum anderen bliebe da
die alles und entscheidente Frage offen: Was für eine
Ausgeburt des Schreckens aus den Tiefen des Universums mag sich da
wohl in diesem überdimensionalen Kokon verpuppen? Norman und
Katja beschlossen, in eins ihrer Quartiere zu gehen, um einen
Plan ihres weiteren Verhaltens zu schmieden.
»Katja, bitte nicht den Namen unseres
Androiden aussprechen!«
»Ja ich weiß, sonst bekommen wir ihn den Rest des Tages nicht
mehr los, stimmt's?«
»Genau, Katja. Er ist zwar ein lieber
Kerl, aber für heute können wir ihn weiß Gott nicht
gebrauchen. Norman, wir dürfen nicht so schnell gehen, sonst
schöpfen die Dogon am Ende noch Verdacht?«
»Meinst du, dass sie vielleicht doch
noch unsere Gedanken lesen? Warf Katja ein.
»Also, ehrlich gesagt glaube ich es
nicht. Außerdem hast du Lyr ja selbst gehört, dass Sie
dies nicht dürfen, so lange wir uns auf dem Raumschiff
befinden.«
»Und was macht dich da so sicher, Norman?«
»Na, guck dich doch hier mal um, siehst du
vielleicht irgendwo einen Dogon? Ich jedenfalls nicht.«
»Sicher hast du Recht damit, Norman?«
»Das hoffe ich inständig, Katja?«
Schon sehr bald standen die beiden vor ihren Quartieren.
»Gehen wir in dein oder in mein Quartier, Norman?
»Ist ja
egal, aber wenn du mich so schön fragst, dann eben in deines.«
Dann gingen die beiden hinein und setzten sich auf die Couch. Als
Norman auf der Couch neben Katja saß, betrachtete er die
Farbenpracht dieses altertümlichen Stückes. Sie bot sich
in giftgelben und rot eingestickten Rosen dar, was Norman natürlich
für sehr gewagt und ausgeflippt hielt.
Ȁh.. Ja, diese Couch hatte ich von
meiner liebsten und besten Tante aus Amerika zu meinem zwölften
Geburtstag geschenkt bekommen. Ich weiß, sie ist nicht gerade hübsch,
dennoch kann ich mich seither nicht mehr von ihr trennen.«
»Ich jedenfalls finde sie sehr, na sagen
wir mal, originell, Katja.«
»Du Lügner, aber trotzdem lieb von dir, Norman?«
»Nun gut, Katja, was machen wir jetzt bloß?«, vermerkte Norman.
»Ich jedenfalls bin immer noch der
Meinung, wir sollten es den Dogon melden.«
»Ich weiß nicht. Und wenn wir mit
dieser Meldung einen Fehler begehen, Katja. Was meinst du werden die
Dogon mit uns machen, wenn wir eines ihrer Geheimnisse entdeckt
haben. Wenn sie diese schleimigen Dinger als so eine Art
Schoßhündchen halten.«
»Norman, so hör doch mal. Nehmen wir
einmal an, wir schweigen darüber, also wir behalten diese
grausige Entdeckung für uns. Was macht nach deiner Meinung
dieses ekelerregende und schleimige Ding, wenn es sich erst einmal
verpuppt hat? Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass wir ja
überhaupt nichts von dieser sich verpuppenden Kreatur wissen.
Ist es gefährlich? Und vor allem stellt sich doch die Frage, zu
welchem Zweck befindet sie sich auf diesem Raumschiff der Dogon?
Und es kann doch auch sein, dass die Dogon wirklich nichts davon
wissen, oder?«
Norman überlegte und nach seinen Blicken zu urteilen, zeichnete
sich keinerlei Entscheidung in seinem Gesicht ab.
»Also, Norman, was sollen wir nun tun?«
»Katja, ehrlich gesagt, das weiß ich
nicht. Ich halte beide Vorschläge für äußerst
gefährlich.«
»Was geschieht denn, wenn wir überhaupt
nichts dagegen unternehmen. Wir können doch nicht einfach so
mir nichts dir nichts herumsitzen?«
»Das weiß ich doch selber, Katja?«
»Was sagt denn dein Gefühl dazu,
ich meine, über die ganze augenblickliche Situation?«
»Über dieses grausige Ding? Nichts Gutes.«
»Was sagt dein Gefühl über die Dogon aus, Norman?«
»Das ist es doch gerade, was mich so
durcheinander bringt, was ich einfach nicht verstehen kann. Ich
fühle zur Zeit nichts, was die Dogon betrifft. Und wer sagt mir,
dass dies ein gutes Zeichen ist?«
»Norman, ich will endlich den Dogon
wieder vertrauen können und das können wir nur, wenn wir
endlich die Wahrheit herausbekommen. Willst du denn nicht auch die
Wahrheit wissen? Ich jedenfalls kann so nicht zufrieden sein.«
»Na schön,
vielleicht hast du ja Recht. Nur herumsitzen und dummschwätzen
bringt uns auch nicht weiter. Dennoch, ich kann mir einfach nicht
vorstellen, dass die Dogon nichts von diesem schleimigen Ding
wissen.«
»Ehrlich gesagt, Norman, das glaube ich auch nicht.«
Was soll's. Ich für meine Wenigkeit
würde jetzt erst einmal vorschlagen, dass wir Lyr Bericht
erstatten. Das wäre offen gesagt schon lange fällig.«,
wies Katja gutgläubig hin.
»Ich hoffe für uns beide, dass wir
uns da nicht täuschen, Katja?« Dann schrie Katja aus
vollem Halse nach Lyr.
»Ihr verlangtet nach mir?«, kam
Lyr in Windeseile durch die Tür ins Zimmer gehuscht.
Norman und Katja sahen sich verblüfft an,
dass Lyr nur wenige Momente brauchte, um von wer weiß wo, von irgendwo her zu kommen.
»Mann oh Mann, bist du aber einer von der
schnellen Sorte?«, bekräftigte Norman im nachhinein.
»Aber aber, nicht doch. Dieses Lob ist
zu viel des Guten. Habt ihr beiden einen besonderen Wunsch?«,
vergewisserte sich Lyr fast aufdringlich.
»Lyr, wie sollen wir es dir nur
erklären?«, fing Katja etwas leicht beschämt zu
beichten an.
»Setzt euch doch erst einmal hin. So
könnt ihr euch besser beruhigen. Ich sehe doch, dass ihr
ziemlich aufgeregt seid.«, tja, da hatte Lyr nicht einmal so
Unrecht.
Norman guckte Katja an. Es sah so aus, als wolle er ihr den Vortritt
der Erklärung lassen.
»Lyr, weißt du, wir haben da etwas
merkwürdiges entdeckt, musst du wissen.«, wies Katja Lyr
darauf hin.
»Ja Lyr, wir haben etwas ganz ekliges
entdeckt.«, bekräftigte Norman Katjas Aussage.«
»So, ihr beide habt etwas Scheußliches entdeckt?«
»Ja Lyr, aber bevor wir dir alles
erzählen, hätte ich da eine Frage an dich und ich möchte,
dass du mir die Wahrheit sagst. Ich meine, ich möchte keine
Ausreden oder der Gleichen von dir hören, okay?«
»Aber gewiss doch, Norman, euer Wunsch
ist mir Befehl.«
Lyr, kann es sein, dass, ich meine abgesehen
von dir, uns die Dogon irgendetwas verschweigen. Was ich damit sagen
will ist, hat das Volk der Goderijaner Geheimnisse vor Katja und
meiner Wenigkeit?«
Lyr antwortete ganz ruhig und gelassen:
»Moment noch, ich überprüfe
deine Fragestellung?«
»Das ist doch... Was machst du, Lyr?«,
fragte Katja verwundert.
»Ich sagte es bereits, ich überprüfe
Normans Frage in meinen Hauptspeicher.«
»Lyr, das ist keine Scherzfrage von
Norman gewesen, das war eher eine Feststellung.
»Ja, natürlich, und meine Antwort bezog sich natürlich auch
auf eine Feststellung. Ich muss doch, um eure Frage beantworten zu
können, meinen kompletten Speichermodus überprüfen.
Nur so kann ich feststellen, ob meine Erbauer vor euch beiden etwas
zu verbergen haben.«
»Aber Lyr, sag mal, du würdest für
uns deine eigenen Schöpfer, sozusagen die, die dich gebaut und
zusammengesetzt haben, verraten?« Lyr guckte nicht schlecht
und war von Katjas wörtlicher Gewandtheit offensichtlich
begeistert.
»Ich glaube, meine Lieben, ihr bemesst
dem Wort Verrat zu viel Bedeutung. Ihr beide solltet nicht
vergessen, dass ich einzig und alleine nur für euch beide
konstruiert worden bin und darüber hinaus euer Wohlwollen und
Gesundheit an Leib und Leben an erster Stelle für mich zu
stehen hat. Ihr habt vor allem anderen äußerste und
allererste Priorität. So wurde ich programmiert.«
»Dennoch kann es doch sein, dass man
dich umprogrammiert hat und dich somit mit falschen Daten gefüttert haben
könnte, so dass es dir überhaupt nicht auffiele, wenn in
deinem Speicher etwas gelöscht oder verborgen wurde?«,
konterte Katja.
»Auch bei dieser eurer Sorge kann
ich euch beruhigen. Sollte dieser Fall eintreten, dass irgend ein
Mitglied der Dogon, also der Goderijaner, versuchen würde, mich auf
irgendeine Weise zu manipulieren, die euch in irgendeiner Weise
Schaden könnte, schaltet sich mein Hauptspeicher automatisch
für diese Art von Information aus. Ich bin absolut ausgerüstet,
auch ohne den Bordcomputer zu fungieren und zu funktionieren. Wie
ihr seht, hatte unser Heiliger Xarmax auf Goderijan an alles
gedacht. Xarmax ist sich dessen bewusst, dass ihr beide nur auf
freiwilliger Basis seinem Volk helfen könnt. Diese und
einzige Möglichkeit möchte er in Freundschaft mit euch
nutzen. Wie man in eurer Sprache so schön sagt, wird er den
Teufel tun, irgendetwas, was diesem Vorhaben schaden könnte, zu
unternehmen. Dafür, und das könnt ihr mir ruhig glauben,
seid ihr viel zu wichtig für ihn und sein Volk. Wie schon
gesagt, haben wir keinerlei Anstrengungen vermieden, euch mit allem
was euer Herz an materiellen Dingen begehrt, zu versorgen. Das gilt
natürlich auch für eure komplette Ernährung. Der
Vorrat, den wir im Übrigen für euch beide anlegten, würde
mindestens für die nächsten 500 Erdenjahre ausreichen.
»Also sind wir unantastbar, sozusagen
für Xarmax seine persönlichen Schützlinge, nicht
wahr, Lyr?«, hakte Norman nach.
»Ja, so könnte man es in etwa auch
vergleichen. Zumindest will er euch in bester Gesundheit und so weit
es natürlich in unserer Macht steht, in zufriedener Position
wissen. Was ich dazu beitragen kann, werde ich tun. Nun möchte
ich gerne wissen, was ihr so ekelhaftes entdeckt habt.«, stocherte Lyr
nach.
»Katja wird dir alles berichten, Lyr?«,
bekräftigte Norman.
»Gut, wie
soll ich da nur anfangen. Nun gut, Lyr: Als du dich heute Mittag,
für eine gewisse Zeit von uns verabschiedet hast, um etwas zu
erledigen, da beschlossen ich und Norman, sich euer Raumschiff mal
ein bisschen gründlicher anzusehen. Wir waren halt sehr
neugierig und wenn wir ganz ehrlich sind auch was das ganze
Geschehen hier angeht, noch sehr misstrauisch. Wie du weißt, liegt
das ja bei uns Menschen in unserer Natur. So denn, wir fuhren, so
weit es dieser Schwebelift zuließ hinunter.«
Dann erzählte Katja, was sie mit Norman
für ein schauriges Abenteuer erlebt hatte. Von A bis Z berichtete
sie so gut sie es nur vermochte, und während sie so erzählte,
bemerkte Norman, dass Lyr immer unruhiger wurde. Nur der Höflichkeit
wegen unterbrach Lyr Katja bei ihrem Bericht nicht. Denn was Lyr da
hörte, kam ihm natürlich bekannt vor.
»Und ihr seid sicher, dass es sich schon bewegt hat?«
»Ja, absolut, Lyr. Aber sag doch, wusstet
ihr von diesem Ding, denn wie ich schon zu Katja bereits sagte, kann
ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr davon nichts
wüsstet und was mich noch heißer interessiert ist, was
das für ein scheußliches Ding überhaupt ist?«
Jetzt war Norman in Fahrt gekommen und konnte sich kaum unter
Kontrolle halten. So kam es, dass Norman nur noch Fragen stellte
und Lyr nicht einmal antworten ließ.
Langsam Norman, langsam. Lass mich doch bitte
erst einmal eine deiner vielen Fragen beantworten!«
»Natürlich Lyr, entschuldige bitte.«
»Was ihr da entdeckt habt, ist ein Elopp.«
Da staunten die beiden nicht schlecht, als Lyr keinerlei Aufregung
zeigte. Zumindest erwarteten die beiden helle Aufregung seitens Lyr.
Doch der blieb ruhig, als wäre nichts geschehen.
»Aber nicht doch, meine Lieben. Diese
Elopp stellen keine Gefahr dar. Diese kleinen Dinger sind eher
lästig, als dass sie uns schaden könnten.«
»Was? Kleine Dinger nennst du dieses
scheußliche abstoßende Etwas?«, bekräftigte
Katja ihre Aussage.
»Was ist denn überhaupt ein Elopp,
Lyr?«, warf noch Norman ein.
»Nun, ich würde es als Weltraumparasit bezeichnen.«
»Als Weltraumparasit?«, wiederholte Norman.
»Ja, das ist, so glaube ich, die beste Bezeichnung dafür. Beruhigt euch
doch, ich werde es euch näher erklären. Woher diese
Elopps so genau abstammen, wissen wir nicht. Seit jeher sind diese Kreaturen für
uns ein Geheimnis. Man kann nur noch in unseren Archiven nachlesen,
dass sie vor langer Zeit von einer unserer damals anfänglichen
Großraumschiff-Expeditionen eingeschleppt wurden. Seither
beehren sie uns ab und an auf unseren Raumschiffen und suchen sich
ein warmes Fleckchen, wo sie sich in Ruhe verpuppen können.
Dennoch keine Sorge, wir waren anfänglich genauso erschüttert
und angewidert wie ihr heute auch, das könnt ihr mir ruhig
glauben. Natürlich bestand die Gefahr einer Seuche ebenso, wie
die Gefahr, dass sie sich vielleicht zu sehr vermehren
und somit unsere Lebensweise beeinträchtigen könnten. Im Laufe der
Zeit und einer eingehenden Studie des Wesens, bekamen wir heraus,
dass sie sich nur für eins interessieren, nämlich sich zu
verpuppen. Als wir dann nach reichlichen Tests und Untersuchungen
feststellten, dass sie völlig harmlos sind und keinerlei
Schaden während ihres Aufenthaltes verursachen, außer
diesen ekelhaften Schleim und Geruch zu hinterlassen, fassten wir
den Entschluss, sie nicht mehr zu stören und in Frieden zu
lassen. Also ein zufriedenes Miteinander, zumindest solange sie
sich bei einigen von unseren Schiffen aufhalten, so möchte
ich behaupten.«
»Das ist ja alles schön und gut,
Lyr? Wenn sie, wie du sagst, sich nur verpuppen, dann würde es
mich mal interessieren, was diese hässlichen Dinger oder
Viecher danach tun. Was ich meine: Es besteht doch die Tatsache,
dass es lebendig ist und folglich lebt. Also ist es
biologischen Ursprunges. Und da es biologisch ist, muss es fressen,
oder? Also, was frisst es denn?«, eine berechtigte Frage, die da
Norman stellte.
»Von uns nichts!«, konterte Lyr.
»Nichts, Lyr?«, wollte Katja wissen.
»Ja, rein gar nichts, Katja. Sie
verschwinden ebenso schnell, wie sie gekommen sind.«
»Nur noch eine und letzte Frage Lyr:
Gibt es Schriften über diese Spezies, ich würde gerne mal
bei Gelegenheit etwas darüber lesen?«
»Das weiß ich nicht, Norman. Das kann
ich dir beim besten Willen nicht sagen. Die einzige Möglichkeit
wäre die, wenn du es wünscht, dass ich für dich mal
schnell im Archiv nachsehe.«
»Ja, Lyr, das wünsche ich, geh und
sieh bitte nach, okay?«, befahl Norman beherrschend.
»Aber Norman, dazu muss ich doch nicht
ins Archiv gehen. Dazu muss ich doch nur meinen Hauptspeicher
abfragen. Wünschst du, dass ich das tue?«
»Ja, dann frage doch bitte mal deinen
Hauptspeicher ab.« So langsam ging Norman Lyrs ständige
Fragerei auf den Keks.
»So, das war es schon. Leider findet
sich keinerlei Auskunft in Form von Büchern oder Schriften
und dergleichen darüber. Aber es gibt im Hauptspeicher über
die Elektronik genug Informationen über die Elopps. Wenn du es
wünschst, kann ich dir diese Informationen auf einen eurer
Computer abspeichern und du könntest dann von diesem
Datenträger aus alle Informationen ablesen, gewissermaßen
durcharbeiten?«
Norman, aber auch Katja waren von dieser Nachricht hell begeistert.
»Was, Lyr? Ihr habt einen unserer
Computer auf eurem Raumschiff, so mit allem drum und dran?«,
freute sich Norman riesig.
»Einen ist untertrieben. Wir haben für
jeden von euch beiden zehn komplette Anlagen. Ihr müsst wissen,
diese eure Computer nützen sich so schrecklich schnell ab. Und
diese Speichermaschinen, die ihr Festplatten zu nennen beliebt, sind
im Vergleich zu den unseren nicht gerade das Wahre. Ich könnte
euch ein Speichermedium von uns einbauen lassen, die hätten das
milliardenfache an Speicherkapazität und
schnellere Funktionen wie die eurer Festplatten?«
»Also, bis
heute Abend nach dem Essen lässt du zwei Computeranlagen in
unsere Zimmer bringen und gleich fertig installieren, okay.«,
forderte Norman.
»Wie ihr wünscht, meine Lieben.«
Und Lyr ging seines Weges, drehte sich noch einmal kurz um, winkte,
und weg war er.
»Also Norman, wo die nur diese ganzen
Sachen herhaben?«, stellte Katja mal wieder die Frage.
»Ich weiß, Katja, das ist mir noch immer
nicht ganz geheuer.«
»Und weißt du was, Katja? Manches Mal
könnte man doch glauben, die haben für uns das ganze
Zeugs von der Erde so einfach mitgehen lassen!« Norman
grinste bei seiner nicht so gemeinten Verdächtigung. Doch jene
seine Schwester, nahm natürlich die leichtsinnige Verdächtigung
von ihrem Bruder gleich wieder ernst.
»Das kann doch sein, Norman, oder?«
gab Katja bekräftigend hinzu.
Aber Katja, du glaubst doch nicht im Ernst,
dass die Dogon auf Hamstern gehen?«
»Was meinst du mit Hamstern, Norman?«
»Na, eben Klauen, Stehlen, Mopsen.«
»Halt, Norman, das reicht schon, habe es
ja verstanden.«
»Jetzt mal im Ernst, wann und wie
sollten die Dogon denn diese ganzen Sachen auf unserer Erde geklaut
haben, wenn sie es wirklich taten?«, hakte Norman bei Katja
nach.
»Ich denke, in der Zeit auf der Erde, als
Sie uns von dort entführten, oder?«
»Wir werden das schon herausbekommen,
denn ich werde diesmal nachfragen. Es ist mir egal, ob es der
Höflichkeit entspricht oder nicht.«, entgegnete Norman
unter Anspannung.
»Und wann möchtest du ihn denn
fragen?«, drängte Katja, leicht geduckt, um Norman nicht
aus der Fassung zu bringen.
»Bei der nächstbesten Gelegenheit
natürlich.«
Mann, was für ein Tag, nicht wahr, Norman?«
»Du sagst es, Katja? Wenn ich mir
vorstelle, dass sich im untersten Deck des Raumschiffes eine so
eklige Kreatur befindet, wird mir ganz anders.«
»Wem sagst du das, Norman? Ich könnte
kotzen, wenn ich nur an den modrigen und muffigen Geruch denke. Pah,
ekelhaft!«
Nachdem sich die beiden wieder ein bisschen
beruhigt hatten, grübelten sie schon wieder nach, was sie mit
dem restlichen Tag noch anfangen könnten.
»Du, Norman, wir könnten doch in den
eigens für uns eingerichteten Spielraum gehen und ein wenig den
Lenz heraushängen lassen?«
»Ach ich weiß nicht, Katja, irgendwie
habe ich keine Lust dazu.«
»Na ja, Norman, war ja nur ein Gedanke.«
Es kehrte wieder Stille in Katjas Quartier ein. Und als sich die
beiden schon fast vor Langeweile anödeten, kam plötzlich
Lyr in heller Aufregung angerannt und führte dabei einen
Freudentanz auf.
»Wisst ihr was geschehen ist, meine Lieben?«
»Natürlich nicht, aber ich schätze,
dass du es uns gleich sagen wirst, nicht wahr Lyr?«
»Wir haben eine Nachricht, ja ein Signal
von der Erde aufgefangen oder sagen wir mal empfangen.«
In Norman und Katja spiegelte sich große Freude wieder.
»Menschenskind, Lyr? Das ist ja mal
eine freudige Nachricht, nicht wahr, Katja?«
Katja bekam vor lauter Freude zunächst keinen Ton heraus.
»U..Und ob das eine freudige Nachricht ist.
Sag doch mal, Lyr, weiß man denn schon, von wem diese Nachricht kommt,
also wer diese Nachricht gesendet hat?«, erkundigte sich
sogleich Katja.«
»Oh... sagte ich in etwa, eine Nachricht?«
»Ja Lyr, du sagtest das Wort Nachricht.«
»Du meine Güte, ist mir das jetzt
peinlich. Ich Dummerchen. Nein, ich meinte natürlich keine
Nachricht, es war vielmehr ein Impuls.«
»Sag mal, wenn es keine Nachricht war,
woher weißt du dann, dass dieser Impuls von der Erde her stammt? Ich
meine, man weiß doch heute bereits, dass auch viele andere Sterne
bestimmte Impulse ausstrahlen können, oder?«, fragte
Norman berechtigterweise nach.
»Da muss ich dir natürlich Recht
geben Norman, doch keinesfalls dieser Impuls. Der
ist mit hundertprozentiger Sicherheit von eurem Planeten Erde
ausgesandt worden. Weißt du, Norman, wir können sehr wohl
zwischen verschieden frequentierten Impulsen unterscheiden.«
»Entschuldige Lyr, das war ja weiß
Gott nicht böse gemeint.«
»Wieso beziehst du jetzt euren Gott in
unser Gespräch mit ein, Norman?« Ja, Lyr nahm mal wieder alles wörtlich.
»Vergiss es, Lyr.«
»Na schön, dann werde ich es eben vergessen.«
»Aber trotzdem, Lyr, wir befinden uns
doch schon viele, viele Lichtjahre von der Erde entfernt oder etwa
nicht?« Norman stellte gerade eine Frage, die Lyr gerne zu
einem anderen Zeitpunkt beantwortet hätte.
»Nun Norman, 2,7 Millionen Lichtjahre
entfernt, um genau zu sein.« Nun war es raus.
»Lyr, das ist doch nicht möglich,
sag mir bitte, dass das ein Scherz von dir war!« Für Norman
und Katja war die Wahrheit nicht gerade erfreuend. Ja, sie fanden
sie geradewegs absurd.
»Nein Norman, das war kein Scherz.«
»Lyr, weißt du denn, was du da sagst?
Das bedeutet ja, dass wir vermutlich länger in der
Schlafkammer zugebracht haben, als uns anfangs gesagt wurde!«,
warf Norman erregt ein.
»Norman, die
haben uns eiskalt verarscht. Mann, das bedeutet ja, dass alle die
wir kannten schon sehr lange Zeit tot sind, meine liebe Mutter, mein
Hund Wuschel, Tanten und Onkel, nicht wahr, Lyr?« Katja war
außer sich und konnte sich gar nicht mehr beruhigen.
»Gewissermaßen schon, aber das
trifft in eurem Falle nicht zu.«, versuchte Lyr beide zu
beruhigen.
»Jetzt mach mal halblang Lyr. Ich möchte
von dir jetzt nur eins wissen: Wie lange haben ich und Katja in der
Schlafkammer zugebracht, also geschlafen. Ich wünsche, dass du
die Wahrheit sagst!«
Lyr druckste noch ein bisschen herum, indem er begann, merkwürdige
und nicht zu definierende Bewegungen zu machen. Dann folgte
schließlich ein Seufzer und...
»Fünfzehn.« Nun, viel Reim
konnten sich Norman und Katja nicht darauf machen.
»Fünfzehn, was meinst du mit
Fünfzehn? Fünfzehn Tage, fünfzehn Monate?«
»Fünfzehn Jahre?«
Offensichtlich war Lyr etwas beschämt, es fiel den beiden auf,
dass er innerlich mit seinen Gefühlsschaltkreisen zu kämpfen
hatte. Denn die Wahrheit sagte er nur zögernd, also nicht
gerne.
»Was, fünfzehn Jahre? Habt ihr denn
alle den Verstand verloren? Wieso wurden ich und Katja nicht
gefragt. Findest du das fair, Lyr?«
»Natürlich nicht, aber der Rat
hielt es für besser, vorerst darüber zu schweigen und es
euch zu einem anderen Zeitpunkt zu erläutern, zu erklären.«
»Und warum hast du so lange
geschwiegen, ich dachte, du wärst unser beider Freund?«,
beklagte sich Norman, der nun sichtlich sehr enttäuscht von Lyr
war.«
»Genau, Norman?«, gab auch Katja
ihren Senf dazu, wie man so schön im alten Volkmund sagt.
»Ich für meine Wenigkeit konnte nicht
einschreiten, da ich für euch noch nicht eingeteilt war.«
»Fünfzehn Jahre, mein Gott, Lyr, das ist doch irre?«,
konnte Norman sich kaum beruhigen.
Hört doch bitte mal zu, ihr beiden. Ich
kann mich nur wiederholen. Für euch, ja für uns alle hier
auf dem Raumschiff spielt es absolut keine Rolle, wie weit, also wie
viele Lichtjahre wir entfernt von unserem Heimatplaneten
sind oder wie viele Stunden, Tage, Wochen, Monate, gar Jahre einer
von uns sich in der Schlafkammer befindet.«
»Und warum nicht?«, unterbrach Katja.
»Ich habe schon ganz am Anfang versucht,
es euch zu erklären. Weil wir, die Dogon, fähig sind,
Zeitschleifen zu produzieren oder, sagen wir mal, im Universum, also
in bestimmten Quadranten eine Zeitschleife hervorzurufen. Und in
genau diesen Zeitschleifen holen wir die gesamte Reisezeit wieder
ein.«
»Das bedeutet?«, erkundigte sich Norman.
»Das heißt, wenn wir durch
die Zeitschleife reisen und ans Ziel gelangt sind, sei es irgendwo
hin, auf ein erwünschtes Ziel oder gar auf dem Rückweg von
einem Ziel und Ort, dass fast so gut wie keine Zeit verloren ging,
also vergangen ist.«
»Du meinst,
dass, sagen wir mal, wir reisen um vier Uhr mit dem Raumschiff los,
reisen mit der Realzeitrechnung in der wir uns befinden zirka drei
Tage lang und wenn wir an unserem Ziel angekommen sind, ist es
trotzdem noch immer vier Uhr, meinst du es so, Lyr?« Tja, da
staunte selbst Lyr über Normans Formulierung nicht schlecht.
Abgesehen von einigen Stunden, die wir meistens
brauchen, um auf unserem Planeten zu landen, hast du es absolut
verstanten, Norman?«
»Aber das bedeutet ja, dass wir uns gar
keine Sorgen zu machen bräuchten Lyr?«, vergewisserte
sich nochmals Katja hoffnungsvoll.
»Genau das ist es, was ich euch beiden
die ganze Zeit versuche zu erklären. Und ich sage es euch
nochmals: Es wird euch nichts geschehen. Ihr werdet, wenn euer
Auftrag beendet ist, wieder zu euren Liebsten nach Hause kehren und
alles wird so sein, wie es vorher war. Ihr werdet keinerlei Zeitverlust haben,
ausgenommen ein paar Stunden.«
»Gott sei es gedankt, da sind ich und
Katja heilfroh darüber!«, seufzte Norman erleichtert.
»Genau, ehrlich gesagt hast du uns da einen
ganz schönen Schrecken eingejagt, Lyr.«, meldete sich
Katja auch mal wieder zu Wort.
»Das war natürlich nicht meine
Absicht.«, erwiderte Lyr, sichtlich beruhigt.
»Aber Lyr, da wäre noch eine winzige
Frage offen, die ich und Katja dir schon des längeren fragen
wollten.«
»Natürlich, gerne, frage was du willst.«
»Woher bezieht ihr all diese Sachen für
unseren täglichen Gebrauch auf diesem Raumschiff? Ich meine, es
ist ja offensichtlich, dass hier nichts dergleichen hergestellt
wird. Es sei denn, ihr führt eine Produktionsstelle hier auf
dem Raumschiff mit, von der ich und Katja nichts wissen?«
Gespannt warteten Norman und Katja auf die
Ausrede, die Lyr nun gleich abgeben würde. Stattdessen begann
Lyr hämisch zu grinsen. Was natürlich Norman und Katja
beim besten Willen nicht verstehen konnten.
»Ich möchte mal wissen, was an
dieser Frage so enorm witzig ist, kannst du mir das vielleicht mal
verraten, Lyr?« Man sah Norman an, dass er langsam aber sicher
wütend wurde.
»Ach, verzeih mein leichtes Grinsen,
Norman, aber ich finde euch Erdlinge einfach, wie sagt man, ja,
jetzt weiß ich es: Putzelich.«
»Putzig.«, berichtigte Katja.
»Wie belieben?«, hakte Lyr nochmals nach.
»Putzig! Es heißt nicht putzelich,
sondern putzig, klar Lyr?«
»Komisch, aber in meinem Speicher steht
eindeutig putzelich. Natürlich behaltet ihr in diesem Fall
beide Recht. Es ist ja auch eure Sprache und nicht die meine.«
»Das will ich auch meinen, Lyr.«
»Um aber auf meine Frage zurückzukommen,
wo habt ihr denn nun diese ganzen Sachen für uns her?«
»Natürlich von der Erde. Wo sonst sollten wir diese schönen Sachen für
euch herhaben?«
»Mann, gewiss doch habt ihr all die
schönen Sachen von unserem Heimatplaneten. Was mich vielmehr
interessiert ist, wie ihr an das viele Zeugs herangekommen seid!«
Norman gab keinen Augenblick nach, jetzt wollte er es wissen,
komme was da wolle.
»Das zu erklären, bedarf etwas Zeit.«
Na dann lass mal hören, Lyr! Wir
jedenfalls haben genug Zeit.« Da hatte Norman nicht einmal so
Unrecht. Und Lyr begann zu berichten.
»Noch bevor wir unsere Bekanntschaft
machten, sandten wir zwei unserer Kuriere auf euren Planeten
voraus. Ihre Aufgaben bestanden darin, genügend Nahrung und
sonstige materiellen Sachen auszumachen, um sie dann legal, mit euren
Zahlungsmitteln zu erwerben und an einem von uns gewählten
geheimen Ort zu bringen, von wo wir sie dann abzuholen gedachten,
was wir ja auch einige Zeit später in die Tat umsetzten, wie
ihr selbst sehen könnt.«
»Und woher habt ihr das Geld, kannst du
mir das mal sagen?«
»Aber natürlich kann ich das. Wir
erzeugten das gleiche Geld, so wie ihr es zum Kauf verwendet,
einfach nach.«
Also, das ist doch, weißt du was das
ist? Das ist Betrug, ist das!« Gab Norman empört von
sich.
»Ich glaube, ihr beide solltet euch lieber um euren Planeten
Gedanken machen, als sich über Dinge aufzuregen, die am Ende
nur zu eurer beider Wohl dienen. Es ist keiner zu Schaden gekommen.
Das Geld ist im Grunde genommen keine Fälschung.«
»Ist es doch, Lyr? Da gibt es eine
eindeutige Klausel in unserer Gesetzgebung.«
»Ja Norman, die kennen wir bereits,
deshalb haben wir uns ja auch strickt daran gehalten.«
Jetzt drohte Norman alsbald durchzudrehen.
»Du hast doch eben selbst gesagt, dass
ihr dieses Geld selbst erzeugt habt, genau so beliebtest du es zu
formulieren oder etwa nicht, Lyr?
»Gewiss doch Norman, gewiss. Ich zitiere
euch nun diese Gesetzesklausel, damit ihr euch wieder beruhigen
könnt. Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht oder
verfälschte in Umlauf bringt, muss mit einer Freiheitsstrafe
nicht unter zwei Jahren rechnen.«
»Na siehst du, und genau das habt ihr getan,
weil ihr, so wie du es im Übrigen selbst beschrieben hast,
sie selbst erzeugtet. Punktum.«
»Natürlich
hätten wir uns strafbar gemacht, wenn es eine Fälschung
gewesen wäre. Das entspricht aber nicht der Wahrheit, Norman!
Diese Geldscheine waren zu 99,999% bis zur kleinsten Faser
vollkommen identisch. Außer die paar Unebenheiten im
Mikrobereich, die aber alle eure Geldwertscheine aufweisen. Selbst
die Seriennummern gestalteten wir in fortlaufender Serie, aber
bitte frage mich jetzt nicht, wie wir das zustande brachten. Wir
haben sogar einen von euren Spezialisten, und ohne dass er es
bemerkte, einen von unseren produzierten Wertscheinen überprüfen
lassen. Dieser konnte aber keine Fälschung feststellen und gab
nach mehrmaliger Überprüfung diesen Geldschein wieder
frei, also in euren Umlauf. Feststellung: Keine Erkennung der
Fälschung, so auch keine Illegalität und somit ein
rechtskräftiges Zahlungsmittel. Punktum.«
Da waren alle beide, Norman und Katja,
sprachlos. Ihnen qualmte der Kopf. Sie kannten Lyr bereits, und
sie wussten, dass er schnell und besonders viel und besonders lange
Ausdauer in Sachen Unterhaltung zeigte, aber das hier und jetzt
war seine absolute Meisterleistung. Auch wenn der Versuch,
Lyr vom Gegenteil zu überzeugen, fehlschlagen würde,
dass seine Kundschafter sich eines Verbrechens schuldig gemacht hatten.
»Halt, halt, wir sollten jetzt nicht
wieder in Wortstreitigkeiten fallen, wir sollten uns lieber auf
etwas interessanteres konzentrieren. Ich möchte nämlich
noch auf etwas ganz Besonderes hinweisen?«, unterbrach Lyr das
Wortgefecht.
»Und das wäre?«, kam von Katjas Seite.
»Ich muss schon sagen, wie schnell ihr
Menschen doch vergessen könnt. Ist euch beiden denn schon
entfallen, weswegen ich eigentlich zu euch gekommen bin?«,
erinnerte Lyr, irgendwie protzig wirkend.
»Ach ja, Lyr, jetzt fällt es mir
wieder ein. Du kamst, um uns von dem Impuls zu berichten, nicht wahr,
ich habe doch Recht?«, wie Recht doch Norman hatte!
»Da hast du, wie ihr Menschen doch des
öfteren zu sagen pflegt, den Nagel auf den Kopf getroffen, Norman?«
»Ja, richtig. Sag mal, Lyr, kannst du uns
denn nicht etwas mehr von diesem Impuls, der angeblich von der Erde
ausgesendet wurde, erzählen?«, forderte Katja.
Und Lyr befand sich mal wieder in erzählerischer Hochform.
»Nicht 'angeblich', meine liebe Katja,
nicht angeblich. Tja, wie schon berichtet, kam also dieser Impuls
von eurem Planeten.«, erinnerte Lyr nochmals, »Dennoch möchte ich...«
Sag mal, Lyr, wir befinden uns doch zur Zeit im
Andromedanebel, nicht wahr?«, unterbrach Norman plötzlich.
»Das ist richtig, Norman.«
»Und wenn ich richtig liege, sagtest du
doch auch, dass wir uns in einer Zeitschleife befinden, stimmt es?«
»Ja, auch da liegst du richtig.«, bejahte Lyr bekräftigend.
»Lyr, und folglich sind wir doch in
dieser Zeitschleife so ungefähr 2,7 Millionen von Lichtjahren
zu diesem Sternensystem, das wir als Andromedanebel bezeichnen, von
der Erde weg verzerrt worden, trifft das auch zu?«
»Ja, auch das trifft zu, Norman?«
»Lyr, wie kann es dann sein, dass ein Impuls, der so lange braucht, genau eben
2,7 Millionen Lichtjahre von der Erde kommen kann? Ich meine
und nehme doch an, dass dieser Impuls menschlichen Ursprunges ist,
also, von Menschenshand verursacht.«
»Ja, Norman, auch mit dieser Annahme
liegst du sozusagen goldrichtig. Wir konnten feststellen, dass
dieser Impuls von einer, wenn auch von einer kleinen, Radio-Satellitenstation
gesendet wurde. Und um deine Neugier und deinen
Wissensdurst zu befriedigen: Es wurde dadurch möglich, weil,
wie es der Zufall wollte, dieser Impuls in unsere Zeitschleife
geriet, also eindrang, bevor wir sie schlossen und somit Gelegenheit
bekam, in das Sternensystem Andromedanebel mitzureisen. Konnte
ich dir mit dieser Antwort deinen Wissensdurst etwas stillen,
Norman?«
»Danke Lyr, voll und ganz.«, gab Norman zur Antwort.
»Und konntet ihr auch feststellen, von
wo genau auf der Erde, also aus welchem Erdteil der Impuls
gesendet wurde?«, meldete Katja sich auch mal wieder zu Wort.
»Ja, auch das konnten wir festellen.
Der Impuls kam aus eurem Heimatland, nämlich Deutschland.«,
fügte Lyr ganz stolz hinzu.
»Mann, das ist ja der reine Wahnsinn,
Lyr. Ihr habt wahrhaftig grenzenlose Möglichkeiten, unfassbar!«
»Na ja, auch wir können und
wissen leider nicht alles, auch wir stehen noch vor vielen Rätseln
die gelöst werden müssen und die nur darauf lauern
entdeckt zu werden?«, musste Lyr eingestehen.
»Lyr, mein Bester, geht es vielleicht
auch etwas genauer, ich dachte, vielleicht kannst du uns sogar den
Ort, also die Ortschaft oder die Stadt nennen von dem der Impuls
gesendet wurde?«
Katja glaubte, mit dieser Frage den Androiden
etwas mobben zu können. Sie hoffte natürlich, dass Lyr den
genauen Standort nicht angeben konnte. Doch weit Gefehlt!
»Gewiss, ich muss nur noch meinen
Hauptspeicher abfragen. Einen Moment noch, Katja.«
Dann, und das in ganz kurzer Zeit war Lyr soweit:
»So, es ist keine Stadt, aber immerhin
eine Ortschaft und die Ortschaft, einen Moment noch - Ah ja, ach du
meine Güte!« Urplötzlich leuchteten Lyrs Augen mal
wieder in einem Azurblau.
»Was ist denn, Lyr? Hast du einen Frosch
verschluckt, oder was?«, drängte Norman seinen Freund
Lyr. Auch Katja bekam große Ohren und horchte
erwartungsvoll mit weit aufgerissenen Augen auf.
»Also, ihr beiden werdet es nicht
glauben, was für einen Namen mein Hauptspeicher mir quasi ins
Ohr flüsterte? Na, ratet mal?«, amüsierte sich nun
Lyr köstlich, endlich mal die beiden ratlos und zappelnd zu
sehen.
»Mann, Lyr, was soll das denn nun.
Glaubst du, ich und Katja haben jetzt Lust auf ein Ratespiel oder
was?«, ärgerten sich die beiden.
»Ha-ha..., entschuldigt bitte, aber das
war zu komisch. Ihr hättet gerade eben eure Gesichter sehen
sollen. Ihr machtet Augen wie ein Karpfen, zu komisch.«
»Augen wie Karpfen?«
Dann war es soweit. Norman sah Katja an und Katja
sah Norman an. Sie brachen in einen Lachkrampf aus, der jedem
Zirkusclown hätte Konkurrenz machen können.
Und Lyr, ja Lyr begriff nun nichts mehr und lachte einfach mit. Und
als Norman und Katja Lyr bei dem Versuch mitzulachen zusahen,
lachten die beiden noch mehr. Ja sie Lachten Tränen.
»Verzeih Lyr, aber du warst doch zu
komisch, also sag uns doch endlich aus welcher Ortschaft denn dieser
Impuls genau kam!«, forderte Norman nun energischer.
»Der Impuls kam von einer Ortschaft, die
euch wohl bekannt ist. Sie heißt Rednizkleineck.«
Diesmal glotzten Norman und Katja wie Karpfen
und diesmal lachte keiner von den dreien. Viel zu sehr erstaunt
waren sie alle.
»Ja, aber Lyr, wie ist denn das möglich,
ich kenne den Ort wie meine Westentasche. Ich wuchs dort auf. Ich
kenne dort jeden Anwohner, jedes Haus, ja jeden Stein. Dort gibt es
keine Satellitenstationen oder der Gleichen?«, bekräftigte
Katja etwas nervös.
»Jeden Stein, Katja?« Lyr nahm, wie immer wörtlich,
was er nicht verstand.
»Du meine Güte, Lyr, nimm doch nicht
immer alles so wörtlich. Du machst einen noch mal wahnsinnig.«,
äußerte sich Katja, mal wieder ärgernd.
»Ich versuche mich demnächst etwas zurückhaltender, okay?«
»Gut Lyr, wir verlassen uns darauf.«
» Da ist auch mein Arbeitsplatz.«
Und Norman musste an seine Frau und Kinder denken. Sein Herz wurde
ihm schwer. Was auch Katja und Lyr bemerkten. Doch diesmal wollten
sie ihn seine Traurigkeit ausleben lassen. Denn zu viel Mitleid war
nun jetzt und zu dieser Stunde fehl am Platze.
»Ja doch, was für ein Zufall, nicht
wahr?«, fragte Lyr noch einmal nach.
»Ja, das ist echt ein komischer
Zufall.«, wies Norman nochmals nach.
Etwas später, als die drei sich wieder
beruhigt hatten, kam ein Dogon herein und ging auf Lyr den Androiden
zu. Dieser Dogon trug ein Gewand von herrlicher Pracht an seinem
Körper. Er war schön anzuschauen. Die ockergelbe Farbe
seines Gewandes verlieh ihm eine besondere Note. Sie verriet, dass
er in seinem Rang höhergestellt, also dem anderen Dogon
gegenüber vorrangiger zu sein schien. Denn selbst Lyr ordnete
sich mit einer Verbeugung und tiefer Haltung gegenüber
diesem Dogon ein. So folgte ein Gespräch in einer ihrer
Sprachen, die Norman und Katja als ein Kauderwelsch seines Gleichen
definierten. Beide, Norman und Katja, schwiegen sich aus. Doch
die brennende Neugier, was wohl die beiden sich da so Wichtiges zu
erzählen hatten, wiegte mehr.
»Norman, was meinst du wohl, worüber
sich die beiden unterhalten?«, fragte Katja ihren Bruder.
»Tja Katja, wenn ich das wüsste,
wäre ich nicht so ratlos. Aber dennoch, interessieren würde
es mich schon?« Ja, Norman fand das gar nicht gut, diese
Heimlichtuerei.
Dann verbeugte sich der Dogon graziös vor Norman und Katja
und ging wieder aus Katjas Quartier.
»Ist schon ein komisches Gefühl,
wenn sich jemand vor uns verbeugt. Ich komme mir da ganz schön
wichtig vor, nicht wahr, Katja?«
»Du sagst es, du sagst es, Norman,
dennoch schätze ich diese Momente.
Gespannt warteten die beiden auf Lyrs Bericht,
denn insgeheim erhofften sie sich, dass Lyr ihnen von dem Gespräch
mit diesem Dogon erzählte.
Lyr, so bemerkten die beiden, druckste
mal wieder nachdenklich wirkend herum.
»Was ist los, Lyr?«, stocherte Norman nach.
»Ach, Norman, es ist ein Problem
aufgetreten.«, gab Lyr sehr traurig von sich.
»Was für ein Problem denn?«,
erhoffte sich Katja eine Antwort von Lyr.
»Ein sehr großes Problem, Katja.«
Lyr hatte mit dem Wort 'großes Problem' wahrlich ins
Schwarze getroffen.
»Lyr, willst du uns denn nichts darüber
erzählen? Wir stehen dir bei, das weißt du doch, oder?«
Ja, beide machten sich nun enorme Sorgen um Lyr, denn so hatten sie
ihn noch nie erlebt. Obwohl Lyr eine Art künstlicher Dogon,
also ein Androide war, wuchs er ihnen doch ans Herz. Trotz so
mancher und kleinen wörtlichen Auseinandersetzungen.
»Ich weiß das zu schätzen, danke.
Ich muss euch sagen, dass diese Angelegenheit uns alle betrifft.«,
verkündete Lyr.
»Alle, Lyr, wieso alle?«, bekam es
Katja langsam mit der Angst zu tun. Und auch Norman war bei diesem
Gedanken nicht ganz wohl.
»Ja, ihr beiden, es betrifft uns alle.
Nun gut, ich will versuchen euch dieses Problem so gut wie möglich
zu schildern. Wie ihr euch bestimmt noch erinnern könnt,
sprachen wir doch von dem Impuls, der sich in unsere Zeitschleife
verirrte«, erinnerte Lyr.
»Klar, und weiter?«, forderten die beiden.
»Wir konnten durch eine unserer
neusten technischen Errungenschaften ein zeitverzerrtes Abhörsystem
zu genau diesem Ursprung senden. Also, von wo punktgenau dieser
Impuls ausgesandt wurde. Neugierig und aufhorchend geworden, um den
eigentlichen Grund des Sendens zu erfahren, machten sich unsere,
ihr würdet sagen Spezialisten, daran, von dieser oder diesen
Personen Gesprächstoffe in Erfahrung zu bringen.
Sie sandten mit unserem neuesten quantschen Zeit-Verzerrer
einen Abhörwellenbeschleuniger, der in der Lage war, schon
längst verhallte Wortgespräche in seinem Radius, einer von
uns zielgerichtet bestimmten Person oder Personen, die sich egal
wo befanden und unabhängig von Zeit, Raum und Ausgangspunkt,
also an irgend einem Ort, aufzuzeichnen und diese Aufzeichnungen,
man kann auch sagen gebündelt, sofort wieder in wellenartiger
Form an ihrem Ursprungsort zurückzubeschleunigen. Seither
überwachen wir die Zielpersonen in ständig. Doch
näheres über unseren Abhörwellenbeschleuniger darf
ich euch beiden nicht erzählen. Und außerdem wäre es
sowieso nicht möglich.«, guckte Lyr etwas beschämt
die beiden an.
»Und wieso könntest du uns nichts
davon erzählen, Lyr?«, trieb die beiden die Neugier.
»Weil sich dann in meinem Speichermodul
alle darüberliegenden Daten automatisch selbst löschen
würden. Wie ihr erkennen könnt, hat sich unser hoher Rat
hierfür abgesichert.«
»Ja, und was habt ihr da an Gesprächen
so zurückbeschleunigt. Norman dachte, dass er durch die Dogon
wohl oder übel eine neue Sprache entwickeln musste, wenn
Lyr weiterhin seine Gedankengänge mit seinen Vermischen
würde. Doch er behielt diese Gedanken für sich, um nicht
den Faden bei dieser heißen und für ihn so wichtigen
Diskussion zu verlieren.
»Wir sind bis jetzt im Besitz einer
Gesprächslänge von zirka einer Stunde.«, sagte Lyr
ganz stolz.
»Aber nein, Lyr, ich meinte doch nicht
wie lange, da gesprochen wurde. Vielmehr interessiert mich und
Norman was da gesprochen wurde!«, eine kluge Frage die da
Katja stellte.
»Diese Personen sind im Besitz eines
Beweises, der unsere Existenz verraten könnte.« Lyr
guckte zu Boden.
»Ein Beweis? Was für ein Beweis
denn, Lyr?«, sprachen Norman und Katja fast gleichzeitig.
»Einen Beweis in Form eines
Datenträgers.«, versuchte Lyr den beiden zu erklären.
»Eines Datenträgers?«, fragte
Katja nochmals nach.
Ja, eines Datenträgers.«,
wiederholte sich Lyr.
»Du meinst in Form einer Diskette, so
wie wir sie für einen Computer benutzen?«
»Nicht ganz, Norman, diese Aufzeichnung
befindet sich viel mehr auf etwas Größerem das ihr als
Videokassette bezeichnet.«
»Ach du meine Güte, wie konnte euch
das nur passieren? Ich dachte euer Plan war bis ins kleinste
Detail durchdacht, Lyr?«, eine entscheidend wichtige Frage,
die da Norman stellte.
»Das dachte ich auch, Norman.«,
musste Lyr bedauerlicherweise zugeben.
»Und was jetzt, Lyr, ich meine, was
gedenkt ihr dagegen zu tun?«, kam seitens Katjas.
»Nun, im Moment befasst sich noch der
Hohe Rat damit. Aber ich denke, dass der Rat hinsichtlich dieser
Misere alsbald eine Entscheidung treffen wird. Vor allem wird jetzt
im Vordergrund stehen, wie wir an die zwei Kassetten kommen und das
noch bevor sie auf eurem ganzen Planeten ihre Runde machen.«
Ja, Lyr lernte schnell die deutsche Sprache.
»Wie, zwei Kassetten? Ja gibt es denn
noch eine?« Das Ganze wurde für die beiden immer
mysteriöser.
»Ja, meine
Lieben. Es gibt zwei davon, die sich aber im selben Besitz befinden.
Die Originale und eine, die noch kopiert wurde. Das Geschehen wurde
auf einer Kamera gefilmt und von dieser Kamera wiederum auf eine
größere Kassette, um sie dann von einem Gerät aufzunehmen
und vermutlich zu veröffentlichen. Wie ich in Erfahrung
bringen konnte, heißt dieses Gerät Video. Und von dem
Video wird es dann auf einen Fernseher übertragen.«
Lyr, um Gotteswillen, das reicht, ich und Katja
wissen ja was du meinst. Nicht wahr, Katja?«, stellte Norman
gezwungenerweise fest.
»Ja, genau.«, bestätigte Katja.
»Das ist auch gut so. Na, jedenfalls
drängt die Zeit. Wir müssen schnell etwas unternehmen. Und
ich schätze, dass der Rat nicht lange auf sich warten lässt.«
Kaum hatte Lyr es ausgesprochen, da bekam er schon durch seinen
Hauptspeicher eine Nachricht. Gewissermaßen eine Order.
»Lyr verstummte mal wieder und begann
verdächtig mit seinen azurblauen Augen zu leuchten.
»Katja, sieh mal Lyr an!«
»Na, ich schätze er wird wohl
gerade ne Nachricht vom hohen Rat bekommen. Oder was meinst du,
Norman?«
»Klar, was sonst, Katja?«
Und als Lyr seine Nachricht empfangen hatte, schüttelte er
verneinend seinen Kopf.
»Lyr, was ist, was hat der Rat denn
beschlossen?«, fragte Norman jetzt neugierig geworden nach.
»Woher weißt du denn, dass sich der
hohe Rat in meinem Hauptspeicher meldete?«, fragte Lyr
verblüfft Norman.
»Ich nenne es Intuition, Lyr?«,
gab Norman gelassen Antwort.
»So, Intuition also?«, kam
wiederum von Lyr.
»Also, spann uns nicht länger auf
die Folter, Lyr!«, forderte Katja im nachhinein.
Der hohe Rat hat sich mit unserem Heiligen
Xarmax beraten und kam zu folgendem Entschluss: Es soll eine kleine
Gruppe von unserer Besatzung zusammengestellt werden, die in einem
unserer kleineren Shuttles per Zeitschleife wieder zurück zu
euerem Sternensystem reisen wird. Dort, im Orbit eures
Erdtrabanten, den ihr Menschen Mond nennt, wird sich das Shuttle
auf der Rückseite des Mondes, von wo ihr keinerlei Ortungs- oder
Kommunikationsmöglichkeiten mehr habt, positionieren. Bis auf
einen wird sich dann die Crew denjenigen widmen, die das Wissen
unserer Koexistenz in sich tragen. Auch sämtliches
Beweismaterial wird dabei von uns beschlagnahmt.«
»Sag mal Lyr, auf welcher Art will sich eure Crew denn
denjenigen widmen?«, wollte Katja noch wissen.
»Nun, zu meinem größten
Bedauern muss ich leider zugeben, dass der heilige Rat beschloss,
diese Personen für eine gewisse Zeit in unseren Gewahrsam zu
nehmen.«
Was Lyr den beiden da berichtete, gefiel
ihnen überhaupt nicht.
»Also, das
kann doch nicht euer Ernst sein. Ihr wollt sie einfach entführen,
Lyr?«, protestierte Norman entschieden.
»Na ja, von Entführung kann hierbei
nun nicht die Rede sein.«
»So, wie nennt ihr denn dann dieses
Wort 'Gewahrsam'?«, wollte jetzt Katja genauer wissen.
»Es ist vielmehr eine vorläufige
Bekanntschaft.«, geriet nun Lyr ins Kreuzfeuer.
»Was? Eine Vorläufige
Bekanntschaft? Sei mir nicht böse, aber ich glaube, ihr tickt
langsam nicht mehr so richtig, Lyr? Was ist mit deinem großen
Wort, wie zum Beispiel, 'wir würden uns niemals in eure
Lebensweise einmischen'. Na Lyr, schon vergessen? Ihr könnt doch
nicht nach gut dünken walten und schalten. Ihr solltet endlich
beginnen, andere Völker im Universum nicht als euer Eigentum zu
betrachten. Auch wenn eure Probleme noch so groß sind, habt
ihr nicht das Recht euch irgendeines Lebewesens zu bemächtigen.
Sie sind freie Individuen, die das Recht auf ihre Freiheit haben.«
Norman befand sich nun in vollster Rage.
»Gewiss haben sie das, Norman. Und wir
halten auch in gewisser Hinsicht unser Versprechen, sich niemals in
irgendwelchen Lebensgewohnheiten von irgendeiner Art, also Spezies,
einzumischen. Aber in diesem Fall geht es nicht um irgendwelche
gesetzlichen Völkerrechte, was jemand hat oder ist und darf.
Nein, es geht hier vielmehr um die eigene Existenz. Und wenn die
eigene Existenz verlangt zu überleben? Ja dann tritt ein
Gesetz in Kraft, das sich Naturgesetz nennt. Der Stärkere möge
überleben und seinen Fortbestand im unendlichen Mosaik des
Universums sichern. Zudem darfst du auch nicht vergessen, dass bis
jetzt niemand zu Schaden kam, nicht an Leib und auch nicht an seiner
Seele.«
Von einem Augenblick auf den anderen
unterbrach Lyr seine Rede und bekam nun ein so merkwürdiges
Glitzern in seinen Augen. Und wieder einmal leuchteten seine Augen,
die sich in einem Azurblau wiederfanden. Dann fuhr Lyr in seiner
Rede wieder fort, so schien es zumindest.
»Ja, es geht
ums Überleben, dennoch können wir euch gut verstehen.
Eines jedoch seid euch gewiss: Eure Rasse, also eure
Spezies, würde auch nicht anders handeln, wenn es ums eigene
Überleben ginge. Man sah es auf eurem Planeten in Form der so
vielen Kriege, in denen ihr eure eigene Rasse in Blut ertränktet,
ins eigene Blut. Genau wie bei Euresgleichen zählt hierbei
nur einzig und alleine das Recht des Stärkeren. Es sind eure
eigenen Gesetze, die ich als Beispiel aufzähle. Und aus jedem
Krieg sollten Völker lernen, doch die eure tut es nicht. Ihr
mordet euch, ja ihr rafft euch im Namen der Macht, des Besitztums
und der Anerkennung gnadenlos dahin. Ihr liebt nur euch selbst und
tretet die liebe und Achtung in euch, die ihr euch geben solltet,
mit Füßen. Und anschließend rechtfertigt ihr euer
Handeln und Tun mit dem Namen Gesetz. Mag sein, dass mein Denken
und Handeln euch beiden nicht gefallen wird, doch gebt und sucht
nicht die Schuld bei irgend einem einzelnen Individuum, nein es
ist vielmehr euer fehlerhaftes und noch sehr wildes kollektives
Denken und Massenverhalten, was euch blind vor dem wahrhaften
Glück der geistigen Verschmelzung macht. Macht euch, so ist
es mein wohlwollender Wille, um die euren, die sich bald zu euch
gesellen werden, keine Sorgen. Sie werden, und das genau wie ihr, heil und
gesund wieder nach Hause zu ihren Liebsten, ja zurück auf euren
Planeten heimkeheren. So lebt denn wohl, bis wir unsere Herzen und
den Geist und die Seele als Brüder und Schwestern vereinen
werden.«
Norman und Katja fühlten sich innerlich
beschämt. Sie begriffen, dass sehr viele wahre Worte gesprochen
wurden. Und instinktiv spürten sie, dass diese Worte nicht von
Lyr dem Androiden kommen konnten. Doch wer war dieser jemand, der
anscheinend durch Lyr sprach?
»Lyr, das warst doch nicht du, der da
gerade gesprochen hat, oder?«, fragte Norman beherzt nach.
»Ja genau, ich möchte auch wissen,
wer das war!«, trug Katja wortlaut bei.
»Ihr habt Recht, es war nicht meine
Wenigkeit, sondern unser Heiliger Xarmax, der durch mich sprach.«,
bejahte Lyr.
»Und was ist mit dir, Lyr?«
»Was meinst du, Norman?«, fragte
Lyr nach.
»Ich würde zu gerne wissen, was du
darüber denkst, Lyr?« Norman gab nicht auf.
»Es steht mir nicht zu, über den
heiligen Xarmax zu urteilen.«
»Aber nicht doch, Lyr, Norman meinte
nicht den Heiligen Xarmax, sondern was du über den Beschluss
des Hohen Rates denkst?«, stocherte Katja eifrig nach.
»Nun, ich finde es genau wie ihr
bedauerlich, diese Maßnahmen ergreifen zu müssen.«
»Ach, du willst wohl euer Vorhaben
gutheißen?«, konfrontierte Norman nun Lyr.
»Natürlich nicht, ich halte es
vielmehr für unerlässlich. Seht es doch diesmal von einer
ganz anderen Seite: Was würde denn geschehen, wenn die
Machthaber eurer Erde von unserer Existenz erführen? Ich kann
es euch sagen: Früher oder später gelänge es euch
Menschen bis zu uns in unser Sternensystem vorzudringen. Sei es, sie
müssten hierfür extra etwas erfinden, um uns und unserer
Welt habhaft zu werden. Ihr würdet uns früher oder
später in einen Krieg verwickeln wollen, was uns unmöglich
wäre. Wir sind kein Volk der Gewalt. Wir haben nicht gelernt zu
kämpfen und werden es auch niemals.«
»Moment mal, Lyr, noch vor kurzem
sagtest du zu uns, dass wir, die Spezies Mensch, niemals in der Lage
wären eine solche Geschwindigkeit wie ihr sie besitzt zu
mobilisieren, so dass es für uns niemals möglich wäre,
in euer Sternensystem einzudringen. Ich hoffe doch inständig,
dass du mir da Recht gibst?«, forderte Katja.
»Nicht ganz
Katja, nicht ganz. Mit dem Wort niemals war natürlich die
Geschwindigkeit gemeint. Und ich betone nochmals. Es wird euch
Menschen niemals gelingen, sich mit unseren Geschwindigkeiten zu
messen, weil euch die dazu nötige Zeit fehlt. Da die eure
Spezies ihren eigenen Lebensraum, also euren Planeten
vorher schon ausgebeutet und mit größter
Wahrscheinlichkeit selbst vernichtet hat. Doch bis dahin wird es
euch, aber nur vielleicht, gelingen, sich die Quanten-Geschwindigkeit
anzueignen. Mit dieser Geschwindigkeit wäre es euch dann
möglich in sehr kurzer Zeit bis an die Grenzen eures
Sternensystems zu reisen. Folglich, ja mit höchster
Wahrscheinlichkeit, würdet ihr dann unsere Zeitschleife
entdecken. Was das für unsere Spezies bedeuten würde,
könntet ihr beiden euch bestimmt vorstellen.«
Und ob
Norman und Katja sich die daraus entstehenden Folgen ausrechnen
konnten. Sie wussten, dass die Menschen sich die Dogon Untertan
machen würden. Ein ganzes Volk und sein Planet wären
gefährdet. Schon alleine die neuen Ressourcen, die sich dadurch
erschließen ließen, wären für die Rasse Mensch
von unschätzbarem Wert. Gold und Edelsteine, Eisenerze und
neues pechschwarzes Öl würden sie aus den Tiefen des
Planeten Goderijan fördern. Der Mensch würde diesen
Planeten Goderijan wie einen Schweizer Käse durchlöchern,
um an all das Edle an Bodenschätzen zu gelangen, usw. Ein
Leichtes wäre es für den Menschen, sich die Dogon zu
unterjochen. Die so friedfertigen Wesen, die nicht gelernt hatten
zu Kämpen, sich zu verteidigen oder dergleichen. Ja, ihr
Schicksal wäre früher oder später unweigerlich
besiegelt.
»Ja, aber Lyr, glaubst du denn wirklich,
dass alle Menschen so bösartig und machtgierig sind?«,
fragte Norman erschüttert.
»Nein, natürlich nicht. Dennoch
würdet ihr das tun, und das ohne Rücksicht auf Verluste,
wofür jeder einzelne von euch geboren wurde, wofür jede
Spezies geboren wurde.«
»Und wofür wurden wir Menschen denn
nach deiner Meinung geboren?«, fragte Norman jetzt neugierig
geworden.
»Wofür, fragst du mich, Norman? Na,
um sich fortzupflanzen, sich zu vermehren natürlich.«,
kam energisch von Lyr als Antwort.
Aber glaubst du denn nicht auch, dass wir
Menschen uns verändern könnten. Ich meine, wir sollten uns
trotzdem nicht aufgeben und die Hoffnung nicht verlieren, uns
verändern zu können. Nicht nur für uns allein, nein
auch für die zukünftig erschlossenen Planeten. Ich
meine der erste Planet, den wir zerstörten, sollte uns doch eine
Lehre sein, oder Lyr?«, eine sehr kluge Frage die da Norman
stellte.
»Sicherlich,
Norman. Überleg doch mal, und versuch dabei realistisch zu
bleiben! Stell dir einmal vor, wir Dogon würden euch gestatten,
mit uns zu leben. Quasi ein friedvolles Miteinander auf unserem
Planeten Goderijan, ja. Was glaubt ihr, wie lange würde es
dauern, bis sich einige von euch nach neuen Machtpositionen
sehnen würden und folglich erschleichen, ergaunern oder
erkämpfen werden. Na? Es ist doch erwiesen, dass es in eurer
Natur liegt, ja, tief in euren Genen verwurzelt, dass ihr euch eure
eigene Welt schafft, nach euren Maßstäben und nach euren
Gedanken und Gefühlen handelt, euch durch euren immerzu und
nicht satt werdenden Forschungs- und Überlebensdrang leiten
und führen ließet. Was am Ende dazu führen würde,
dass ihr eure Umgebung wieder einmal nach euerem Ermessen formen
und bewirtschaften würdet. Ja, grenzenloser Raubbau an den
natürlichen Ressourcen unseres Planeten Goderijan wäre die
Folge. Fürchten müssten wir Dogon uns vor eurer schier
grenzenlosen Gier nach Macht und Reichtum. Neue Krankheiten würdet
ihr auf unserem Planeten einschleppen, usw. Oder, was habt ihr als
Verteidigung eures Menschengeschlechts vorzubringen?«
Lyr konnte sich kaum beruhigen.
»Verteidigung? Keine.«, äußerte
sich Katja und guckte beschämt zu Norman rüber, der sich
längst mit seinem Blick abwandte, denn sie konnten dem nichts
zur Verteidigung hinzufügen.
»Ja ja, lange hatten wir Zeit, euch
Menschen zu beobachten. Euren Fortschritt zu verfolgen. Doch wie
schon unser Heiliger Xarmax sagte, es befindet sich noch ein
vielversprechendes Leuchten in euren Herzen.
»Lyr, ich hätte da noch eine Frage
an dich, wenn du gestattest.«, fragte Katja.
»Gerne werde ich dir deine Fragen
beantworten, Katja.«, entgegnete Lyr.«
»Du sagtest doch, dass ein Teil eurer Crew, also
eine Expedition, zurück zur Erde reisen wird, das stimmt doch,
oder, Lyr?«
»Das stimmt bis aufs I-Tüpfelchen,
so gedenkt ihr Menschen doch zu sagen, Katja?«
»Ja, wird die Crew denn genauso lange
unterwegs sein wie ich und Norman?
»Gewiss doch, Katja. Wir bleiben mit
unserem Raumschiff in Wartestellung, während die Crew zur Erde
reist.«, kam von Lyr zur Antwort.
»Tja, dann möchte ich doch mal
wissen, ob wir auf diese Herrschaften, die ihr, wie ihr so schön
zu sagen pflegtet, in Gewahrsam nehmt, ich meine, ob wir wiederum fünfzehn
Jahre auf sie warten müssen?«, wollte Katja noch wissen.
»Nun, abgesehen von der kleinen Reise in
den Luftblasen habt ihr sowieso von den 15 Jahren nicht viel
mitbekommen, oder? Wir werden den Vorgang nur wiederholen, und wenn
ihr in den Schlafkammern wieder erwacht, sind euresgleichen, also
die Neuankömmlinge schon längst an Bord des Raumschiffes.
Wie schon einmal erklärt werden wir uns wieder der
Zeitschleife bedienen.«, kam ganz gelassen von Lyr rüber.
»Die Zeit scheint für euer Volk
wirklich keine Rolle zu spielen.«, bemerkte noch Stephan, nebenbei,
wobei sich nun auf seiner Stirn Sorgenfalten zeichneten.
»Ich hoffe inständig, dass ihr
nicht vorhabt, euch zu weigern?«, erkundigte sich Lyr.
»Nein, Lyr, natürlich nicht, doch du
solltest wissen, dass mir das überhaupt nicht passt, mich wieder
einmal in dieses Scheißding, das ihr Schlafkammer nennt, zu
legen. Ich glaube, dass sich da Norman mir anschließen wird,
nicht wahr?«, guckte Katja zu Norman.
»Du sagst es, Katja, du sagst es. Gab
Norman Schützenhilfe.
»Aber aber, meine Lieben, es ist, wie ihr
längst wisst, ganz und gar ungefährlich. Es lässt sich
nun mal nicht vermeiden. Diese Handlung ist notwendig, dabei sparen
wir viele Resourcen auf dem Raumschiff. Also solltet ihr das Beste
daraus machen.«
Norman und Katja sahen sich an, als hätten
sie vor, mal wieder einen Streich zu spielen.
»Was ist, was habt ihr beiden denn wieder vor?«, erkundigte sich Lyr.
»Wir? Nichts, wie kommst du denn darauf, Lyr?«, warf Norman ein.
»Nun, euer Gesichtsausdruck deutete
darauf hin, dass ihr etwas in Planung habt.«, stocherte Lyr
nach. Doch diesmal täuschte sich Lyr gewaltig. Die beiden
guckten nur etwas genervt. So langsam aber sicher wurde es für
Norman und Katja viel zu viel des Guten. Sie verspürten immer
mehr den inneren Druck des Heimwehs. In beiden schlich sich das
Gefühl der Leere ein und beide wollten wieder nach Hause. Doch
keiner von beiden sprach diese Sehnsucht aus. sie verstanden es
geschickt, diesen Wunsch zu verbergen. Und sie begriffen, dass sie
nicht so mir nichts, dir nichts einfach zur Tür heraus
spazieren konnten, um wegzulaufen. Schließlich befanden sich
beide Millionen von Lichtjahren von ihrem ach so geliebten
Heimatplaneten entfernt.
»Und wann kann es losgehen, Lyr?«,
überzeugte sich Norman vorerst.
»Also, der Rat hat beschlossen, dass wir
gleich nach Abreise der Expedition in die Schlafkammern gehen
sollen, das wäre dann morgen früh so gegen 8 Uhr. Wie ihr
seht, bleibt euch genug Vorbereitung übrig, um euch rechtzeitig
in den Schlafkammern einzufinden.«, beendete Lyr seine Ansage.
»Unser Lyr, wie immer ist er uns einen
Schritt voraus.«, meckerte Katja etwas.
»Norman, weißt du was, ich gehe jetzt in
den Spielraum und versuche, meinen Frust an diesen Automaten
auszulassen. Kommst du mit?«
»Das ist eine ausgezeichnete Idee, Katja?«
»Na dann, lass uns gehen.«
Dann ging Norman mit Katja aus ihrem Quartier
heraus in Richtung Fahrstuhl, um in den Spielraum
zu gelangen. Sie gingen dabei an Lyr vorbei, als wäre er überhaupt
nicht da, als existiere er überhaupt nicht. Natürlich
taten die beiden das nur, um ihn ein wenig zu ärgern. Was
durchaus gelang.
»He, ihr beiden, und was ist mit mir, darf
ich denn nicht mitkommen? Fragt mich denn hier keiner? Na ja, den
beiden mangelt es noch an Höflichkeit.«, nörgelte
Lyr sich abgestellt fühlend weiter. Es war für Lyr nicht
einfach, seine Aufgabe zu erfüllen, um Norman und Katja bei
Laune zu halten, ja, ihnen stets in ihrem Tun und Handeln immer
einen Schritt voraus zu sein. Zudem ihren Launen und voreiligen
Handlungen mit Höflichkeit zu begegnen. Doch er war für
seine Aufgabe bereit und bestens Programmiert.
Kapitel 11, In einer anderen Realität
Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer
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