Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 7

Der Todesschlaf



Wie wir wissen, saßen Norman und Katja mit den Dogon zusammen, um diesem Volk einen Einblick in ihre Welt zu geben. Viele Stunden gingen bei ihren Schilderungen vorbei, bis sie jäh aus ihren Gesprächen mit den Dogon unterbrochen wurden. Ein tiefer, markerschütternder Ton heulte plötzlich auf. Schweigend und ohne jedes Wort standen im nächsten Augenblick alle Dogon auf und verließen im Nu den Saal. Norman und Katja saßen noch auf ihren Stühlen und guckten sich fragend und erstaunt an. Nur Lyr, ihr ständiger Begleiter, blieb an Normans und Katjas Seite.

»Lyr, was ist denn jetzt los?«, fragte Norman nach.

Macht euch keine Sorgen, dies ist nur das Signal, dass sich alle hier an Bord in die Schlafkammern begeben müssen.«, entgegnete Lyr mit beruhigender Stimme.

»In die Schlafkammern? Was für Schlafkammern, Lyr? Ja müssen denn alle wie kleine Babys rechtzeitig zu Bett gehen?«,fragte Katja eindringlich.

»Aber nein, das hat doch nichts mit dem sonst normalen nächtlichem Ruhen zu tun, meine Liebe. Es ist vielmehr eine Art künstlicher Schlaf.«

Auch Norman sah man an, dass er nicht gerade begeistert von der neuen Order durch diesen Ton war. Er kam sich vor, als säße er noch in der Schule, alsdort der Unterricht und die Pausen durch einen Ton bekundet wurden. Nun packte auch Norman die Neugier.

»Ja, Lyr, erkläre uns doch bitte, was es mit diesen Schlafkammern und dem künstlichen Schlaf auf sich hat.«

»Nun gut, wie ihr wünscht. Als erstes musstet ihr in die Regenerationskammer um euch auf die enorme Geschwindigkeit einzustellen. Obwohl es im Weltraum keine Reibung gibt, so besteht doch die absolute Tatsache, dass sich durch diese überdimensionale Geschwindigkeit eure und unsere Atome in euren Zellen radikal verändern würden. Und das in einem Maße, dass ihr, ja wir alle, auf die Dauer ernsthafte gesundheitliche Schwierigkeiten bekämen.«

»Ja, aber Lyr, was hat den das mit den sogenanten Schlafkammern zu tun?«, unterbrach Norman.

»Geduld, meine Freunde, Geduld, das hat sehr wohl mit den Schlafkammern zu tun. Wie ihr bereits wisst, sind wir Dogon eurer Zivilisation um eine sehr lange Zeit voraus, nicht nur in eurem Denken und Handeln, nein, auch in der Forschung und der Technik. Wir sind seit sehr langer Zeit in der Lage, Geschwindigkeiten weit über der Lichtgeschwindigkeit zu erreichen. Doch der Raum in dem wir uns bewegen ist unendlich, und unser Heimatplanet Goderijan ist so weit entfernt, dass wir trotz der enormen Geschwindigkeiten, die uns zur Verfügung stehen, tausende von Jahren in eurer Zeitrechnung bräuchten, um zu unserem Sonnensystem zu gelangen. Darum haben wir eine Möglichkeit entwickelt, um uns in eine Art Todesschlaf zu versetzen und mit unseren Raumschiff in eine Art Raumzeitschleife einzudringen. So verkürzen wir die Reisezeit bis auf ein Jahr, nach eurer Zeitrechnung. In dieser Zeit braucht dieser Körper, der sich in diesem, sagen wir einmal künstlichen Tod befindet, keinerlei Nahrung oder sonst irgendwelche körperliche Energien. Eure und unsere Körper bekommen und brauchen nur ein Minimum an für den Körper dringend benötigte Stoffe. In diese Todes-Schlafkammern müssen sich alle begeben und werden erst wieder aufwachen, wenn sich das Raumschiff im Orbit vor unserem Planten Goderijan befindet.«

Obwohl Lyr kein richtiges Lebewesen war, sondern aus künstlicher Form bestand, fiel Norman und Katja auf, dass sich Lyr der Androide sehr stolz in seiner Erzählung und Präsentation gab.

»Ach so, Lyr, jetzt begreife ich, bei uns zuhause träumen wir Menschen schon längere Zeit davon, uns für einige Jahre oder gar noch länger, in eine Art künstlichen Schlaf versetzten zu können. Einige lassen sich sogar bei uns einfrieren. Das sind meistens Menschen, die unheilbar erkrankt und dem Tode geweiht waren. Als sie dann starben ließen sie sich einfrieren. Diese armen Menschen trugen die Hoffnung in sich, die Hoffnung, dass die Wissenschaft eines Tages so weit in der Medizin ist, sie wieder aufzutauen und die jeweilige Krankheit zu heilen.«, gab Norman als Erwiderung von sich.

»Diese Versuche, die ihr auf eurem Planeten tätigt, sind uns wohl bekannt.«, äußerte Lyr leicht ironisch.

»Weißt du, Lyr, es ist nicht das einzige Problem das wir haben. Mit den unendlichen Weiten in anderen Galaxien haben wir sehr große Schwierigkeiten in unserer Raumfahrt-Technik drei große Probleme die wir seit Jahrzehnten zu lösen versuchen. Zum einen suchen wir einen Weg, eine künstliche Schwerkraft auf unseren Raumschiffen, so wie sie hier herrscht, herzustellen. Zum zweiten, Energien zu finden, die es uns ermöglichen, mindestens mit Lichtgeschwindigkeit zu fliegen. Und zum dritten, eine eurer Techniken zu besitzen, die in der Lage ist, künstlichen Schlaf zu erzeugen und das ohne jahrelang Nahrung aufnehmen zu müssen. So könnten wir unsere Astronauten in entferntesten Sonnensystemen schicken.«

Lyr horchte gespannt und mit einem Entzücken auf seinen Lippen zu.

»Ganz ohne Zweifel seid ihr Menschen, sagen wir, eine recht interessante Spezies. Ich bin mir sicher, dass ihr in ferner Zeit auch diese technischen Probleme beseitigen werdet. Dennoch könnten wir euch in euerem derzeitigen Stadium mit unserem Fortschritt, Techniken oder Errungenschaften nicht dienlich sein. Ihr seid noch zu unerfahren, leichtsinnig und zudem auch zu aggressiv, um sich solcher Mittel zu bedienen.«

Als Norman dies hörte, war er doch sichtlich etwas enttäuscht, denn er dachte sich, dass er und Katja ein paar Geheimnissen als Geschenk von den Dogon mit in ihre Welt nehmen könnten. Und selbst Katja fühlte sich ein bisschen in ihrer Spezies entehrt.

»Aber Lyr, wir dachten, dass wir vielleicht ein paar von euren Erfindungen zu unserem Heimatplaneten mitnehmen könnten, wenn wir wieder nach Hause kommen.«, äußerte sich Norman etwas enttäuscht und auch Katja setzte zu einem Kopfschütteln an.

»Ich kann euch gut verstehen, dennoch haben wir es zu unserem Gesetz gemacht, in fernen fremden Welten, in denen sich lebende Intelligenz entwickelt oder schon fortschrittliche, so wie ihr Menschen es seid, uns niemals in ihre Kultur oder gar in ihrem Schaffen einzumischen oder durch und mit unserer Intelligenz zu verändern. Ihr müsst mit der Zeit und der damit verbundenen Errungenschaften Reifen.«

»Aber was wäre denn so schlimm daran, wenn wir Menschen durch eine eurer Erfindungen unser Leben etwas erleichtern könnten.«

Lyr sah mit seinen leuchtenden Augen zu Norman und Katja und war sichtlich begeistert, als wollte er sagen, meine Güte, seid ihr zwei hartnäckig.

»Auch dies kann ich begründen. Stellt euch einmal vor, wir wären tatsächlich bereit, euch und eurer Zivilisation ein Geschenk aus unserer Raumfahrttechnik zu machen. Und, sagen wir einmal, jeder mächtigste Mann in euren Ländern auf eurer Welt, dürfte sich eine Erfindung, und das egal welche, auswählen. Was glaubt ihr beide, würden diese mächtigen Männer wählen? Und was noch viel entscheidender ist, was würden sie damit tun?«

Plötzlich fiel es den beiden "wie Schuppen vom Kopf". Für Norman und Katja bedurfte es keiner Worte mehr. Beide spürten instinktiv, dass diese mächtigen Männer in ihrer Welt diese neue Errungenschaft missbrauchen würden.

»So, ich hoffe, ich konnte eure Neugier ein wenig stillen. Doch es ist Zeit, ich führe euch nun in eine der Schlafkammern.«

Lyr bemerkte, dass Normans Gesicht sich zu einer Sorgenfalte verzog.

»Norman, irgendetwas bedrückt dich doch.«

»Nein, oder doch, ja, mich bedrückt tatsächlich etwas.«

»Darf ich fragen, was dir Sorgen bereitet?«, stocherte Lyr etwas nach.

»Warum sprichst du vom Tod, wenn es um die Schlafkammern geht?«

Eine berechtigte Frage, die Norman seinem Androiden-Freund stellte. Und man merkte Lyr sichtlich an, dass er durch diese Frage Norman bewunderte.

»Weil jedes einzelne Individuum, das sich in dieser Schlafkammer aufhält, in eine Art Todesschlaf versetzt wird.«

Norman und Katja wurden kreidebleich.

»Was, wir und all die anderen werden dort tot sein, so richtig tot?«

»Ja, genau das trifft zu.«

»Und warum nennt ihr diese Räume dann Schlafkammern?«, fauchte Katja mit lauter und erregter Stimme Lyr an.

»Weil ihr ja wieder aufwachen werdet.« Aber in biologischer Form seid ihr während dieser Zeit vollkommen tot. Kein Herz wird mehr schlagen, kein Atem wird aus eurer Lunge mehr kommen und kein Blut wird für diese Zeit mehr in euren Adern fließen. Das sollte euch keine Sorgen bereiten. Ihr werdet unbeschadet wieder aufwachen wie all die anderen auch.«

Norman und Katja fühlten sich bei dem Gedanken, in Kürze für eine gewisse Zeit tot zu sein, gar nicht wohl. Ja, beide verspürten in ihrer Magengegend ein unbehagliches und beklemmendes Gefühl, so dass eine bestimmte Frage nicht lange auf sich warten ließ:

»Lyr? Noch eine letzte Frage bitte.«

»Gut, Norman, aber es wird nun höchste Zeit.«

»Gab es in euren Schlafkammern schon einmal einen Unfall? Ich meine, bis jetzt ist doch jeder wieder erwacht, oder?«

Lyr konnte Normans Sorgen gut verstehen und gab deshalb Antwort auf seine Frage.

»Macht euch keinerlei Sorgen. Ich kann euch versichern, dass ihr wohlbehütet wieder aufwachen werdet.«

Norman bekam zwar keine klare Antwort von Lyr dem Androiden, aber dennoch gab er sich mit dieser zufrieden. Dann gingen Norman und Katja gemächlich hinter Lyr her, der schon vorausging. Wieder kamen sie an unzähligen Gängen und leuchtenden Objekten vorbei. Alles schimmerte und glitzerte wie in einem Meer aus Kristallen, wunderbar. Man bekam das Gefühl, als würde dieses Raumschiff lebendig sein. Ein ständiges Pulsieren an den Rundgewölbten Wänden und Decken. Norman und Katja spürten eine wohltuende Wärme, die von den leuchtenden Kristallen ausgingen. Unbeschreiblich, diese Schönheit, die als Ganzes im Inneren aus allen erdenklichen Rundungen der Wände und Decken sich präsentierte. Und das einzigartigste was den beiden auffiel war, dass dieses Raumschiff keine Ecken aufwies, unglaublich, was für eine bauliche Meisterleistung. Keine einzige Ecke oder winkelförmige Strukturen konnten sie ausmachen. Alles war rund und glatt, ein Wunder des Schaffens, eine einzigartige Baukunst. So ging es minutenlang durch unzählige Gänge und Räume, die sich in ihrer Bauweise zu verschmelzen schienen, bis Lyr schließlich vor einem Raum ohne Tor oder Tür, der hellblau pulsierte und schimmerte, stehen blieb.

»So, meine Lieben, tretet hier ein. In diesem Raum befindet sich für jeden von euch eine Art Liege, auf die ihr euch legen müsst. Wenn dies geschehen ist, werdet ihr von einem grünlich schimmernden Licht eingehüllt, das euch eine wohltuende Wärme spendet. Keine Angst, das ist ganz normal. Dann werdet ihr angenehm müde und alsbald einschlafen und sterben. So, noch eine kurze Frage?«

Alles hörte sich für Norman und Katja wunderbar an, bis auf den letzten Satz, den sich Lyr der Androide eigentlich hätte sparen können, was Lyr auch an ihren Blicken sehen konnte. Bemerkenswert, diese Offenheit von Lyr dem Androiden.

»Oh, ich Dummerchen, verzeiht mir. Ihr braucht euch wirklich nicht zu fürchten.«

Norman und Katja sahen sich tief in die Augen und betraten Hand in Hand den bläulich leuchtenden Raum. Ganz langsam und Schritt für Schritt näherten sie sich den besagten Liegen, die fast die gleiche Form aufwiesen, wie die, die sie das erste mal in der Regenerationskammer sahen. An den besagten Liegen angekommen, drehte sich Norman noch einmal nach Lyr um. Doch Lyr war nicht mehr zu sehen.

»Norman, hast du auch so ein komisches Gefühl wie ich?«, fragte Katja sehr verängstigt.

»Tja, Katja, ich kann dich gut verstehen, man stirbt ja nicht alle Tage.«, gab Norman ironisch von sich, was zur Folge hatte, dass sich Katja keineswegs besser fühlte.

»Entschuldige, Katja, war nicht so gemeint. Was soll es, das müssen wir jetzt durchstehen. Ich würde vorschlagen, wir legen uns jetzt einfach und ohne Kompromiss auf die Liegen und fügen uns in unser Schicksal, oder was meinst du?«

Katja gab Norman keine Antwort. Zitternd sah sie ihn mit ihren großen Augen an, als wolle sie ihm auf wiedersehen sagen, vielleicht für immer. Norman spürte Katjas Angst. Dann ging er nochmals auf sie zu und umarmte sie zärtlich.

»Du, Katja, ich glaube nicht, dass sie uns was tun wollen. Dazu hatten sie schon mehrmals Gelegenheit. Zum Beispiel in der Regenerationskammer, oder?«

Obwohl auch Katja Normans Angst deutlich spüren konnte, trösteten Normans Worte sehr. Wie tapfer er doch sein kann, dachte sie sich. Dann ging jeder auf eine der erhöhten Liegen zu, die einem aufgebauten Podest wie einem Sarkophag ähnlich sahen. Fast zeitgleich stiegen sie die fein geschliffenen Stufen empor und legten sich in die ausgehöhlten Ausformungen, die der Form eines Menschen ähnelten. Da lagen sie nun, wartend auf das Unvermeidliche. Ganz still wurde es um die beiden. Nur ein kleines Summen war zu vernehmen, dass sich anhörte, als würde irgend jemand in weiter Ferne seinen Rasen mähen.

»Du, Norman?«, klang Katjas Stimme wie ein Echo durch den Raum.

Norman war erleichtert, Katjas Stimme zu hören.

»Ja, Katja, was ist?«

»Ach, ich wollte mich nur vergewissern, dass es dir gut geht.«

Auch Norman spürte, dass Katja große Angst hatte und nur aus Nervosität Fragen stellte.

»Mach dir keine Sorgen, Katja, es wird schon alles gut werden.«

Dann herrschte außer dem Summen, dass sich wie ein Rasenmäher anhörte, wieder Totenstille in dem Raum. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, begann sich die Decke zu senken, begleitet von einem heulenden Ton, der sich wie eine defekte Kirchenorgel anhörte. Norman hatte das Gefühl, dass er jeden Moment zerquetscht wird. Katja sah, wie sich die Decke immer mehr und mehr herabsenkte, bis sie schließlich die Augen schloss und aus Angst ihren Atem anhielt. Dann beherrschte wieder die Stille den Raum.

»Katja, ist alles in Ordnung?«, fragte Norman ängstlich.

»Ja, Norman, mir geht es gut. Hast du das auch gesehen, wie sich die Decke senkte?«

»Ja Katja, das habe ich sehr wohl. Also weißt du was?«

»Was denn, Norman?«

»Davon hat uns Lyr aber nichts erzählt.«

»Du hast Recht, Norman, davon hat er uns nichts erzählt. Und eines kann ich dir sagen. Wenn wir das heil überstehen, werde ich Lyr ein paar ernsthafte Worte zuflüstern, darauf kannst du dich verlassen.«

»Das hoffe ich inständig, Katja.«

Die beiden versuchten, sich noch eine ganze Weile mit tröstenden Worten zu beruhigen. Doch wie aus heiterem Himmel begann sich, wie von Lyr vorhergesagt, ein grün leuchtender Schimmer auf sie zu legen.

»Norman, spürst du es auch? Norman, es ist wunderbar, ich fühle mich so leicht und frei.

Auch Norman fühlte dieses Glücksgefühl der absoluten Leichtigkeit und des Glücks.

»Ja, Katja es ist phantastisch. Wenn das Sterben ist, dann war es doch töricht, davor Angst zu haben, nicht wahr Katja?«

Doch Katja konnte keine Antwort geben, denn Sie war längst entschlafen und auch Norman erwartete von Katja keine Antwort mehr, auch er schlief nun den Schlaf des Gerechten.


*
 

Wie wir wissen, machte sich Peter Lenz von seiner Agentur mit dem Auto auf den Weg zu Sarah Hübner nach Rednizkleineck. Peter war gerade mal knapp eine Stunde unterwegs, als sein Wagen zu stottern anfing.

»Verdammt noch mal, was ist denn jetzt auf einmal los.«

Noch zog der Wagen und Peter versuchte verzweifelt, ihn in Tempo zu halten, aber dieses Stottern des Motors trat immer öfter und heftiger auf. Bis Peter auf die Tankanzeige starrte und er mit Schreck erkennen musste, dass mit seinem Auto alles in Ordnung war, außer mit der Kleinigkeit, dass der Tank so gut wie leer war.

»Mist, auch das noch, habe ich doch glatt vergessen, den Tank zu füllen. Ausgerechnet jetzt. Was mache ich denn nun. Na ja, noch fährt er ja. Hoffe, es kommt bald eine Tankstelle.«

Peter befand sich mal wieder emotional am Ende. Doch nichts destotrotz folgte schließlich das Unvermeidliche. Der Motor seines Wagens ging aus und Peter ließ noch den Wagen an den Seitenstreifen ausrollen. Und da stand er nun mitten auf der Autobahn auf dem Seitenstreifen.

»Oh Gott, nein, nicht jetzt. Verdammt noch mal, das darf doch alles nicht wahr sein. Was Mach ich denn jetzt?«

Er pochte und klopfte auf sein Lenkrad, als hätte er damit eine Chance, seinen Wagen wieder in Fahrt zu bringen. Doch es half nichts. Schließlich musste er erkennen, dass er damit keinen Erfolg hatte. Ganz still saß er in seinem Wagen und überlegte. Dann fiel es ihm wie "die Schuppen vom Kopf".

»Mann, klar, ich habe ja das Handy. Ich rufe Susanne an, sie soll sofort Gregor beauftragen, mit dem Dienstwagen zu kommen und mir einen Kanister Benzin mitzubringen, das wird dann bis zur nächsten Tankstelle reichen. Und Susanne soll auch bei den Hübners anrufen, dass es etwas später wird. Ja, das ist eine gute Idee.«, gesagt, getan.

Peter wählte auf seinem Handy die Nummer seiner Agentur.

»Agentur Peter Lenz, rätselhafte Phänomene, sie wünschen?«, meldete sich Susanne am anderen Ende der Leitung.

»Ja, Susanne, ich bin es, Peter. Sag jetzt nichts und höre mir nur zu. Ich stecke auf der Autobahn fest. Ich habe keinen Sprit mehr. Du musst Gregor mit einem Kanister voll Benzin zu mir schicken. In Ordnung, hast du das verstanden Susanne?«

»Aber Peter, das ist doch gar nicht nötig...«

Peter ließ Susanne nicht einmal ausreden und fing an, Susanne wieder einmal anzufauchen.

»Wie, das ist nicht nötig, bist du jetzt ganz und gar von Sinnen, Susanne?«, kam entsetzt von Peter rüber.

»Weil du einen Zehn-Liter-Kanister Benzin in deinem Kofferraum liegen hast.«

»Wie, was denn, was habe ich? Wie kommt denn der da rein?«, kam total verwirrt von Peter rüber.

»Peter, was glaubst du, wofür ich von dir bezahlt werde. Es ist nun mal mein Job, an alles zu denken. Und seien es auch die ausgefallensten Dinge. Und da es nicht das erste mal vorkommt, dass du irgendwo in den Pampas steckenbleibst, dachte ich mir, dass ich beim nächsten Tanken so ganz nebenbei einen Kanister voll Benzin in den Kofferraum lege. Hab nur vergessen, es dir zu sagen, außerdem wäre es gerade jetzt ein schlechter Zeitpunkt, Gregor abzuziehen. Er hat einen Kunden an der Strippe.«

»Hoffentlich verquatscht er sich nicht wieder und vergrault uns den Typen. Du kennst unser Genie ja.«

»Aber, aber Chef... Ich meine Peter, Gregor leistet trotzdem gute Arbeit.«

»Das ist mir bekannt und ich möchte ihn auch nicht missen. Ich hoffe, dass du ihm nichts sagst und die Klappe hältst, Susanne?«

» Wie immer, Chef, wie immer.« Peter war entzückt von dieser Nachricht. Was er auch sogleich verkündete.

»Trotzdem bist du ein Schatz, Susanne, was würde ich nur ohne dich anfangen?«

»Eine andere Sekretärin einstellen, so denke ich.« Auf Susannes Gesicht lag ein Schmunzeln.

Es kam nicht oft vor, dass Peter, Susanne lobte. So kam es, dass Susanne diese wörtlichen Gesten förmlich in sich aufsaugte und ihren Fleiß mit einem kleinen Bonbon, die sie in einem Glas auf ihren Schreibtisch aufbewahrte, belohnte.

»Aber nicht doch, Chef, das habe ich doch gerne getan. War es das oder kann ich dir noch einen Gefallen tun?«

»Ja, Susanne, du kannst mir noch einen Gefallen erweisen?«

»Und dass wäre, Chef?«

»Dass du mich nicht immer Chef nennst.«, fauchte er Susanne erneut an. Und beendete das Gespräch.

Dann stieg Peter aus seinem Auto und ging im Sauseschritt nach hinten zum Kofferraum, holte den Benzinkanister heraus und tankte nach.

»So, jetzt kann es wieder losgehen. Mann, das hat mir fast zehn Minuten gekostet, muss schleunigst zur nächsten Tankstelle und dann ab nach Rednizkleineck.«


*
 

Nach dem etwas aufregenden Aufenthalt von Mary Ritley auf den Malediven wissen wir, dass Mary gerade noch rechtzeitig ihren Flug nach München, ihrer Heimatstadt, erreichen konnte.

Mary saß nun mit ihrem Filmmaterial absolut zufrieden und entspannt in der ersten Klasse beim Mittagsessen. Und während sie so aß, dachte sie schon wieder nach, wie sie am besten wieder einen neuen Kunden an Land ziehen konnte. Tja, so war Mary nun einmal. Das, ja genau das machte Mary unverzichtbar für die Agentur.

»Ach ja, endlich bald zuhause. Wenn nun nichts mehr dazwischen kommt, dann bin ich bis spätestens Vierzehn Uhr Fünfundvierzig in der Agentur. Danach nichts als nach Hause und ab unter die Dusche, und dann ins Bett und Schlafen. Ja nichts, als Schlafen.« , dachte sich Mary.


*

Wieder bei den Hübners:
 

Nun da es Sarah und ihrem Vater gelang, die Privatlehrerin geschickt ihre Notlügen unterzujubeln, begann die Zeit des Wartens, bis dieser Peter Lenz um vierzehn Uhr zu Besuch käme. Doch für Sarah galt es noch immer, die restlichen eineinhalb Stunden Unterricht herumzubringen. Und ausgerechnet heute musste Sarah auch noch einen Mathe-Test absolvieren. Sie konnte sich wenigstens etwas mit dem Unterricht ablenken. Doch ihr Vater war das Nervenbündel höchst persönlich. Er rannte oben im ersten Stock in seinem Arbeitszimmer wie Kapitän Ahab - der sehnlichst auf seinen weißen Wal wartete - wie ein besessener hin und her. Dann schrillte eines seiner Telefone.

»Mist, ausgerechnet heute muss ein Kunde anrufen.«

Stephan konnte natürlich jeden Auftrag brauchen, nicht dass er auf jeden angewiesen wäre, denn Kunden hatte er schon genug. Doch heute war es ihm nicht so recht, da er ja diesen Peter Lenz um vierzehn Uhr erwartete. Dazu kam noch diese heikle Sache mit der Katja Moser und die Entdeckung dieses rätselhafte Ereignisses seiner Tochter. Außerdem wollte Stephan endlich die ganze Sache zu einem guten Abschluss für alle Parteien bringen.

Stephan ging und hob den Hörer von der Gabel.

»Ja, Stephan Hübner am Apparat, was kann ich für sie tun?«

»Grüß dich, mein Alter, ich bin es Günter, Günter Henning.«

»Oh, Günter, du, wie geht es dir denn?«

»Danke der Nachfrage, du, Stephan ich ruf wegen der Informationen an, die du unbedingt von mir haben wolltest. Und zwar über diesen Peter Lenz und einer gewissen Katja Moser. Bist du noch immer daran interesSiert?«

»Aber natürlich, Günter. Na, was hast du über die beiden herausbekommen?«

»Also, mein Bester, dann spitz mal schön die Ohren. Nun, über diese Katja Moser gibt es keine besonderen Auffälligkeiten, keine Vorstrafen, ist eine gute Schülerin und lebt bei ihrer Mutter. Ihr Vater kam bei einem Autounfall ums Leben. Geschwister, da hat sie einen Halbbruder.«

»Stephan, was glaubst du, wie ich meine Beziehungen spielen lassen musste. Diese Information war sozusagen geheim. Sie lag bei einem Jugendamt unter Verschluss. Was das heißt, brauche ich dir bestimmt nicht zu sagen, oder?«

»Da ist was dran, Günter.«

»Sag mal, Günter, wie heißt dieser Halbbruder?«

»Äh, einen Moment, muss mal kurz in meinen Notizen gucken - Ah ja, sein Name ist Norman, Norman Wiesener.«

»Du, Günter, die Adresse hast du wohl auch noch oder?«

»Aber klar doch, mein Guter. Weißt du, was, ich faxe sie dir nachher rüber.«

»Aber sicher, Günter. Und was ist nun mit diesem Peter Lenz?«

»Hui, dieser Lenz ist ein ganz schön heißes Eisen.«

»Was meinst du mit heißem Eisen, Günter?«

»Keine Angst, Stephan, nicht im schlechten Sinne. Mit heißem Eisen meine ich prominent.«

»Günter, was meinst du mit prominent?«

»Ja, Stephan, der Mann ist auf der ganzen Welt bekannt. Er forscht über rätselhafte Phänomene, das ist ein waschechter Wissenschaftler für seltsame Ereignisse. Du weißt schon, Ufos und so einen Mist. Sag mal, Stephan, du hast doch mit solchen Leuten nichts am Hut, oder?«

Natürlich konnte Stephan seinem Freund nichts davon erzählen. Also war mal wieder eine Notlüge fällig.

»Quatsch, Günter. Sarah hat da einen Aufsatz im Auftrag von Frau Hansen bekommen, zwecks Geschichtsunterricht.«

»Ach, für Sarah! Grüße meine kleine Sarah von mir, okay Stephan?«

»Klar, Günter, mach ich. Vorbestraft und so ist dieser Lenz wohl nicht?«

»Nein, Stephan, seine Akte ist weiß, weiß wie Schnee.«

»Nun gut, Günter, dann bedanke ich mich bei dir. Hast wieder was gut bei mir.«

»Gut, Stephan, ich werde dich daran erinnern, wenn es soweit ist. Dann mach es gut, mein Alter und halt die Ohren steif.«

»Du auch, Günter, auf bald.« Und Stephan legte den Hörer wieder auf die Telefongabel.

Für Stephan war es beruhigend zu wissen, dass dieser Peter Lenz eine saubere Weste hatte, zumindest vor dem Gesetz, und dass dieser Lenz auch noch eine bekannte Persönlichkeit sein sollte, konnte ja nicht schaden, zumindest sagte es Stephan, dass er auch in der Öffentlichkeit beliebt sein musste. Das war ihm sehr wichtig. Er wollte unbedingt ausschließen, dass seiner Tochter auf irgendeine Art und Weise weh getan wird, sei es körperlich oder gar seelisch. Und wieder ging Stephan in seinem Arbeitszimmer hin und her als hätten sich in seinem Verhalten irgendwelche Störungen eingenistet.

»Mist noch mal.«, nörgelte Stephan im Selbstgespräch vor sich hin.

Dann wieder ein kurzer Blick auf seine Armbanduhr und als nächstes wieder dieser inzwischen gekonnte Gang hin und her.

Und die Zeit verging langsam, aber sie verging.

»Noch eine halbe Stunde, hoffentlich ist dann die Hansen aus dem Hause. Fehlte mir gerade noch, dass die ganze Sache vor ihr auffliegt. Die bringt es fertig und lässt mich doch glatt in die Klapsmühle einweisen. Na ja, eigentlich ist sie ja ganz in Ordnung. Und Sarah mag sie ja sehr und das ist für mich ausschlaggebend. Mann, jetzt führe ich schon Selbstgespräche. Kein Wunder, wenn man auf seine alten Tage noch solche sonderbare Ereignisse miterleben muss. Ich hoffe inständig, dass diese Geschichte ein gutes Happy End für uns hat. Nun gut, am besten wird es sein, ich schaue mal nach Sarah, wie weit sie schon mit ihrer Matheprüfung ist. Dürfte eigentlich nicht mehr lange dauern.«

Dann stieg Stephan langsam auf leisen Sohlen, um eventuell Sarah nicht bei ihrer Prüfung zu stören, die Wendeltreppe hinab und blieb vor Sarahs Zimmer stehen. Stephan wunderte sich, dass er nichts aus ihrem Zimmer hörte und klopfte an.

»Komm doch herein, Papa.« Als Stephan das Zimmer betrat, fiel ihm sofort auf, dass Sarah ganz alleine mit ihrem Fernglas an ihrem Fenster saß und nach etwas Ausschau hielt.

»Hallo Kleines, sag mal, wo ist denn Frau Hansen?«

»Frau Hansen ist schon vor einer Viertel Stunde gegangen, sie hat sich den Einkaufszettel geschnappt und ist auf und davon.«

»Und, Sarah, wie ist die Matheprüfung ausgegangen?«, drängte ihr Vater ungeduldig.

»Die Matheprüfung Papa?«

»Ja, Sarah, die Matheprüfung.«

»Tja, Papa, das weiß ich nicht, das Ergebnis bekomme ich erst übermorgen.«

»Ah ja, nun, ich hoffe, es fällt gut für dich aus. Nicht wahr, Liebes?«

»Mach dir keine Sorgen, Papa, bis jetzt habe ich noch nie bei einer Prüfung schlecht abgeschnitten, wie du sicherlich weißt. Ach, beinahe hätte ich es vergessen, ich soll dich recht schön von Frau Hansen grüßen und sie wünscht dir einen schönen Tag mit mir.«

»Was, was meint sie damit, mit dir?«

Stephan hatte mit seiner Verwunderung gar nicht mal so Unrecht. Denn seit wann wünschte Frau Hansen einen schönen Tag und das auch noch mit seiner Tochter? Er spürte, dass da etwas im Busch lag. Hatte Sarahs Lehrerin womöglich doch noch Lunte gerochen?

»Sag mal, Sarah, glaubst du, dass Frau Hansen etwas von unserer Schwindelei gemerkt hat.«

»Nun, Papa, etwas merkwürdig kam mir ihr Gruß auch vor und was für ein komisches Lächeln sie auf ihre Lippen zauberte, kam mir auch nicht ganz geheuer vor. Na ja, wichtig ist doch, dass wir sie aus dem Haus haben oder was meinst du, Papa?«

»Ja doch, Kleines, du hast Recht. Noch zwanzig Minuten, dann müsste dieser Lenz endlich kommen.«

»Na, hoffentlich kommt er auch.«, fügte Sarah noch hinzu.

»Sag mal, nach was hältst du denn Ausschau?«, fragte ihr Vater sehr neugierig.

»Weißt du, Papa, ich habe doch noch die Hoffnung, dass vielleicht Katja Moser wieder an dieser Sitzbank auftauchen könnte. Währe doch möglich, dass sie da wieder erscheint von wo sie verschwand, oder?«

Sarahs Vater bemerkte sehr wohl, dass sich seine Tochter sehr große Sorgen um dieses verschwundene Mädchen machte und dass sie sich eventuell eine gewisse Mitschuld gab. Hatte sie doch am Anfang nur an sich, an Ruhm und Ehre gedacht.

»Ja, Kleines, könnte schon sein. Doch du solltest aufhören, dir eine gewisse Mitschuld zu geben, es ist schließlich nicht dein Wille gewesen, dass die Katja sich auf die Sitzbank neben dem kleinen Bahnhofshäuschen setzte. Und nicht du hast dieses Mädchen entführt, sondern eine - wie soll ich es nur in Worte fassen - fremde Macht oder fremde Wesen, was auch immer es war. Ich glaube, dass dieses Ereignis auch ohne deine zufällige Beobachtung geschehen wäre. Also, mein Liebling, mach dich nicht verrückt.«

»Ach Papa, sicherlich hast du Recht. Doch ich mache mir trotzdem Vorwürfe, dass ich so eigennützig und egoistisch auf meine Vorteile bedacht war. Stattdessen hätte ich gleich handeln und die Polizei rufen sollen. Wie habe ich reagiert? Ich kann es dir sagen. Die einzige Sorge die ich mir in diesen Moment machte, war, sich ja nicht zu blamieren, sich ja nicht lächerlich zu machen, berühmt und bekannt zu werden. Papa, ich fühle mich so schäbig.«

Stephan sah, wie Sarah kleine Tränchenüber ihre rosa Wangen liefen. Er hatte oft seine Tochter weinen sehen. Aus tausend verschiedenen Gründen, aber niemals sah er eine solche Reinheit und zutiefste Seelenöffnung seiner Tochter, wie in diesem Augenblick. Stephans Herz wurde schwer. Dann ging er auf seiner Tochter zu, kniete sich zu Füßen an ihren Rollstuhl und nahm sie ganz behutsam und schützend in seine Arme. In diesem Moment bedurfte es keinerlei Worte mehr. So verharrten sie einige Momente lang. Bis sie schließlich jäh von der Glocke der Haustür in die Realität zurückgeholt wurden. Fast zeitgleich starrten beide an die Wanduhr in ihrem Zimmer.

»Papa, das muss dieser Lenz sein.«

»Ich denke du hast Recht, Kleines.«

Dann ging Stephan mit eiligen Schritten zur Haustüre und sah erst einmal durch den Türspion.

»Ein Fremder, den ich nicht kenne, das muss er sein!«, dachte sich Stephan und öffnete die Türe. Vor Stephan stand ein sehr fein gekleideter junger und gut aussehender Mann.

»Ja, sie wünschen?«, kam zur Begrüßung als eine Art Test von Stephan zu dem Fremden.

»Ich nehme an, Sie sind Herr Hübner?«

»Ja, da liegen sie richtig.« , entgegnete Stephan etwas ironisch.

»Mein Name ist Peter Lenz, wir haben für heute vierzehn Uhr ein Treffen arrangiert. Verzeihen sie, dass es etwas später wurde, aber ich saß einige Minuten auf der Autobahn fest.«

»Ah ja, richtig. Bitte treten sie doch ein Herr Lenz.«

»Danke, sehr nett von Ihnen.« Dann führte Stephan, diesen Herrn Lenz sofort in Sarahs Zimmer.

»Ah ja, du musst das nette Mädchen Sarah sein.«, bekundete Peter Lenz mit einer Freude und Elan, dass Sarahs Aufregung vor diesem Treffen wie weggeblasen schien. Peter und Sarah sahen sich so entzückt an, dass es Stephan vorkam, als kannten die beiden sich schon seit Jahren.

»Ja, Herr Lenz. Die bin ich. Es freut mich, sie endlich persönlich kennenlernen zu dürfen.«

Stephan war von der feinen Redegewandtheit seiner Tochter sichtlich erstaunt.

»Oh, danke, das gleiche kann ich nur erwidern, junges Fräulein.«

Nach einem Augenblick des Wartens der Drei: »Tja, ich würde vorschlagen, dass wir alle erst einmal ins Wohnzimmer gehen und gemeinsam einen schönen heißen Tee zu uns nehmen. Na, was haltet ihr davon?«, schlug Sarahs Vater vor.

Dann begaben sich alle ins Wohnzimmer, wo Peter Lenz gleich zur eigentlichen Sache kam.

»Nun, Sarah, wie wäre es, wenn du mir dein Erlebnis von vorne an erzählen würdest?«

Sarah sah Peter Lenz etwas verlegen an. Man spürte förmlich, dass es ihr schwer fiel, darüber zu reden. Und somit war es nicht verwunderlich, dass sie bei dem Versuch, ihr Erlebnis zu berichten, das Stottern anfing.

»Äh, ich glaube, Sarah, es wäre das Beste, Herrn Lenz erst einmal das Videoband vorzuführen. Wie findest du meinen Vorschlag, Kleines?«

Sarah war sichtlich froh über ihres Vaters Vorschlag, immerhin wurde damit diese für Sarah peinliche Situation entschärft.

Man konnte das Strahlen von Peters Gesicht ablesen als Sarahs Vater die Videokassette aus ihrem Versteck in ihrem Zimmer holte. Dann schob Stephan die Kassette in den Videorecorder. Als nächstes spulte er gleich an die Stelle, wo dieses Wesen auftauchte und anschließend das arme Mädchen Katja Moser in die Höhe schwebte und anschließend ins Nichts verschwand. Während Peter sich dieses Ereignis ansah, wurde er genauestens von Stephan und Sarah beobachtet. Als Peter das sah, wurde er kreidebleich.

»Na, Herr Lenz, was sagen sie dazu?«

Peter drehte sich zu Sarah und sah sie schweigend und mit weit aufgerissenen starren Augen an, als könnte er nicht einmal bis drei zählen.

»Herr Lenz, geht es Ihnen nicht gut?«, drängte Sarahs Vater abermals.

»Wie, was? Ach ja, also wenn das keine Fälschung ist, Herr Hübner, dann ist das das Einzigartigste was ich je in meiner gesamten beruflichen Laufbahn gesehen habe. Unglaublich!«

Peter Lenz war so begeistert, dass seine Knie anfingen zu zittern und er einen kräftigen Schluck Tee aus seiner Tasse nehmen musste.

»Ja, Herr Lenz, Sie können es ruhig glauben, alles was sie auf dem Video sehen, hat meine Tochter aus ihrem Fenster mit meiner Kamera gefilmt. Aber machen sie sich nicht so viele Gedanken, mir hat es genauso die Sprache verschlagen, als ich mir das erste mal das Video ansah.«

»Ach, Sie waren gar nicht dabei, als ihre Tochter das Ereignis aufzeichnete?«

»Nein, natürlich nicht, wieso fragen sie mich das, Herr Lenz?«

Ein kleiner misstrauischer Blick von Peter Lenz machte doch Sarah und ihren Vater ein bisschen nachdenklich.

»Wieso, sie glauben doch nicht, dass meine Tochter eine Lügnerin oder gar Hochstaplerin ist. Wie hätte sie denn das managen können.«, äußerte sich lautstark Sarahs Vater.

»Aber nicht doch, Herr Hübner, davon kann doch gar keine Rede sein. Ich meine, es wäre durchaus von Vorteil gewesen, wenn ein Erwachsener dieses, na ja, sagen wir einmal Wunder, miterlebt hätte. Sie müssen wissen, dass man Kindern eine sehr starke Phantasie nachsagt.«

»Aber das Video, ist denn das nicht genug Beweis?«, hakte Sarah nach.

»Doch doch, für uns ja, aber für die Öffentlichkeit. Es wird schwieriger sein, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen.«

»Jetzt machen sie mal halb lang, es geht uns nicht um die Öffentlichkeit. Vielmehr erhofften wir uns, dass sie uns in dieser prekären Lage helfen würden. Sie sind doch der Fachmann für außergewöhnliche Fälle oder täusche ich mich da, Herr Lenz?«, fauchte gekonnt Stephan seinen Gesprächskontrahenten an.

»Sicherlich, aber wie dachten Sie, könnte ich Ihnen helfen. Das einzige, was ich tun kann, ist, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass es sich hier um ein echtes Phänomen handelt.«

Stephan und seine Tochter fühlten sich sichtlich enttäuscht. Sie hatten sich mehr von diesem Lenz erhofft, viel mehr.

»Und was wird nun aus der Katja Moser?« Eine durchaus berechtigte Frage von Sarah, die Sie Peter Lenz stellte.

»Woher soll ich denn das wissen, ich bin doch kein Hellseher. Ja, was habt ihr euch denn vorgestellt? Dachtet ihr, ich komme zu euch, knipse mit dem Finger und, schwups, ist diese Katja wieder da?«

Nach diesen Worten reichte es Stephan und Sarah. Sie bereuten es jetzt schon, Peter Lenz davon berichtet zu haben.

»Also, Herr Lenz, es ist besser, wenn Sie jetzt gehen.« Peter Lenz begriff jetzt gar nichts mehr.

»Was habt ihr denn so plötzlich.«

»Sie sind unhöflich und ein Flegel. Außerdem, wer hat Ihnen überhaupt erlaubt, uns zu duzen. Ich bitte Sie das letzte mal, uns jetzt zu verlassen. Es tut uns leid. Wir haben uns geirrt, Sie sind doch nicht der Richtige dafür.«

Peter bemerkte, dass er mit seiner Einschüchterungstaktik, um sich das Videoband für einen Spottpreis zu angeln, zu weit ging.

Natürlich glaubte er, was er da sah. Dafür hatte er ein Auge. Nur hatte er nicht damit gerechnet, dass es den Hübners gar nicht ums Geld und Ansehen ging, sondern wirklich nur um dieses verschwundene Mädchen Katja Moser. Und jetzt, wo er diese Familie verärgert hatte, wird wohl heute nichts mehr daraus und Peter beschloss, zu gehen, so wie es die Hübners verlangten.

»Natürlich werde ich gehen, wenn Sie es wünschen. Aber ich möchte ihnen noch eines vorweg sagen: Ungeachtet dessen was sie jetzt von mir denken. Ohne mich und einen Cocktail namens Öffentlichkeit und gewisse Verbindungen, die nur ich habe, werden sie der Katja Moser nicht helfen können. Trotz alledem möchte ich mich für meine Unhöflichkeit entschuldigen. Und noch etwas, sollten sie es sich anders überlegen und mich doch noch brauchen, also ernsthaft meine Hilfe benötigen, dann rufen sie mich in meiner Agentur an. Hier, ich lasse Ihnen meine Karte da. Und danke für die Einladung. Es war sehr nett bei euch und danke für den Tee. Also, dann geh ich mal. Auf Wiedersehen und einen schönen Tag wünsche ich.«

So sehr auch Peter Lenz nun schleimte, eine Antwort bekam er von Sarah und ihrem Vater nicht mehr. Dann ging Peter Lenz Richtung Ausgangstüre und verließ das Haus der Hübners.

»Verdammt noch mal, das darf doch alles nicht wahr sein. Ich könnte mich selbst ohrfeigen. Da bin ich das erste mal einem wirklichen und hundertprozentig nachweisbaren Phänomen so nah und was mach ich Trottel, ich versaue mir das Geschäft meines Lebens. Mist noch mal, das wäre Mary nicht passiert!«, fluchte Peter im Selbstgespräch auf dem Weg zu seinem Auto. Da saß er nun in seinem Auto und ärgerte sich noch immer über sich selbst. Peter überlegte, ob er nicht doch zurückgehen sollte, um die Hübners von seiner Idee, mit dem Material an die Öffentlichkeit zu gehen, überzeugen sollte. Aber instinktiv wusste er, dass dieses Vorhaben von vorne herein zum Scheitern verurteilt war. Jedenfalls für heute. Dann beschloss Peter, nach München zurückzukehren. Und fuhr los.

Im Hause der Hübners:

»Und, Papa, ist er endlich weg?«

»Ja, Kleines, fürs erste.« Sarah sah ihren Vater erstaunt an.

»Papa, was meinst du mit 'fürs erste'.«

»Weißt du, Sarah, ich habe so das dumpfe Gefühl, dass wir den so schnell nicht wieder loswerden.«

»Meinst du wirklich, Papa?«

»Ja, Sarah, der hat, wie man so schön sagt, Blut geleckt. Ich glaube, diesen Geldhai um Hilfe zu bitten, war ein Riesenfehler von uns. Weißt du, das ist ein eiskalter Geschäftsmann, der wird nicht eher Ruhe geben, bis er den Film hat. Selbst wenn wir das Video jetzt zerstören würden, würde er es uns niemals glauben. Also bleibt uns im Endeffekt nichts anderes übrig, als auf das Video so sehr aufzupassen, als hinge unser Leben davon ab. Hast du das verstanden, Sarah?«

Sarah bemerkte am Gesichtsausdruck ihres Vaters, dass es ihm todernst war und dass er sich ernsthafte Sorgen machte.

»Keine Sorge, Papa, ich werde schon auf die Kassette aufpassen und vor allem auf mich, in Ordnung?«

»Gut Kleines, dann bin ich ja beruhigt. Und tue mir noch ein Gefallen, ja? Ab heute, wenn es klingelt und ich mich im Arbeitzimmer befinde, versuche nicht, die Türe zu öffnen. Du bleibst in deinem Zimmer und verhältst dich absolut ruhig. Bis ich unten bin und selbst nachsehe, wer da vor unserer Haustüre steht. Und gehe dabei nicht so dicht ans Fenster. Okay, Sarah?«

»Klar, Papa, ist gebongt. Kannst dich ruhig auf mich verlassen.«

Stephan bemerkte, dass Sarah noch etwas auf dem Herzen hatte.

»Ist noch was, Sarah?«

Sie runzelte ihre Stirn und kaute dabei an ihren Fingernägeln, als erwartete sie, dass ihr Vater Gedanken lesen konnte. Doch schließlich!

»Es mag sich jetzt vielleicht ein bisschen sonderbar anhören und bestimmt hast du Recht. Dass dieser Lenz ein Scheißkerl und geldgieriger Geschäftsmann ist, glaube ich auch. Doch mein Gefühl sagt mir, dass er vielleicht doch Recht hat. Ich meine, wie sonst sollten wir der Katja helfen, wenn nicht durch professionelle Hilfe.«

Sarahs Vater sah sie kurz an und ging wortlos ins Wohnzimmer an die Bar, mixte sich ein Getränk aus Cola und Weinbrand, sank in den hinter sich stehenden Sessel und schmollte. Und während er sein Getränk genoss, dachte er an seine Frau. Ja, sie fehlte ihm sehr. Währenddessen saß Sarah wieder einmal mit ihrem Fernglas am Fenster. Noch immer hatte sie die Hoffnung nicht aufgegeben, dass vielleicht diese Katja Moser doch wieder an dieser kleinen Sitzbank vor dem Bahnhofshäuschen auftauchen könnte. Dann legte Sarah das Fernglas beiseite und führ mit ihren Rollstuhl etwa zwei Meter zu ihrem Schreibtisch, öffnete die Lade und holte ihr Tagebuch heraus. Dann begann sie das Erlebte niederzuschreiben.


*
 

Mary Ritley saß längst im Taxi. Und als sie so im Taxi während der Fahrt in Richtung Agentur aus dem Fenster schaute, gab sie ein zufriedenes Lächeln zu ihrem Besten. Sogar dem Taxifahrer, der ab und zu in den Rückspiegel zu ihr nach hinten sah, lächelte mit, ohne zu wissen warum. Kein Wunder, denn Mary war zu Hause. Zu Hause in ihrer Lieblingsstadt. Ja, Mary liebte München. Dies war der Ort, an dem sie sich am wohlsten fühlte. Und das, obwohl sie gebürtige Amerikanerin war. Hier in München mochte sie einmal beerdigt werden. Noch hinzu kam die Gewissheit und Freude, zwei Ereignisse und einen neuen Kunden an Land gezogen zu haben, den sie auf ihre Agentur-Sponsorenliste setzen konnte. Ein dazu gehörender Vertrag mit diesem neuen und spendablen Kunden krönte und festigte diese neue und außergewöhnliche geschäftliche Beziehung. Noch dazu kommt, dass sie im Vorfeld einen dicken, ja einen besonders fetten Scheck von diesem Kunden für die Agentur in der Tasche hatte. Zum ersten, der neue Kunde, zum zweiten das Phänomen mit der verbrannten Erde unterhalb eines Kreuzes mit Zeugenaussage einer Frau, die an dieser Stelle die Jungfrau Maria erblickte. Und zum dritten dieser kaltblütige Mord in der Empfangshalle ihres Hotels. Und das exklusiv und in voller Länge auf der Kamera. Obwohl dieser Aufenthalt für Mary dieses eine mal sehr gefährlich wurde, war doch der Aufenthalt auf den Malediven von Erfolg gekrönt. Dann hielt das Taxi vor der Agentur.


*

Zur gleichen Zeit in der Agentur, Ruferstr. 16:
 

Susanne war gerade dabei, wieder einmal einen frischen Kaffee für die ganze Belegschaft aufzubrühen, als sie so ganz nebenbei durch das Fenster rechts neben ihr zur Hauptstraßenseite hinaussah. Susanne sah vor ihrer Agentur ein Taxi stehen und eine ihr bekannte Person aussteigen. Dann verschlug es ihr den Atem, als sie diese Person eindeutig identifiziert hatte.

»Wau, das ist ja Mary.«, stellte Susanne mit Freude fest.

Dann rannte Susanne wie ein geölter Blitz in Gregors Büro, um diese freudige Botschaft zu verkünden, noch bevor Mary in der Agentur war.

»Gregor, Gregor!«, schrie sie in sein Büro hinein, dass Gregor, der gerade einen Schluck aus seiner Kaffeetasse machte, sich verschluckte.

»Verdammt, Susanne, musst du mich denn so erschrecken. Was ist denn geschehen?«

»Entschuldige bitte, aber rate mal, wer jeden Augenblick zur Türe hereinkommen wird?«

Gregor starrte Susanne axelzuckend an.

»Wer denn?«

Gerade als Susanne Marys Namen aussprechen wollten, kam schon eine Antwort. Ich, ihr Lieben, strahlte Mary die beiden an.

Alsgleich umarmten sie sich gegenseitig. Die Freude war natürlich sehr groß.

»Na, ihr beiden, wie ist es euch während meiner Abwesenheit so ergangen?«, erkundigte sich Mary neugierig.

»Oh Mary, frag lieber nicht.«, erwiderte Gregor, der dabei eine Miene zog, die nichts Schönes zu hoffen ließ.

»Wieso, was ist denn geschehen?« , stocherte Mary drängend nach.

»Ach, du kennst doch Peter. Er ist ein richtiges Nervenbündel, wenn du nicht hier bist und ihm zur Hand gehst. Und dann immer die gleiche Geschichte mit Susanne.«, plauderte Gregor aus.

»Wieso, gab es denn wieder Streit zwischen den beiden?«, fragte Mary Gregor etwas neugierig und verzog dabei eine etwas sorgenvolle Miene.

»Na ja, wenn irgendetwas nicht ganz zu klappen scheint, geht er halt immer gleich auf sie los. Er brüllt sie ständig an.«

Susanne stand in der Türe und horchte auf, was Gregor Mary zu petzen schien. Doch sie gab keinen Kommentar ab. Es war ihre Art zu denken. Wie zum Beispiel: Wenn ich über einen Menschen nichts Gutes zu sagen vermag, so rede ich überhaupt nicht über ihn.

»Ja, gab sie Peter vielleicht einen Anlass, so zu ihr zu sein?«, erkundigte sich Mary bei Gregor.

»Nun, einer von so vielen Gründen, die Peter angeblich hat, ist, dass er fast wahnsinnig wird, wenn sie Chef statt Peter zu ihm sagt. Weißt du, Mary, Susanne kann es sich einfach nicht merken. Besonders, wenn sie aufgeregt ist. Ich meine, wenn es halt bei uns drunter und drüber geht.«

»Ach, das meinst du, macht euch keine Sorgen, ich werde morgen mit Peter darüber reden. Das wäre doch gelacht, wenn ich dieses kleine unwichtige Problem nicht zugunsten von Susanne regeln könnte. Okay, Susanne?«

Als Susanne dies von Mary hörte, sagte sie wieder nichts dazu. Doch schenkte sie Mary ein kleines Lächeln, das soviel wie 'ich vertraue dir' heißen sollte.

»Ach, im Übrigen, wo ist denn Peter. Ist er in seinem Büro?«, wunderte sich Mary.

»Nein, Mary, Peter ist in Rednizkleineck.«, verkündete Susanne.

»Was? Was hat er denn in diesem Kaff verloren?«, staunte Mary nicht schlecht.

Er jagt einem neuen Fall, also einem Phänomen, hinterher.

»Was für ein Phänomen denn?« Und Susanne begann, Mary bis aufs I-Tüpfelchen Bericht zu erstatten.

»Also das ist ja phänomenal. Stellt euch nur vor. Ich habe einen neuen Kunden an Land gezogen und noch dazu einen enorm fetten Barscheck kassiert. Und dazu ein rätselhaftes Phänomen, einen Mord im Hotel und all das live auf Band. Und wenn Peter auch noch einen Fall, also ein unbestechliches Phänomen, mit nach Hause bringt, würde das bedeuten, dass wir für die nächsten drei Monate gesattelt sind, oder, wenn euch das besser gefällt, ausgesorgt haben.

»Mann, das ist ja ein Ding. Ist ein ausgesprochener guter Monat.«

Susanne und Peter bejahten Marys Feststellung mit einem freudigen und zufriedenen Gesichtsausdruck.


*

Zur gleichen Zeit auf der Autobahn in Richtung München:
 

Peter war stocksauer, war doch sein Besuch bei den Hübners nicht von Erfolg gekrönt.

»Verdammter Mist noch mal! Die ganze Fahrt umsonst. Hätte ich doch nicht so aufgeschnitten. Aber nein, lande ich doch glatt an so empfindsamen Menschen. Verdammt, verdammt!«, ärgerte er sich im Selbstgespräch.

Ja, ja, Peter jammerte, schimpfte, fluchte noch eine ganze Weile vor sich hin. Dann sah er auf die Uhr an seinem Armaturenbrett des Autos.

Müsste in circa 30 Minuten in der Agentur sein. Was soll es. Versuche Morgen, einen neuen Termin bei den Hübners auszuhandeln. Konnte ja schließlich nicht wissen, dass diese Familie so sentimental ist. Hoffentlich ist es nicht zu spät. Wäre zu schade, diesen Fall zu verlieren. War mir noch nie so sicher wie bei diesem Phänomen, dachte er sich.

Ja, wie schon einmal angesprochen, hatte Peter ein Auge dafür, ob eine Aufnahme gefälscht war oder nicht. Natürlich musste dieses Band im Labor auf Herz und Nieren geprüft werden. Aber nach so vielen Jahren, in denen er mit abertausenden von echten und gefälschten Foto- und Filmmaterialien, die er in seinem Labor zu Anfangs mit anerkannten Spezialisten studiert und ausgewertet hatte, konnte Peter mit 99-prozentiger Sicherheit sagen, was echt oder gefälscht war. Man konnte auch sagen, dass er in solchen Beobachtungen den richtigen Riecher hatte. Peter war zwar in gesprächlichen Verhandlungen, seine Agentur betreffend, nicht sehr geschickt, oft scheiterte es an seinem radikalen Denken und der Offenheit, wie er sie zur Aussprache brachte. Dennoch, außer sich zu ärgern oder einen neuen Versuch zu starten, kümmerte es ihn nach einer gewissen Zeit recht wenig. Denn er hatte immer einen Trumpf in der Hand. Nämlich Mary. Das war Mary Ritleys Spezialfach, wenn es um Verhandlungen mit eventuellen Neukunden ging. Wie jetzt zum Beispiel der Fall Hübner. Mary würde gezielt das Verhalten der Person, die das erlebte Wunder erzählte, beobachten. Ob diese Person sich in ihrer eigenen Erzählung verstricken würde usw. und noch viele Kleinigkeiten, auf die es ankam, um festzustellen, ob ein Betrug dahinter steckte oder nicht.

Peter fuhr weiterhin sehr gemütlich in Richtung München, vielleicht zu gemütlich. In einem Augenblick wurden Peters Gedanken jäh in Stücke gerissen. Ein Fahrzeug hinter ihm blendete ihn und fuhr viel zu dicht auf.

»So ein Trottel. Ich hoffe du brichst dir den Hals, du Armleuchter.«, fauchte Peter vor sich hin, während er zwangsläufig die Fahrbahn wechselte.

Einen Augenblick später bekreuzigte er sich wie schon des öfteren. Er fühlte sich nicht wohl, in dem Gedanken zu verweilen, einem Menschen den Tod zu wünschen. Was er ja soeben tat. Noch ein Gedanke und er beschloss kurzerhand seine Agentur anzurufen um seine baldige Ankunft anzukündigen.

»Mann, Susanne, geh schon endlich ans Telefon!«, jammerte Peter vor sich hin. Dann endlich.

»Agentur Peter Lenz, rätselhafte Phänomene. Was kann ich für sie tun?«, meldete sich Susanne mit einer selbstsicheren und geschmeidigen Stimme am anderen Ende der Leitung.

»Ich bin es, Susanne, Peter.«

»Oh, Peter, du, hattest du Erfolg im Fall Hübner?«, fragte Susanne aushorchend und zugleich neugierig nach.

»Tja, frag mich lieber nicht danach, Susanne. Nach dieser so argwöhnischen und zögernden Antwort hatte Susanne das dumpfe Gefühl, dass Peter den Fall Hübner mit höchster Wahrscheinlichkeit verloren hatte.

»Du, Susanne, ich treffe in circa 25 Minuten in der Agentur ein. Ach, und noch etwas, sei so nett, und brühe mir doch bis dahin einen recht starken Kaffee auf. Okay?«

»Geht klar, Peter, wird erledigt.« Peter bemerkte, dass Susanne ihn ausnahmsweise mal nicht mit 'Chef' anredete, was ihm sehr gut gefiel.

»Bist ein gutes Mädchen. So, Susanne, bis gleich und...«

»Warte mal, Peter, noch einen Augenblick.«

»Was ist denn noch, Susanne?«, wurde Peters Stimmlage lauter.

Wie wir bereits wissen, war Mary längst von ihrer geschäftlichen Reise auf den Malediven zurück, wovon Peter natürlich keinerlei Ahnung hatte, denn er rechnete erst am nächsten Tag mit ihrer Ankunft. Mary stand schon längst neben Susanne, um sich persönlich bei Peter anzukündigen.

»Wie gut doch Susanne dieses Lob tat, hat sie doch bisher alle Opfer für die Agentur aufgebracht. Sie lebte ja förmlich in der Agentur. Sie war die erste, die morgens kam um aufzuschließen und um die alltäglichen Vorbereitungen zu tätigen, damit bei Beginn der Arbeit jeder wusste, was er gezielt an diesem Tag zu tun hatte. Jeden Tag kurz vor Feierabend legte Peter, und das ohne ein Wort darüber zu verlieren, ein Blatt Papier auf Susannes Schreibtisch. Dort vermerkte er die für den nächsten Tag zu beginnende Aufgaben, die quasi für jeden einzelnen seiner Crew zugeschnitten wurden. Und Susanne notierte diese Aufgaben, die Peter forderte, in eines jeden seiner persönlichen Arbeitmappe. Jede dieser Mappen hatte eine andere Farbe. Gregors Mappe hatte die Farbe Grün. Grün deshalb, weil er sich gesund ernährte und ständig an irgendeinem Grünzeug knabberte. Marys Mappe hatte die Farbe Gelb, und Gelb deswegen, weil sie sich so gerne in der Sonne badete. Dann kam noch Susanne. Susannes Arbeitsmappe hatte die Farbe Lila, weil sie ständig Kleider trug, die diese Farbe beinhalteten und weil es nach ihrer Meinung die Farbe der Hoffnung ist. Auf was sie stehts hoffte, hat sie bisher niemandem verraten, doch der Rest der Crew ahnte es längst, dass sie stehts auf die große Liebe ihres Lebens wartete. Wie ein einzelnes rotbraunes in der Abendsonne schimmerndes Blatt im herbstlichen Winteranfang auf einer Mauer liegend, das wartete, vom Winde entführt zu werden. So lauerte sie des Öfteren nachdenklich in ihrem Büro an ihrem Fenster stehend, zur Hauptstraßenseite blickend, als würde sie auf etwas warten, vielleicht auf den sehnlichst ersehnten Prinzen, der sie entführt, entführt in das Reich der Liebe. Selbst der Boss, ja der absolute Macher in dieser Hütte, mit dem Namen Peter Lenz, hatte, man höre und staune und mancher konnte es gar nicht glauben, auch eine eigene Mappe. Diese Chefmappe hatte, na könnt ihr es erraten? Natürlich die Farbe Rot, und Rot deswegen, weil er, wenn etwas nicht gleich so funktionierte wie er es sich vorstellte, sich alsbald in einen Choleriker verwandelte und gleich Rot sah. Diese Arbeitsmappen wurden an jenem Tage eingeführt, als es zu einem ausschweifenden und fast nicht mehr zu zügelnden Streit kam, als einige Mappen, die natürlich alle die gleiche Farbe hatten, aus Versehen vertauscht wurden. Und somit falsch bearbeitet wurden, so dass ein ganz wichtiger Auftrag verloren ging. Und so dachte sich Peter dieses kuriose Meisterstück mit den Farben der Mappen aus. So kam es, dass so etwas nie wieder vorkommen konnte. Jeder hatte fortan seine eigene Mappe mit seiner individuellen Farbe, die er gewissenhaft und mit ganzem Eifer zum Wohl aller und zum Wohl der Agentur zu bearbeiten hatte. Punktum. Doch nun weiter. Bis jetzt ist uns bekannt, dass Susanne Peter bat, das Gespräch noch nicht zu beenden, wobei Peter nicht gerade entzückt war und er Susanne fragte, was es denn noch beim Telefonieren zu regeln gäbe.

»Peter, da möchte dich jetzt ganz dringen jemand sprechen.«

»Was will wer?«

»Tut mir leid Chef, aber dieser Jemand besteht darauf, ich fürchte, das solltest du, wenn du diesen Jemanden nicht verärgern willst.«, gab Susanne geschickt von sich.

»Oh Gott, Susanne, muss denn das unbedingt sein, kann denn das nicht warten, bis ich in der Agentur bin? Ich bin doch bald da.«, äußerte sich Peter entnervt und gleichermaßen erschöpft.

»Tut mit leid, Chef, aber ich fürchte, dieses Gespräch lässt sich keinesfalls aufschieben.« Währenddessen übergab Susanne Mary den Hörer des Telefons und diese lauschte sogleich.

»Na gut, Susanne, aber gnade dir Gott, sollte ich festellen, dass es nicht außerordendlich wichtig ist, kannst du was erleben.« ,schrie Peter in sein Handy hinein.

Dann gab statt Susanne Mary Antwort: »Oh, ich glaube schon, dass es von immenser Wichtigkeit ist, Peter.« Peter verschlug es den Atem, als er eine ihm vertraute Stimme vernahm.

»Mary, Mary, bist du es?«, kam eine begeisterte Reaktion von Peter.

»Klar, mit Leib und Seele, mein Schnuckelchen. Wie geht es dir, Peter?«

»Jetzt wo du wieder unser München unsicher machst, viel besser. Aber sag mal, wie kommst es, dass du heute doch noch angekommen bist. So viel ich mich erinnern konnte sagtest du, dass es dir nicht möglich sei und du erst Morgen zurückkommen kannst.«

»Ja, schon, aber ich konnte den letzten Fall doch noch eher abschließen als angenommen.«

Verwundert horchte Peter auf.

»Was meinst du mit 'den Letzten Fall', Mary? Hast du außer deinem eigentlichen Auftrag wohl noch einen Kunden oder gar ein brandneues Phänomen an Land gezogen?«

So liebte und kannte Mary ihren Boss. Gierig und geradezu Besessen nach neuen Phänomenen.

»Nun, offen gestanden sind es insgesamt drei verschiedene Ereignisse, die ich mit Erfolg in meiner Tasche und in deiner Agentur sicher bei mir habe, die ich nicht aus dem Koffer auspacken und aus der Hand legen werde, bis du zu Türe hereinkommst.« Nach dieser für Peter phänomenalen Berichterstattung von Mary konnte er nicht mehr ruhig auf seinem Fahrersitz Haltung bewahren. Er zappelte wie ein hyperaktives Kleinkind auf seinem Sitz auf und nieder.

»Mary, spann mich doch nicht so auf die Folter!« Und während Peter vor Neugier förmlich zu Platzen drohte, begann Mary ganz gemächlich und mit ruhiger Stimme Bericht zu erstatten.

»Also, höre und genieße, mein Schnuckelchen: Zum Ersten: Ich habe den Kunden, wie du es zu nennen beliebst, förmlich festgenagelt und dazu noch einen fetten Scheck in meiner Tasche. In diesem Fall kannst du den neuen Kunden in unsere monatliche Spendenliste eintragen. Und zum Zweiten sind wir im Besitz eines rätselhaften Phänomens. Zum Dritten, und das unmittelbar vor Ort und live, bin ich Zeugin eines Mordes in einer Hotelhalle geworden. Das Beste aber kommt erst noch, halte dich fest Peter: Dies geschah nicht in irgendeiner Hotelhalle, sondern diese Hotelhalle gehörte zu dem Hotel in dem ich abgestiegen bin. Na, was sagst du dazu, Peter. Ist das nicht irre?«

»Doch, natürlich ist das irre, Mary, aber was mich jetzt und in diesem Augenblick interessiert, ist...«

»Beruhige dich doch, Peter.«, unterbrach ihn Mary, bevor er nach ihrer Meinung noch an einem Herzanfall draufgeht.

»Ich glaube zu wissen, Peter, was du am liebsten hören würdest. Wenn es dich ruhiger macht, ich habe alles auf meiner Minikamera aufgenommen. Und die Kassette befindet sich sicher bei mir und in deiner Agentur.«, kam leicht überschwänglich von Mary rüber.

Aber das bekam Peter in dieser Situation, die von purer Freude und emotionaler Begeisterung überschattet wurde, gar nicht mehr so mit. Und jetzt konnte Peter nichts mehr auf seinem Fahrersitz halten. Peter fuhr wie von einem Gespenst gejagt auf den Seitenstreifen der Autobahn. Im Nu öffnete er seine Fahrertüre und stieg aus. Danach warf er sein Handy auf den Sitz, ohne es auszuschalten, wobei sein Handy vom Sitz absprang, auf den Beifahrersitz fiel und von da hinunter auf die Fußmatte unterhalb des Sitzes purzelte. Selbst Mary hatte er in diesem Augenblick vergessen und hatte sich folglich nicht einmal von ihr verabschiedet. Nun fing er an, auf dem Seitenstreifen wie ein Hampelmann umherzuhüpfen. Dabei zappelte er, ruderte mit seinen Armen wie ein wahnsinnig gewordener umher, so dass manche vorbeifahrenden Insassen ihrer Fahrzeuge auf ihn aufmerksam wurden und ihre Gesichter kopfschüttelnd aus dem Fenster ragten. Doch das war Peter in diesem Moment schnurzpiepegal. Er, der Glückliche, wusste nur zu gut, was dieser Erfolg von den Mary seitens ihrer Bemühungen für die Agentur und sein Team bedeutete. Nämlich, dass sie für eine längere Zeit ausgesorgt hatten und die wichtigsten Kunden zufriedenstellen konnten. Während Peter sich ausgiebig auf dem Seitenstreifen austobte, um seine Emotionen auszuleben, versuchte Mary verzweifelt, Peters Stimme einzuordnen.

Susanne bemerkte, dass Marys Gesichtszüge sich schlagartig verändert hatten.

»Mary, was hast du denn plötzlich?«, fragte Susanne sorgenvoll nach.

»Ich weiß nicht so recht, Susanne, er ist plötzlich nicht mehr am Handy? Er gibt keine Antwort mehr, obwohl es noch auf Empfang ist.« Mary beschlich kein gutes Gefühl. Beide sahen sich an und es hatte den Anschein als hatten sie die gleichen beängstigenden Gedanken.

»Er wird doch vor Aufregung nicht mit seinem Wagen verunglückt sein?«, äußerte sich Mary beklemmend.

In diesem Moment stand auch schon, wie auf ein Zeichen wartend, Gregor in der Türe.

»Unfall? Welcher Unfall denn?«, erkundigte sich Gregor neugierig.

»Na weißt du, Mary hatte gerade den Chef an der Strippe. Und als sie Peter von ihren Erfolg auf den Malediven erzählte, riss plötzlich das Gespräch ab, obwohl das Handy noch auf Empfang ist.«, gab Susanne erregt von sich.

Schweigend und ängstlich sahen Mary und Susanne Gregor mit großen Augen an.

»He, Moment mal, ihr glaubt doch nicht im... Seid ihr wahnsinnig, Peter hat doch nicht gleich einen Unfall nur weil er keine Lust mehr hatte mit euch zu telefonieren, oder?«, zürnte Gregor ein bisschen.

»Aber dann hätte er doch ganz bestimmt sein Handy ausgeschaltet. Das ist doch gewöhnlich eine ganz normale Reaktion, so wie wenn man sich die Hände gewaschen hat um sie danach mit einem Handtuch abzutrocknen, oder etwa nicht, Gregor?« Da hatte Mary eigentlich gar nicht mal so Unrecht.

Gregor hatte schon einen Verdacht, was mit Peter geschehen ist. Er war sich zwar seiner Vermutung nicht hundert Prozent sicher, aber so ein Theater zu veranstalten fiel ihm nicht mal im Traum ein. Zumal doch überhaupt keine Beweise vorlagen. Aber dennoch musste er die beiden irgendwie beruhigen. Und er brauchte dabei nicht einmal zu schwindeln. Denn was er gleich den beiden erzählen wird, ist ein guter Vergleich, da seine Wenigkeit selbst dabei war.

»Jetzt hört mal gut zu, ihr beiden. Ich wollte es euch eigentlich nie erzählen, aber da ich nicht länger mit ansehen kann, wie ihr euch so sehr um Peter Sorgen macht, wird mir wohl oder übel nichts anderes übrig bleiben. Und kommt mir ja nicht auf die Idee, Peter davon zu erzählen, das habt ihr nicht von mir, verstanden? Ist das klar?«

Nach der klaren Bejahung seitens Mary und Susanne begann Gregor zu berichten.

» Eines vorweg, zerbrecht euch nicht unnötig eure hübschen Köpfchen. Ich weiß mit Sicherheit, dass Peter bestimmt irgendwo zwischen Rednizkleineck und München, also in der Pampa, auf dem Seitenstreifen der Autobahn seine Freudentänzchen veranstaltet.«

Beide fanden es geschmacklos, wie plötzlich Gregor über Peter herzuziehen schien.

»Was willst du uns da verklickern, Gregor?«, verteidigte Susanne ihren Chef. Und das, obwohl er sie immerzu anschrie.

»Ihr glaubt mir nicht, stimmt's?« Na gut. Könnt ihr euch noch an den Fall mit der Rose erinnern?«

»Der Fall Rose?«, murmelte Susanne überlegend vor sich hin.

»Na klar, da gab es doch eine Rose, die weinte, als ihre Besitzerin an Krebs verstarb.«, kam erleuchtend von Mary rüber.

»Genau diesen Fall meinte ich, damals jagte Peter dem Fall hinterher. Er hatte enorme Schwierigkeiten mit den zuständigen Ärzten, die ihm die Drehgenehmigung im Krankenzimmer strickt verweigerten. Mary, damals hattest du Peters Fall übernommen und glatt einen Erfolg verbuchen können. Genau in dieser Zeit wiederum befanden sich Peter und meine Wenigkeit auf der Heimfahrt in die Agentur, von wo du uns auch auf Peters Handy anriefst und ihm deinen Erfolg hinsichtlich des Falles Rose Bericht erstattet hattest.« Mary dachte eine kurze Weile nach.

»Ja, genau, jetzt fällt es mir wieder ein. Wie konnte ich diesen Fall nur vergessen.«

»Ach Mary mach dir da ja keinen Kopf. Du hast in den zehn Jahren, die du jetzt bei uns bist, so viele Fälle und außergewöhnliche Phänomene nach Hause geliefert, dass selbst ich, die diese Fälle in die Akten eintrage, erst selber nachlesen muss, welcher und wann dieses und jenes sich ereignete.«

Da hatte Susanne gar nicht einmal so Unrecht.

»Stimmt, Mary, Susanne hat da "den Punkt auf den Nagel getroffen". Dennoch solltet ihr mich erst mal weiter erzählen lassen? Als Peter nach dem Gespräch mit dir sein Handy wieder ausschaltete, bemerkte ich, als ich ihm kurz in die Augen sah, um seine Reaktion zu prüfen, so ein merkwürdiges Glitzern in seinen Augen, noch dazu gab er ein komisches Lächeln zu seinem Besten, was ich an ihm gar nicht gewohnt war. Dann, wie aus heiterem Himmel, verlangte er von mir, ich solle doch sofort rechts auf dem Seitenstreifen der Autobahn anhalten. Und das, obwohl es doch, außer bei einem Notfall, absolut Verboten ist. Stellt euch das einmal vor. Natürlich fand ich es ein bisschen merkwürdig, aber dennoch tat ich es. Ich dachte noch, dass er vielleicht dringend austreten musste. Aber statt seine menschlichen Dinge zu verrichten, begann Peter hin und her zu zappeln. Ihr müsst euch das einmal auf der Zunge zergehen lassen. Peter tanzte und zappelte wie ein Hampelmann, ruderte mit seinen Armen wie ein kleines Vögelchen als wolle er fliegen können, auf dem Seitenstreifen umher. Dabei schrie er wie ein wahnsinnig gewordener durch die Autobahnschneise. Er gab dabei Laute von sich, die eigentlich nur ein Irrer von sich geben könnte. Unzählige Fahrzeuge fuhren an uns vorbei, mit aus dem Fenster herausragenden und schüttelnden Köpfen, so dass ich glaubte, jeden Moment vor Scham in den Erdboden versinken zu müssen. Ich war ganz konfus. Ich dachte noch, jetzt ist es soweit, der arme Kerl hat den Verstand verloren. Darum kann ich mich nur wiederholen: Seid nicht besorgt um Peter. Dies ist nun mal seine Art und Weise, seinem ganzen geschäftlichen und angestauten Leidwesen seinen freien Lauf zu lassen. Sein Ventil zu öffnen. Jetzt stellt euch nur mal vor: Plötzlich wurde es bedrückend still, was Peter betraf. Außer die Autos und Lastwagen auf der Autobahn war von ihm nichts mehr zu hören. Wie aus dem Nichts stand er plötzlich neben mir auf der Fahrerseite und gaffte mich mit einem Blick an, der mir alles sagte. Dann ging er an der Vorderfront um meinen Wagen herum, öffnete die Beifahrertür, stieg ein und warf mir noch einmal einen Blick zu, der mir sagte: Wenn du jemals irgendeinem auf dieser Welt von meinem Verhalten eben erzählst, drehe ich dir eigenhändig den Hals um. Nun, Mädels, sobald Peter hier hereinstolziert, keinen Laut darüber. Und das niemals. Okay?«, kam bittend und fordernd zugleich von Gregor, der es jetzt schon bereute, sein schwafelndes Mundwerk nicht gehalten zu haben.

»Nun Gregor, ich hoffe inständig dass du Recht behältst. Und keine Sorge, ich und Susanne schweigen wie ein Grab.«

Dann ging jeder wieder seinem gewohnten Arbeitablauf nach. Doch man spürte förmlich die vorhandene Anspannung der Crew, die sie unbewusst ausstrahlten. Jeder von ihnen, selbst Gregor, der sich noch vor wenigen Augenblicken so selbstsicher vor Susanne und Mary gab, begann, ständig auf die Uhr zu sehen, die auf seinem giftgelben Schreibtisch stand. Mary sah auf ihren noch gepackten Reisekoffer, in dem sie auch ihre Mini-Kameraausrüstung mit dem wertvollen Material, also den Videofilmen, zu verstauen pflegte. Sie dachte in diesem Augenblick intensiv nach. Wie oft konnte sie es in den letzten Tagen fast nicht mehr aushalten, Peter ihre Erfolge auf dem Bildschirm vorzuführen. Und nun kamen in ihrem Innersten Zweifel auf. So ganz ohne Peter. Auf einmal, so schien es, waren diese ergatterten Fälle wertlos.

»Mist, was reime ich mir denn da mal wieder in meinem verrückten Kopf alles zusammen. Peter wird heil und gesund wiederkommen und damit basta!«

Auch Susanne wurde immer ungeduldiger. Flüsternd sprach sie zu...

»Meine Güte, wo bleibt er denn nur! Er sagte doch 25 Minuten, Mary?«

»Ist mir bekannt, Susanne. Mach mich bitte nicht wahnsinnig. Es wird schon nichts passiert sein.«, giftete Mary zurück.

»Aber es sind schon 35 Minuten vergangen, das sind schon zehn Minuten drüber.«

»Susanne, glaubst du denn im Ernst, dass ich die Uhr nicht ablesen könnte. Also beruhige dich doch endlich. Okay, Schatz.« Mary konnte natürlich Susanne gut verstehen.

Aber dennoch half ihr Jammern natürlich auch nichts. Es würde die jetzige Situation auch nicht verbessern.

»Du, Mary, soll ich es mit seiner Nummer noch einmal versuchen?«, gab Susanne von sich.

»Okay, wenn es dich beruhigt, kannst du es mal versuchen.« Gesagt und getan. Und Susanne wählte Peters Handynummer erneut und wartete auf ein Lebenszeichen von ihm.

Mary sah zu Susanne hinüber die sich in ihrem Büro vor dem Fenster zur Hauptstraße hin positionierte, doch Susanne musste zu ihrem Bedauern verneinen.

»Du, Mary, hattest Recht. Er geht nicht ran. Doch das Handy ist noch immer auf Empfang es tutet nämlich das Besetztzeichen. Mensch, was ist da bloß los.« Unglaublich, selbst Gregor, der eigentlich nur an seiner Karriere interesSiert war, wurde zusehends unruhiger.

»Hoffentlich habe ich den Mund nicht zu voll genommen. Ach was, wird schon schief gehen.«, dachte er sich.

Plötzlich wurde mit einem heftigen und dumpfen Schlag die Eingangstüre aufgestoßen und Peter stand strahlend mit einem suchenden Blick in der Vorhalle.

»Hallo Leute, ich bin wieder da.«

Im Nu und wie herbeigezaubert stand seine komplette Crew im Vorraum und starrte ihn an, als wäre er eine außergewöhnliche Erscheinung. Als wäre er der leibhaftige Teufel.

Peter staunte nicht schlecht, als er in die erstarrten und wortlosen Gesichter seiner Crew sah, die wie in einem Wachsfigurenkabinett erstarrt und leblos sich ihm darbot.

»Sagt mal, freut ihr euch denn nicht, dass ich wieder hier bin? Wa... was ist denn mit euch los, ist denn etwas Geschehen wovon ich etwas wissen müsste?«, erkundigte er sich.

Natürlich schritt Mary mit flinken Worten ein, um Peter eine glaubwürdige Ausrede aufzutischen.

»Na, eigentlich nicht, Peter, wir wundern uns nur, dass du so sagenhaft gute Laune hast. Haben wir wohl im Lotto gewonnen?«

»Hört euch unsere Mary an, wie bescheiden sie doch ist. Aber macht nichts. Das wichtigste ist doch, dass unsere Crew wieder vollständig ist. Und ich nehme doch an, dass ich für alle hier sprechen kann. Mary, wir sind froh, dass du wieder zu Hause bist. Willkommen, willkommen!«

Dann folgte eine herzliche Umarmung zwischen Mary und Peter und alles war wieder beim Alten. Mit einer Ausnahme, dass Peter an diesem Nachmittag anscheinend seine Spendierhosen anhatte.

»Alles mal herhören. Mit sofortiger Wirkung ist jetzt Feierabend. Susanne, rufe sofort im Maritim an und bestell so bald wie möglich einen Tisch für vier Personen, denn heute hauen wir auf den Putz. Heute wird gefeiert.«

»Wird gemacht, Chef, oh Entschuldigung, ich meinte Peter.« Und während Susanne die Bestellung organisierte, bemerkte Peter, dass Mary etwas verlegen dreinschaute.

»Mary, was ist mit dir?«

»Peter, das wäre doch nicht nötig gewesen, du machst mich ganz verlegen. Und noch etwas: Weißt du denn nicht, wie sündhaft teuer dieser Schuppen ist?«, versuchte Mary ihn davon abzubringen.

»Aber Mary, klar weiß ich das, ich bin doch da Stammgast und quasi Mitglied.«, protzte Peter vor Mary.

»Mitglied, Mitglied wovon?« Und Peter setzte ein hämisches Lächeln auf.

»Na ja, Mitglied wäre natürlich untertrieben. Sagen wir mal lieber, dass mir 20% dieser Hütte gehören.« Da staunte seine Crew nicht schlecht.

»Wusste gar nicht, dass du dich für die Gastronomie interessierst.«, gab Gregor neugierig von sich.

»Na ja, eigentlich nicht, aber als mein längjähriger Freund Karsten mit diesem Schuppen in finanziellen Schwierigkeiten steckte, gab ich ihm einen größeren Kredit und beteiligte mich mit, wie schon gesagt, eben diesen 20% an seinen Laden. Also macht euch keine Sorgen, ich werde mich schon nicht in Unkosten stürzen. Ich bekomme ja sowieso alles umsonst. Und noch dazu den besten Tisch.«


*

Einen Tag später:
 

Norman und Katja waren, wie uns bekannt ist, von Lyr, ihrem treuen Androiden, einen Tag vorher in die Schlafkammern geführt worden, wo die beiden in einen todesähnlichen Schlaf versetzt wurden. Wie sehr fürchteten sie diesen Augenblick, doch als es so weit war, entschliefen sie mit einem unbeschreiblichen Glücksgefühl. Doch längst wurden die beiden von einigen Dogon in die Welt der Realität zurückgeführt. Anschließend brachte man sie in ihre Quartiere, wo sie sich von ihrem Todesschlaf erholen konnten. Sie sind sozusagen bis in die kleinsten Zellen umgewandelt worden und auf dem Weg der Besserung. Langsam und leicht zögernd öffnete Norman in seinem Zimmer seine noch schweren Augenlider. Leicht erschrocken versuchte er, in seiner Umgebung einen Blick zu erhaschen. Aber vergebens. Ein Schleier lag noch auf Normans Augen. So dass er, egal in welcher Richtung er sich auch umsah, alles nur schemenhaft, ja fast unkenntlich wahrnehmen oder gar erkennen konnte.

Trotz alledem wurde er das Gefühl nicht los, dass sich irgendwer oder was, in seiner unmittelbaren Nähe befand. Damit hatte er natürlich gar nicht mal so Unrecht. Es war nämlich Lyr, der regungslos vor seinem Bett stand.

So kam die Frage, die kommen musste: »Ist da Jemand?«

»Katja, bist du es? Bitte sag doch was. Kann mir denn keiner helfen?«

Wie wir bereits wissen, befand sich Lyr im selben Raum. Dennoch verharrte Lyr zwangsweise in einem Zustand, in dem er außerstande war, eine Antwort zu geben. Nun, das sollte sich rasch ändern. Was selbst Lyr, der Androide, nicht wusste, ist, dass er zu jenem Zeitpunkt, als Norman und Katja in diesen todesähnlichen Schlaf versetzt wurden, er zur fast gleichen Zeit deaktiviert wurde. Das hatte natürlich seinen Grund. Lyr wurde nämlich eigens und nur für einen bestimmten Zweck erschaffen, also konstruiert. Lyr wurde als Kopie eines Prototyps von der Originalversion mit dem fast gleichen Speicher und Erinnerung und Kapazität geschaffen und nur für Norman und Katja aktiviert. Der originale Prototyp befand sich auf dem Planeten Goderijan. Das bedeutete für Lyr, dass er, wenn Norman und Katja nicht auf irgend eine Weise tätig waren, also sich nicht im wachen Zustand befanden, einfach deaktiviert wurde. Natürlich nur, wenn für ihn sonst keine anderen Aufgaben warteten. Lyr hatte, wenn er aktiviert war, viele Aufgaben zu bewältigen, was Norman und Katja betrifft. Tja, die beiden machten es ihm nicht gerade leicht. Und trotz alledem war Lyr ein Meisterwerk der Elektronik. Da er nur für Norman und Katja zuständig war, wurden ihm sehr viele menschliche Eigenschaften eingespeichert. Natürlich nur in dem Rahmen was die Dogon in ihren Archiven aufbewahrt hatten. Das war zwar nicht zu verachten, aber trotzdem noch lange nicht genug. Das menschliche Gehirn, wie es die Dogon eingestehen mussten, war doch sehr komplexer als zunächst angenommen.

Deshalb hatten sie Lyr auch auf eine verdeckte Lernfähigkeit eingestellt. Das heißt im Klartext, dass Lyr automatisch Normans und Katjas Art und Weise in allem was sie sagten oder taten und ihre Reaktionen auf verschiedenste Weise speicherte und wenn möglich für sich selbst anwandte. Zudem kam noch hinzu, dass alles, was er Norman und Katja über seine Erschaffer und den Planeten Goderijan erzählte, direkt vom Hauptspeicher bekam, der sich in der Hauptzentrale unter ständiger Überwachung der Dogon befand. Von dort aus konnten sie alles was mit dem Raumschiff und seinen Mitreisenden zu tun hatte, genauestens kontrollieren und falls nötig beeinflussen.

Noch immer versuchte Norman, auf sich aufmerksam zu machen. Er konnte nun etwas mehr erkennen. Obwohl seine Augen wie Feuer brannten, konnte er diesmal vor sich an seinem Bett eine Gestallt wahrnehmen. Zwar noch etwas schemenhaft, aber dennoch gut genug, um einige Umrisse zu erkennen. Was ihn absolut wütend machte, war die Tatsache, dass sich dieser Jemand nicht zu erkennen gab.

»He, du, warum sagst du nichts zu mir?« Doch wiederum gab Lyr keine Antwort.

Aber das sollte sich bald ändern. Lyr würde bestimmt Antworten, wenn er nur könnte.

Natürlich wussten die beiden von nichts, außer dass sie eine gewisse Zeit in diesem Zustand verharren sollten. Die Dogon befürchteten, dass Katja und Norman ablehnen würden, eine so lange Zeit durch das Weltall mitzureisen. Denn sie verstanden noch nicht ganz, wie die Dogon die Zeit verändern konnten. Wie schon einmal erklärt, werden Katja und Norman keinerlei Zeitverlust bemerken, wenn sie wieder nach Hause kommen. Sie gehen beide ihre Wege, von wo sie quasi entführt wurden, als wären sie nie weggewesen. Als hätten sie dieses phantastische Abenteuer niemals erlebt. All das den beiden begreiflich zu machen, kostete den Dogon viel zu viel Zeit, die ihnen im Endeffekt nicht zur Verfügung stand.«

Lyr war also deaktiviert, das wissen wir bereits. Dennoch ließen die Dogon so viel Energie in ihn fließen, dass seine Sensoren nach gewisser Zeit Normans und Katjas Stimmen erkennen konnten. Norman lag noch eine ganze Weile so da. Dann war es soweit. Lyr wurde aktiviert. Mit einem Mal richtete Lyr seinen gebeugten künstlichen Körper auf. Seine giftblauen Augen begannen zu leuchten und zu pulsieren.

»Na, wie geht es denn heute unseren Patienten?«, gab Lyr ironisch von sich.

»Lyr, bist du es?« Norman war heilfroh, endlich Gehör gefunden zu haben.

»Fürchte dich nicht, Norman, ich bin es, Lyr, dein Freund.«

Als Norman Lyrs Stimm-Membranen hörte, war er sichtlich erleichtert. Nie hätte er gedacht, dass er sich jemals so über die Stimme eines Androiden freuen würde. Und dennoch war er ein bisschen ärgerlich über Lyrs Schweigen, als er nach dem Erwachen Trost suchte.

»Lyr, warum hast du vorhin nicht geantwortet und was ist mit meinen Augen, sie schmerzen und ich kann dich nicht richtig sehen. Alles ist so verschwommen.« Norman hoffte mit seiner Beschwerde von Lyr eine klare Antwort zu bekommen.

»Du brauchst dir wirklich keine Gedanken zu machen, Norman, es ist alles gut verlaufen.«

»Und warum fühle ich mich dann so mies, kannst du mir das einmal sagen? Hast du vielleicht dafürf eine anständige Erklärung? Na, was ist?« Norman hatte keine Lust mehr auf Ausreden von seiten Lyrs.

»Ich verstehe deinen Zweifel und Argwohn. Doch du musst dir keine Sorgen machen. Niemand will dir schaden, mein Freund.«

Norman war nun einmal von Natur aus misstrauisch, selbst des öfteren seinen eigenen Gefühlen gegenüber, das half ihm zuweilen objektiv zu denken und zu bleiben und zudem noch Vergleiche zwischen der Wirklichkeit und seinen Vorahnungen zu ziehen.

»Du hättest mich wenigstens vorwarnen können, dass das Wiedererwecken so schmerzhaft ist. So wären diese Zweifel und Ängste nicht so groß gewesen.«

Und Lyr guckte mit seinen pflaumengroßen, blau schimmernden und pulsierenden Augen Norman an, als sei Norman der Außerirdische und nicht er. Wobei, wenn man es genau betrachtete, es nicht einmal so Abwegig schien.

»Mein Schweigen war nicht Recht. Trotz alledem hoffe ich als euer Begleiter und Berater, dass wir Freunde bleiben werden. Es wäre für beide Seiten von Vorteil.«

Norman schwieg sich aus. Nur allzu gut begriff er Lyrs Worte. Was hätte es ihm und Katja von Nutzen sein können, mit noch mehr Angst in die Schlafkammer zu gehen. Und Norman war sich sicher, dass er sich für dieses Volk entschieden hatte, mit oder ohne Bewusstsein von Ängsten und Schmerzen jeglicher Art, zum Wohle des Volkes, das sich in einem so bitteren Leid befand. Und deshalb schwieg er sich aus. Und statt sich zu ärgern, schenkte er Lyr ein Freundschaftliches Lächeln.

Lyr war kein dummer Blechhaufen, der nur aus Drähten und Schaltkreisen zusammengesetzt wurde. Im Gegenteil, die Wissenschaftler auf der Erde würden sich darum reißen, ein solches Wunderwerk der Technik und der Elektronik studieren zu dürfen. Zu mehr wären sie natürlich nicht in der Lage. Die Dogon waren ihnen bereits tausende von Jahren in fast allen Lebenslagen weit, weit voraus.

»Sag mal, Lyr, wie geht es denn Katja?«, sorgte sich Norman um sie.

»Oh, Katja? Ja, deine Schwester ist wohlauf, dennoch wird sie noch ein bisschen länger im Schlaf bleiben.«

Norman sah Lyr verdutzt an.

»Wieso das denn, Lyr? Ich hoffe doch, dass es ihr gut geht. Ich meine, ihr ist doch nichts geschehen, oder?«

Lyr war sichtlich von Normans Frage amüsiert. Und man konnte in Lyrs Gesicht ein leichtes aber dennoch verstohlenes und sichtbares Lächeln erkennen, was Norman überhaupt nicht Verstehen konnte.

»Aber nein, Norman, du brauchst dir keinerlei Sorgen zu machen.«

»Und warum ist Katja noch nicht erwacht, so wie ich?«, eine durchaus berechtigte Frage, die er an Lyr den Androiden stellte.

»Ach du meine Güte, ihr Menschen seid mehr als nur neugierig. Nun gut, ich will es dir so gut ich es vermag, erklären. Jedes einzelne Individuum trägt seine eigene biologische Uhr in sich, so wie jedes Wesen seinen eigenen Rhythmus hat. Einer nimmt mehr Nahrung zu sich, der andere etwas weniger. Jener welcher braucht mehr Schlaf als der andere. Und so ergeht es nun deiner Schwester Katja, ihr Körper ist zwar reanimiert worden, dennoch ist er noch nicht bereit, all seine Funktionen zu hundert Prozent einzusetzen. Ich hoffe, mein Bester, dass deine Frage somit beantwortet ist.«

Norman glaubte, sich verhört zu haben.

»Ich glaube, ich höre nicht recht. Du sprichst von Katja, als wäre sie eine Maschine, ein Schrotthaufen so wie du, Lyr.« Lyr gab auf diese unbeabsichtigte Beleidigung seitens Normans keine Antwort.

Nur durch das leichte Senken seines Kopfes fiel Norman auf, dass Lyr durchaus fähig war, in seinem Gemüt verletzt zu werden.

»Verzeih mir Lyr, ich hatte es nicht so gemeint. Weißt du, die Menschen sagen manches Mal etwas, was sie gar nicht so meinen. Es tut ihnen hinterher immer ein bisschen Leid. Auch wenn es ab und zu zu spät ist.« Lyr hob seinen gesenkten Kopf und sah zu Norman auf.

»Wieso zu spät, Norman?«

Wie wir hören konnten, wurde Lyr offensichtlich etwas neugierig.

»Tja Lyr, wie soll ich dir das nur erklären. Nun, bei uns auf der Erde nehmen es die unseren sehr persönlich, sollte jemand sie in ihrem Stolz verletzen. Das heißt im Klartext, dass Worte zwischen zwei Menschen fallen können, die entweder der eine oder gar alle beide einander nicht vergeben.«

Lyr wurde sehr hellhörig. Er sog förmlich jede Neuigkeit in sich auf, die er registrierte.

»Ich verstehe, Norman, es ist traurig, wegen einer solchen Kleinigkeit einen Freund verlieren zu müssen.« Norman war sehr über Lyrs Auffassungsgabe überrascht. Dass Lyr so schnell die Zusammenhänge und Bedeutungen der Sätze begriff.

»Norman, mich verlierst du nicht, ich verzeihe dir.«

Als Norman das hörte, konnte er sich nicht mehr halten vor Lachen. Ja er lachte so laut, dass es ihm die Tränen aus den Augen drückte.

Wiederum guckte Lyr Norman mit seinen unbestechlichen und azurblauen Augen an. Als wäre er nun der jenige welche, der nicht einmal bis drei zählen kann.

»Was hast du, Norman, habe ich mich etwa falsch ausgedrückt?« Und als sich Norman einigermaßen beruhigte:

»Vergiss es, Lyr, ist doch nicht so wichtig. Und weißt du was. Lachen ist gesund. Ich an deiner Stelle würde es auch mal ab und zu versuchen. Und falls du auf die Idee kommen solltest, mich zu fragen warum, sage ich dir, dass Lachen ein Zeichen der Freude und Zufriedenheit beim Menschengeschlecht ist.«

Na, da konnte Lyr offensichtlich nichts einwänden.

»Lyr, würde es etwas ausmachen, wenn ich in Katjas Wohnquartier gehe und nach dem Rechten sehe. Ich würde gerne bei ihr sein, wenn sie zu sich kommt.«

»Nicht im Geringsten, mein bester Norman. Du bist hier kein Gefangener und kannst tun, wonach dir ist. Doch sei gewarnt, du darfst nichts dergleichen tun, was sie vorzeitig erwachen lässt. Es ist sehr gefährlich, diese für sie wichtige Phase zu unterbrechen. Es würde ungeheuerlich auf ihre Psyche einwirken und sie in ihrem jetzigem Stadium in eine Art Koma versetzen.«

Norman wurde kreidebleich, als er von den Nachwirkungen eines solchen Unfalls hörte.

»Wirklich, und wie soll ich mich denn verhalten, wenn ich bei ihr bin?«, vergewisserte sich Norman.

»Für unsere Nachzügler benutzen wir eine Art Lichtquelle. Diese Lichtquelle hält jedes Geräusch, jeden Ton und jede Erschütterung von ihnen innerhalb eines bestimmten Radius fern. Aber dennoch kann jede Person in dieses Lichtelement eindringen. Also das Beste wird sein, du wahrst einen bestimmten Abstand. Noch Fragen, Norman?« Normans Antwort war klar und eindeutig.

»Lyr, ich werde mich hüten, gegen deinen Rat zu verstoßen, ich will doch nicht, dass Katja etwas geschieht.«

»Ich darf bescheiden hinzufügen, auch ich wünsche eine vollendete Genesung für Katja.« Norman freute sich über Lyrs liebevolle Anmerkung über Katja.

»Lyr, dann werde ich mich mal zu Katja auf die Socken machen.« Und Lyr horchte mal wieder auf.

»Auf die Socken machen?«

»Lyr, das ist ein Spruch von uns Menschen.«, entgegnete Norman sichtlich genervt.

»Ach ja, ein Spruch also?«

Natürlich beinhaltete Lyrs Speichermedium diese Art von Redewendungen nicht, aber Lyr machte sich so langsam. Dann ging Norman los, er hatte es ja nicht weit, denn Katjas Quartier lag wie wir wissen gleich neben seinem. Dort angekommen öffnete Norman ganz leise die Türe und ging hinein und das auf so leisen Sohlen, dass selbst er sich nicht hören konnte. So zwei Meter vor der schützenden Lichtquelle, die Katja umgab, blieb Norman stehen. Da lag sie nun. wunderschön und von einem Lichterglanz umgeben, als wäre sie ein Engel, dem der Schein und Antlitz Gottes zuteil geworden ist. Wie schön Sie doch war, seine Schwester.

Und wieder einmal verfiel Norman ins Selbstgespräch.

»Meine Güte, Katja, ich glaube, dass uns dieses Abenteuer so langsam über den Kopf wächst, ich wünschte, wir hätten schon alles hinter uns und wären wieder zu Hause. Zu Hause, was für ein Wort. Hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort jemals so schätzen lernen würde. Ist schon komisch, Kleines. Weißt du, all das, was man vorher als normal empfand, ist heute für mich und ganz bestimmt auch für dich, wenn man davon getrennt wird, von unschätzbarem Wert geworden. Ja, man merkt erst, was man vermisst, wenn es nicht mehr da ist.« Aber es half jetzt nichts. Nur zu träumen und sich somit der Wahrheit zu verschließen, hatte letztendlich doch keinen Sinn. Ich glaube, wenn ich mich hier umsehe und mit dem Erlebten vergleiche, sind wir Menschen doch sicherlich aus Träumen gemacht worden. Und umgekehrt sind es letztendlich doch wir, die diese Träume machen. Wo und wie sollen wir beide denn dann die Wahrheit finden. Aber wer, außer unser Herrgott könnte schon sagen, dass er im Besitz der Wahrheit ist.«

Ja, Norman machte sich tiefe Sorgen um Katja, denn er fühlte instinktiv, dass es für sie langsam aber sicher zu viel des Guten wird, auch wenn Katja des öfteren und das sehr geschickt versuchte, es zu verbergen. Norman beschloss, auf Katjas Erwachen zu warten, egal wie lange es noch dauern sollte. Denn er hatte sie richtig liebgewonnen.

Nun gut, Norman war sich dessen sicher, dass es nicht oft vorkam, dass ganz normalen Sterblichen Homo sapiens aus der Gattung Mensch die Ehre zu Teil wurde, in ein solches phantastisches Abenteuer verstrickt zu werden. Norman wollte bei seinem Schwesterchen sein, wenn sie aus ihrem todesähnlichen Schlaf erwachte. Er wollte, dass sie sich in diesem Augenblick nicht so alleine fühlte, und außerdem, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Die Erfahrung mit dem Begriff 'Vorsicht' musste er schon des öfteren machen. So war es nicht verwunderlich, dass er stets auf der Hut war. Das lag natürlich nicht nur an der Spezies der Dogon, also der Gattung der Goderijaner, nein, vielmehr lag es an den nicht ganz gewollten Vorahnungen, die Norman seit seinem zehnten Lebensjahr erfahren musste.

Da saß er nun wartend und seine Knie an seinem Körper herangezogen auf dem kahlen Boden in etwa drei bis vier Metern Entfernung von seinem Schwesterchen, umgeben von einem Lichter-Schauspiel, das zu Träumen anregte.

»Wird langsam Zeit, dass mein Schwesterchen aufwacht.«

Norman wollte gerade aufstehen, um sich im Zimmer etwas die Beine zu vertreten, da fiel ihm auf, dass sich der Lichtschleier, der sich sanft um Katjas Bett wie ein Vorhang legte, begann, seine Intensität zu wechseln und schließlich ganz zu verlieren. Norman beobachtete das Verschwinden dieses Schauspiels der pulsierenden Lichter so intensiv, dass er doch glatt Katja vergaß, die ja inmitten dieses Geschehens verharren musste.

»Norman, Norman?«, hörte er plötzlich Katja.

Blitzschnell und seinen Kopf in Katjas Richtung drehend, sah er, wie seine Schwester einen ihrer Arme nach oben streckte, so als wolle sie nach den Sternen greifen. In Windeseile, ja fast in einem Satz springend kam Norman vor dem Bett zum Stehen. Über sie gebeugt und mit klopfendem Herzen sah er sich Katja an. Mit zitternder Hand und doch sehr sanft, streichelte er über seines Schwesterchens Gesicht.

»Schwesterchen, ich bin es, Norman, kannst du mich hören, Kleines.«

Ganz langsam öffnete Katja ihre unter Schmerzen stehenden Augenlieder.

»Norman, bist du es?«

»Ja, Kleines, ich bin es, dein Bruder.« Norman war heilfroh, die Stimme seiner Schwester zu hören. Wie von Geisterhand wich von ihm das Gefühl der Einsamkeit, das er während Katjas todesähnlichem Schlaf stets in sich spürte.

»Norman?«

»Ja Katja, wie fühlst du dich?« Norman bemerkte, dass Katja das Reden schwer fiel und Schmerzen hatte. Norman konnte Katja nachempfinden, war er doch in der gleichen Situation gewesen, so dass sich Norman in diesem Bezug keine Sorgen zu machen brauchte. Lag es doch an den Nebenwirkungen des todesähnlichen Schlafs, was nach seiner Erfahrung und seitens der Bestätigung durch Lyr keinerlei gesundheitliche Schäden nach sich zog.

»Meine Augen, was ist mit meinen Augen, ich kann nichts mehr sehen. Norman, sie brennen wie Feuer?«

Dennoch tat es ihm leid, dass Katja in Schmerzen lag. In diesem Moment wünschte sich Norman, mit Katja tauschen zu können. Wenn es möglich wäre, hätte Norman keinen Augenblick gezögert.

»Beruhige dich doch Katja, es wird alles wieder gut. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«

»Aber Norman, da stimmt doch was nicht, ich kann nichts sehen. Sag schon, mach mir doch nichts vor, ich bin blind oder?«

Es war klar, dass Katja in panische Ängste verfiel und sich somit das Schlimmste zusammenreimte. Norman versuchte es mit einer kleinen redegewandten Aufheiterung.

»Sag mal, Schwesterchen, schläfst du eigentlich immer so lange?« Doch der Versuch schlug fehl.

»Lass die Witze, Norman. Sag schon, was ist mit mir los. Ist irgendetwas schiefgegangen?«, brüllte sie Norman an.

»Aber Katja, deine Blindheit geht bald vorüber und was die Schmerzen und die Lähmungserscheinungen betrifft, die natürlich auch. Alles was du jetzt fühlst kommt von den Nachwirkungen her. Da musst du jetzt durch. Weißt du, bei mir war's auch nicht anders. Das gibt sich wieder. Das kannst du mir ruhig glauben. In weniger als einer Stunde hüpfst und springst du wie ein kleines Wiesel umher als wäre überhaupt gar nichts gewesen.«

Katja und Norman holten tief Luft und schwiegen sich für einen Moment lang aus.

»Norman?«

»Ja, Schwesterchen?«

»Danke!« Norman sah Katja verwundert an, er konnte sich nämlich nicht vorstellen, wofür sie sich bei ihm bedankte.

»Danke? Wofür denn?« Katja schwieg, sie begriff, dass es dafür keiner Worte mehr bedurfte.

»Äh... keine Ursache, Schwesterchen.«

Norman und Katja unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis von Norman das Gespräch mitten im Satz abrupt beendet wurde.

»Norman, ist was?«

»Ja. Sei ganz leise, Katja!«, sagte Norman mit flüsternder Stimme. Denn er bemerkte, dass irgend jemand sich an ihn heranzuschleichen schien. Reaktionsschnell wie eine Schlange die zum Biss ansetzte, drehte er sich um, mit geballten Fäusten zur Verteidigung bereit.

»Meine Güte, Lyr, du, musst du dich denn wie ein Geist an mich heranschleichen?«

Tja, Lyr hatte bestimmt nicht vor, die beiden bis ins Mark zu erschüttern. Was er auch sogleich wörtlich bekräftigte.

»Ich bitte um Verzeihung und entschuldige mich für etwaige Unannehmlichkeiten, die durch mein Erscheinen hervorgerufen wurden.«

Norman beruhigte sich so langsam wieder und Katjas Gesichtsfarbe wechselte wieder von kreidebleich auf rosarot.

»Sag mal, Lyr, was wolltest du eigentlich von uns.«, eine berechtigte Frage, die da Norman stellte.

»Von dir, lieber Norman, eigentlich nichts. Ich wollte nach Katja sehen. Nun, wie ich feststelle, ist sie auf dem Weg der Besserung, was mich äußerst entzückt und zufriedenstellt. Wie ich vermute, hast du Katja bereits von den Nachwirkungen erzählt, nicht wahr, Norman?«, kam etwas eifersüchtig klingend von Lyr rüber, was Norman fast nicht glauben konnte. Ein waschechter und eifersüchtiger Androide. Unglaublich, aber wahr, dachte sich Norman.

»Ja, Lyr, das habe ich. Aber sieh doch selbst, einen Trost scheint es ihr nicht zu geben. Na ja, die Hauptsache ist doch, dass es ihr bald wieder besser geht.«

»Ganz bestimmt sogar. Ihr könnt euch auf mein Wort verlassen.«

Irgendwie klang Lyr heute etwas durcheinander, es hörte sich bei seinen Antworten alles irgendwie ironisch an. Norman und Lyr blieben noch so lange bei Katja, bis es ihr besser ging, sie wieder sehen und aufstehen konnte.

»Na, Schwesterchen, wie ich dir gesagt hatte, es kommt alles wieder in Ordnung.«, gab Norman erleichtert zu seinem Besten. Katja sah Norman die Erleichterung an und sie dachte noch eben, wie sehr sie ihn doch lieb gewonnen hatte und wie heilfroh sie doch darüber war, dass sie nicht alleine auf dieser Reise unterwegs sein musste. Natürlich meinte sie ihresgleichen, also dass ein Mensch sie bei diesem Abenteuer begleitete. Noch hinzu kommt, wie wir längst wissen, dass dieser Mensch ihr Bruder war. Lyr hingegen stand regungslos neben den beiden und horchte der Dinge, indem er aufmerksam und beobachtend zu lauschen schien. Gerade wollte Katja Lyr dem Androiden eine Frage stellen, da hallte plötzlich ein in den Ohren quälender und bis ins Mark erschütternder Ton durch die abstrakten und flurähnlichen Gänge. Norman und Katja sahen sich und dann hilfesuchend und zu Tode erschrocken Lyr an. Doch mit Entsetzen mussten sie erkennen, dass in diesem Augenblick anscheinend mit Lyr nicht zu rechnen war. Denn nun verhielt er sich ganz anders, als sie ihn kannten. Ja, als sie ihn bisher gewohnt waren.

»Norman, schau doch mal Lyr an. Was hat er denn plötzlich. Ob es mit diesem Geheul zu tun hat?« Norman befand sich da mit Katjas Meinung im Einklang. Beide sahen sich Lyr stumm und verdutzt an.

»Norman, schau, was ist denn mit Lyrs Augen? Sie leuchten ganz anders als sonst!«, stellte Katja sehr aufgewühlt fest.

Und als auch Norman Lyrs Augen sah, zog er reflexartig Katja beiseite. Norman sah, wie Katja am ganzen Leib zitterte und versuchte sie zu beruhigen, indem er sie wieder einmal ganz fest in die Arme nahm. Er blieb jedoch hochkonzentriert und ließ Lyr nicht aus seinen Blickwinkeln. Das konnte nur von Vorteil sein, falls dieser Androide aus irgend einem Grund außer Kontrolle geraten sollte. Vielleicht, so dachte sich Norman, war dieser Quälende Ton eine Art Alarm, eine Art Warnung für alle, die sich an Bord dieses Raumschiffes befanden. Dennoch konnte sich Norman keinen Reim aus Lyrs Verhalten machen. Ein normales Verhalten seitens Lyr wäre doch gewesen, wenn er zumindest die beiden aufgeklärt hätte, oder sich zumindest schützend vor sie zu stellen. Natürlich, so verrückt es auch klang, machte sich Norman dennoch um Lyr Sorgen. Und da waren sich Norman und Katja beiderseitig einig, dass nämlich, wenn Lyr einen ernsthaften Schaden durch diesen quälenden Ton davongetragen hatte, er unschuldig an dieser und seiner Situation war. Aber wie jeder weiß, sind Vermutungen nicht mehr als fehlende Informationen, die man als Beweise nicht geltend machen konnte. So blieb den beiden nichts anderes übrig, als dem Geschehen beizuwohnen und mit Lyr irgendwie in Kontakt zu treten. Was Norman sofort begann, in die Tat umzusetzen.

»Lyr, was ist denn mit dir los?«, schrie Norman aus ganzer Kehle. Doch Lyr gab keine Antwort.

»So kommen wir nicht weiter, Katja, ich muss etwas unternehmen.« Als Katja das hörte, bekam sie mächtig große Augen.

»Wa... was willst du? Du wirst mich doch jetzt nicht alleine lassen, oder?«

Katja fand Normans Plan,auf eigene Faust etwas zu unternehmen,gar nicht gut. Noch in diesem Moment packte sie Norman am Ärmel. Sie wollte unbedingt verhindern, dass Norman sich in Gefahr begab. Im Nu schnellte Lyr wie von Sinnen, ja, wie von einem Blitz getroffen, in Richtung der beiden. Dann blieb er kurzerhand vor den beiden stehen. Als Norman plötzlich Lyrs Aktion sah, gab er dem Ziehen von Katja an seinem Ärmel freiwillig nach und ging wieder in die ursprüngliche Ausgangsposition. Norman hatte bei Lyrs Vorstoß-Aktion den Eindruck, als wolle er ihn daran hindern, sich aus dem Zimmer zu begeben. Norman glaubte zu sehen, dass Lyr eine Gefahr zu wittern schien, sofern er überhaupt dazu fähig war. Wenn dies zuträfe, dann ging die Gefahr nicht von Lyr aus, sondern von etwas ganz anderem. Auch auszuschließen war dann die von Norman angenommene Beschädigung des Androiden, also dass Lyr eine Fehlfunktion hatte und somit eine Potentielle Gefahr für Katja und sich selbst darstellte. Nein, es musste eine weit größere Gefahr sein, eine Gefahr, die vielleicht die gesamte Besatzung betraf. Zwei Gedanken beschäftigten Norman in diesem Chaos. Zum einen, wieso schlugen seine Ahnungen nicht Alarm. Die Vorahnungen, die ihm stets zur Seite standen und ihn nie im Stich zu lassen pflegten. Und zum anderen, wie sollte er sich mit Katja in diesem Extremfall ohne seine übersinnlichen Wahrnehmungen angesichts der Gefahr, die ja alle betraf, verhalten. Und wie es nicht anders sein sollte, stellte ausgerechnet Katja jene entscheidende Frage.

»Was sollen wir denn jetzt tun, Norman?«, durchaus eine logische Fragestellung seitens Katja.

»Abwarten.«, antwortete Norman mit einem Hauch von Ironie.

»Abwarten? Was meinst du mit abwarten?«, klang Katja wütend.

»Na eben, abwarten.«, eine durchaus einsichtige Schlussfolgerung von Norman, die aber Katja nicht im Geringsten mit Norman teilen konnte.

»Norman, was ist mit dir los, hast du vergessen, die Datenflut in deinem Gehirn zu koordinieren? Ich mache mir fast ins Höschen und du willst hier noch lustig sein. Ich jedenfalls finde es gar nicht komisch. Nein, überhaupt nicht komisch. Wenn das so weitergeht verliere ich noch die paar Gehirnzellen, die mir die Dogon gelassen haben.«

In Normans Gesicht zeichnete sich eine Miene des Erstaunens ab, so dass es nicht verwunderlich war, dass er in diesem Augenblick kein Wort mehr herausbrachte. Mit allem hätte er bei seiner Schwester Katja gerechnet, aber dass sie so flink im Gebrauch der schnellen Sprache sein würde, nein, niemals.

»Entschuldige bitte, ich wollte dich ja nur ein bisschen aufheitern.« Jetzt begriff sie nichts mehr. »Wir sind offensichtlich in höchster Gefahr und was machst du, du machst auch noch Witze. Kannst du mir mal sagen, was an dieser Situation lustig sein soll?«

Norman hatte einen ganz bestimmten Grund, eine Eigenschaft, die ihm sagte, dass er und Katja sich nicht zu fürchten brauchten, denn in einem kurzen Augenblick hatte Norman wieder eine Ahnung. Er hatte eine Vision, die ihm leise in seinem Innersten zuflüsterte, dass Katja und seine Wenigkeit sich nicht in Gefahr befanden. Norman war, was seine Vorahnungen und Visionen betrafen, immer sehr misstrauisch. So kam es, dass er seine eigene Art der Betrachtung aller seiner Ahnungen und Visionen auf eine Weise zu lösen versuchte, die fortwährend nach einer logischen Erklärung suchte. Und diese unbestechlichen Visionen verrieten ihm in einem tiefen Gefühl, dass sogar diese Gefahr nicht innerhalb des Raumschiffes sich einher zu schleichen schien, sondern von außerhalb. Von weit, ja weit, weit aus den Tiefen des unendlichen Universums. Es war für Norman eine klare Antwort auf seine Fragen. Er genoss dieses Gefühl, dass sich Katja und seine Wenigkeit, zumindest vorübergehend in Sicherheit befanden. Doch, wenn er sich seine Schwester genauer ansah, die bibbernd neben ihm zusammengekauert saß, konnte er keinerlei Erleichterung erkennen. Jedoch nach einer Weile war es ihm gelungen sie zu beruhigen, obgleich seine Schwester den Eindruck erweckte, dass sie den Verstand verloren habe. Doch dann, von einer auf die andere Sekunde, verhallte dieser quälende, ätzende, in den Ohren schmerzende, bis ins Knochenmark eindringende Ton. Einsamme Stille herrschte nun, und sie verließen den Wohnraum von Katja. Es war so still geworden, dass Norman und Katja gleichermaßen ihr Atmen hören konnten. Diese Stille war trotz alledem bedrückend.

Auf einmal wie aus dem Nichts schallend: »Fürchtet euch nicht, meine Freunde. Es ist alles in Ordnung.«

Norman und Katja dachten, sich verhört zu haben. Besonders Katja machte nicht gerade einen fröhlichen Gesichtsausdruck.

» Ich glaub, mich streift ein Bus!«, stammelte Katja in burschikosem Verhalten daher.

»Sag mal, was bildest du dir überhaupt ein. Was ist über dich gekommen? Warum lässt du uns im Stich, wenn wir dich brauchen?«

Doch Lyr gab keine Antwort.

» Ich dachte, du seist für uns verantwortlich und das in jeder Lage. Und Norman ist da mit Sicherheit ganz meiner Meinung. Immer wenn es ein bisschen gefährlich wird, bist du, unser Freund und angeblicher Berater, urplötzlich nicht aktiviert oder gar außer Reichweite. Wie finde ich denn das?«

Katja befand sich mal wieder außer Rand und Band, sozusagen außer Stande sich zu beherrschen. Sie geriet in solch eine Rage, dass Norman befürchten musste, seine Schwester würde im nächsten Augenblick Lyr wie eine Raubkatze anfallen.

»Katja, beruhige dich doch endlich. Du wirst noch einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn du dich weiterhin so aufregst.« Doch Katja dachte gar nicht daran, sich zu beruhigen.

»Was, ich soll mich beruhigen? Norman, ich würde dir raten, diesen Androiden in eine Schrottpresse zu schmeißen und seine noch verwertbaren Einzelteile für neue elektronische Staubsauger zu verwenden. Mann, dieser elende Schrotthaufen ist doch das Letzte.«

»Katja, ich kann durchaus deine Erregung verstehen. Aber auf deine Bemerkung zurückzukommen, dass ich euch im Stich ließ, muss ich Einwände erheben.«

Tja, Lyr hatte wohl seine Gründe, sich in dieser anscheinend gefährlich wirkenden Situation so zu verhalten.

»Lyr hat Recht, Katja.«, gab Norman vernünftigerweise zu.

»Ach, jetzt stellst du dich auch noch gegen mich?«, entgegnete Katja erzürnt.

»Jetzt mach mal halblang. Keineswegs stelle ich mich gegen dich. Was ich meine: Es ist doch besser, Lyr erst einmal zuzuhören, als ihn fälschlicherweise im voraus zu verurteilen. Also, was sagst du dazu, Katja?«

Norman sah seiner Schwester ganz tief und lieb in die Augen, so dass sie beschämend und mit rot gewordenen Wangen ihren Kopf sinken ließ und noch einmal tief Luft holte.

»Na gut, einverstanden, da bin ich aber mal gespannt, was dieser Blechhaufen zu sagen hat.«

Auch Norman begann von menschlicher Seite her an Lyrs ehrlichem Verhalten ein wenig zu zweifeln, dennoch spürte er, dass Lyr genau wusste was er tat.

»Meine Liebe, mit dem Wort Blechhaufen muss ich dich enttäuschen, da ich zu keinem Prozent aus Blech bestehe.«

Katja und auch Norman war es nicht entgangen, dass Lyr immer öfter menschliche Züge und Verhaltensweisen annahm. Plötzlich hielt Lyr in seinem Gespräch kurz inne.

»Ich erkläre euch gleich, was es mit dem Alarm... Einen Moment bitte, ich bekomme gerade eine Botschaft von unserem Heiligen Xarmax herein.«

»Eine Botschaft vom heiligen Xarmax?«, warf Norman leicht erstaunt ein und guckte Katja verblüfft an.

Die dem aber nichts hinzufügte, was zu ihrem Charakter gar nicht so recht zu passen schien.

»Ja, eine Botschaft vom heiligen Xarmax. Er wird gleich durch mich zu euch sprechen.

Dann leuchteten Lyrs Augen heller als vorher.

»Ich, Xarmax vom Planeten Goderijan, grüße euch. So höret:

»Die Intelligenz von euch Menschen ist wirklich bemerkenswert. Dennoch nutzt ihr nur einen Bruchteil eures Potentials. Der Erdenmensch besitzt so viel Kraft und dennoch so wenig Verständnis, was man damit anfangen kann. Ihr versucht die Verborgensten Winkel in allen Ursachen des Seins zu erforschen. Aber wie uns eure bisherigen Geschichtsepochen zeigen und beweisen, entzieht sich das unser aller Logik. Ihr Menschen verhaltet euch sehr merkwürdig und in den meisten Fällen auch äußerst feindselig gegenüber dem Neuen und nicht Erklärbaren. So sei es. Wir haben und werden uns niemals das Recht herausnehmen, eure Lebensart und Lebensweise zu beeinflussen. Außer natürlich mit geringfügigen Ausnahmen, die aber niemanden von eurer Spezies Schaden zufügen werden. Dennoch, vielleicht zeichnet euch genau dieses Verhalten und diese Eigenart aus, dass ihr so fabelhafte Überlebenskünstler seid. In allem seht ihr Erdlinge feindliche Gesinnung, Verrat und Untreue eures Nächsten gegenüber. Auf der einen Seite vertretet und verkündet ihr in so vielen Sprachformen Liebe und Freundschaft. Und auf der anderen Seite tretet ihr sie wiederum mit euren Füßen. Doch trotz alledem leuchtet da ein Licht in jedem einzelnen von euch, ob er gut ist oder gar böse. Wir wissen, schwer ist euer Lebenslos, viele von euch sind einsam, ja einsam und alleine, immer im Drang zu überleben. Nur für einen Augenblick seid ihr vereint, vereint als Ganzes während eurer Vermehrung. Doch ist es nicht zu spät, die Grenzen der Macht des Hasses zu zerbrechen und zu vergraben für alle Zeiten und die Ewigkeit. Nach der absoluten Macht des Kollektiven müsst ihr trachten. Ergreifen und halten sollt ihr die neu gewonnene Einigkeit zwischen allen Völkern eures Planeten, um die Macht der Liebe in allem was euch umgibt zu vereinen. Vergesst nie, ihr seid auf der euren Welt und das genau wie wir und so vielen, vielen anderen Spezies im unendlichen Kosmos, nur Gäste auf diesem Planeten, den ihr Erde nennt. Der auf dem Weg der Evolution bis hin zu seiner Vollkommenheit ist, im Zusammenspiel mit der Schöpfung. Es liegt ganz alleine in eurem Herzen versteckt und es ist jedem einzelnen selbst bestimmt und überlassen, davon Gebrauch zu machen. Den vollkommenen und einzig wahren Weg zu gehen. Seid euch meinem Mitgefühl zur Unreife der daraus entstehenden Fehlern eures Zeitgeschehen gewiss.

Als Xarmax, der Heilige von Goderijan, seine Botschaft beendet hatte, füllte wieder Stille den Raum. Norman und Katja waren über diese Botschaft zutiefst betrübt, da sie erkennen mussten, wie wahr doch dieser heilige Xarmax sprach. Viel zu viele Kriege geschahen auf dem Planeten Erde und wird es noch geben. Sie werden sich wie Schatten des Bösen auf den Menschen legen. Wie viel Elend und Hungersnöte hätten verhindert werden können. Anstatt nach dem zu greifen, was der heilige Xarmax lehrte. Stattdessen greifen die Menschen lieber nach Macht, dem schnöden Mammon, und fast ohnmächtig nach Ansehen, Ruhm, Anerkennung und nach sinnlosem Schmöker. All das ohne Rücksicht auf Verluste. Genau so wie er es beschrieb, so waren die meisten Menschen. Eine Schande, wenn man bedenkt, dass es der Mensch selbst in der Hand hat, alles zu verändern und zwar im guten Sinne. Für sich selbst und als Gast des Planeten Erde.

»So, meine Lieben, jetzt will ich euch erklären, was es mit dem Alarm auf sich hatte. Dieser erschütternde Ton, den ihr da gehört habt, ist sozusagen unser Vorwarnsystem.«

»Was für ein Vorwarnsystem denn, und wofür?«, seufzte Katja bei dieser Frage.

Und selbst Norman, den fast nichts aus seiner Ruhe brachte, horchte neugierig auf.

»Geduld, Katja, Geduld! Es begann damals vor ungefähr 22 Quantons, das ist in eurer Zeitrechnung ungefähr 1600 und, um genauer zu sein, 1601 Jahren. Schon in jener Zeit waren wir Goderijaner, oh... ich Dummerchen, verzeiht doch bitte meinen Ausrutscher, was ich meinte, ist, dass wir Dogon, schon um einiges an technischem Wissen, den uns bekannten Völkern im Universum weit voraus. In der Erkundung des Weltalls durchquerten wir mächtig ausdehnente und nie enden wollende Quadranten, ja riesige Zonen in denen Milliarden von neuen Welten hätten Platz gefunden. Und es ging weiter und nach den Quadranten folgten enorme Quaduzanden-Zonen. Doch dies zu erklären würde jetzt zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Nun, wir stießen dabei in bisher uns ungeahnte Gefilde tief in den Raum anderer Galaxien ein. Damals verdankten wir unsere Erfolge den von uns erfundenen Materieproxionen, mit denen wir noch nie dagewesene Geschwindigkeiten erzielen konnten, die jeglicher Vorstellungskraft trotzten. Wir stellten in exakt regelmäßigen Abständen Expeditionen auf, die wir in sämtliche bekannten und unbekannten Winkel des gigantischen Kosmos aussandten. Schon nach ein paar Jahren, und das wiederum in eurer Zeitrechnung gemessen, bekamen wir die ersten Entdeckungsberichte aus jedem erdenklichen Bereich des so unendlich großen Universums zugesandt. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Bis uns auffiel, dass ein Bericht einer unserer Expeditionen fehlte. Daraufhin sandten wir einen Ruf-Kontakt zu dieser Expedition, doch auch dies verlief ohne Erfolg. Sodann, als letzte Maßnahme sandten wir eine Rettungsexpedition in den Quadranten, wo sich die Vermissten zuletzt aufhielten. Zu unserem Unglück kehrte auch diese Rettungseinheit nicht mehr zurück. Keiner konnte sich dieses Unglück vorstellen. Selbst unser kollektives Zusammengehörigkeitgefühl, das uns stehts fühlen ließ, wenn irgendeiner von uns sich in Not befand, ließ uns in dieser Sache im Stich. Jegliche Möglichkeit, die wir zur Rettung unserer Expedition beitrugen, war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Bis es uns gelang, eine Art Sonde in diesen fraglichen Quadranten zu schicken. Die uns, bis auch sie in den Tiefen verschwand, wenigstens einige Aufzeichnungen und Daten senden konnte. Als wir diese Aufzeichnungen und Daten ansahen und ausarbeiteten, blieb uns, wie ihr Menschen immer beliebt zu sagen, einfach die Spucke weg. Darin sahen wir ein riesig großes, ja ein überdimensionales Feld, das aus einer, trotz vorhandener Daten, uns unbekannten Energie bestand, die nur in diesem kosmischen Gebiet vorkam. Die enorme Größe, dieses Energiespektrums oder sagen wir einmal, Energiefeldes, das sich fast über den ganzen vorhandenen Bereich erstreckte, verhinderte bislang jedwede Passage durch dieses ausdehnungsräumliche Gefilde. Und jetzt kommt der eigentliche Grund unseres Vorwarnsystems. Da wir sehr nahe an diesem Quadranten, in dem sich dieses uns gegenüber feindlich verhaltende Energiespektrum befindet, mit unseren Raumschiff herankommen und müssen, besteht die Gefahr, dass wir in die Gravitation dieses Feldes geraten, von ihr angezogen und somit vollständig zerstört würden.«

»Aber, wieso wählt ihr denn nicht einen anderen, also einen ungefährlicheren Weg nach Hause? Ich meine, das Weltall ist doch enorm riesig, ja unendlich, oder?« Eine kluge und auch eine berechtigte Frage, die da von Norman herüberkam.

»Gar kein schlechter Gedanke, Norman, dennoch für uns zwecklos. Wir müssen an dieser Gefahr vorbei, da sich in unmittelbarer Nähe unsere Passage und die dazu gehörende Zeitschleife befindet. Es ist so eine Art Weltraumfahrstuhl. Und das, meine Lieben, kann ich euch beim besten Willen nicht erklären. Selbst ich bin auf dieses Wissen nicht programmiert worden. Es ist, so wie ihr es zu sagen pflegt, top secret.

Und nun komme ich ins Geschehen. Sollte unser Schiff gefahr laufen in dieses Gravitationsfeld einzutrudeln, sozusagen einzutauchen oder ihm zu nahe zu kommen, schaltet sich unser automatisches Vorwarnsystem ein und übermittelt diese Gefahr direkt an sämtliche speicherfähigen, na sagen wir mal, elektronischen Gerätschaften also auch an mich, wobei ich mich automatisch ins System einbeziehe und das Raumschiff durch meine eingebaute Steuerung aus dieser Gefahrenzone heraussteuere. Gleichzeitig werde ich praktisch auf Sparflamme geschaltet, deshalb bekamt ihr keinerlei Reaktion von mir, als ihr es euch so sehr erhofftet. Ich hoffe, ihr tragt es mir nicht nach.«

Lyr wartete schließlich auf eine Antwort von den beiden. Besonders von Katja, die ja Lyr über alle Maßen als elektronisches Ersatzteillager für Staubsauger degradierte. Nicht nur Lyr, nein, auch Norman sah ganz scharf in Katjas errötendes Gesicht, das sich zunehmend zu einem Schauspiel der puren Traurigkeit mimte.

»Lyr, es tut mir Leid, ich...«

»Es ist schon gut, Katja. Alles vergeben und vergessen. Ich hoffe, dass wir weiterhin gute Freunde bleiben.«

Lyrs Reaktion auf Katjas Entschuldigung verblüffte sie doch sehr.

»Aber natürlich Lyr, bleiben wir stehts Freunde.«

»Na also, warum denn nicht gleich so.«, warf Norman freudig ein.

»So, ich glaube, dass es nun Essenszeit für euch beide ist. Ich begleite euch noch in den Speisesaal. Ich hoffe, dass ihr einen Mordshunger mitbringt, denn ihr werdet heute mit Freude erwartet.«

»Von wem denn?«, wollte Katja wissen.

»Na, von fast allen Dogon!«,verkündete Lyr mit einem stolzen Gesichtsausdruck.

»Oh Mann, ich bin ja nicht einmal passend Angezogen!«

Katja war es schließlich so gewohnt, sich bei einem Essen schick und fachgerecht anzukleiden. Und das gleiche galt auch für Norman.

»Aber nicht doch, bei uns hier spielt das doch keine Rolle.«, erwiderte Lyr.

»Vielleicht spielt es für euch keine Rolle, für mich aber schon. Du und Norman, ihr könnt meinetwegen wie die Gammler herumlaufen, ich jedenfalls nicht, ich werde jetzt auf mein Quartier gehen und mich frisch machen. Anschließend werde ich mich ganz schick ankleiden. So, und damit basta. Irgendwelche Einwände?«

Norman und Lyr sahen sich achselzuckend und hocherfreut darüber an, dass Katja endlich wieder die Alte war.

»Nein? Gut, und Tschüss!« Norman holte tief Luft.

»Tja, Lyr, ich glaube, jetzt haben wir unsere sprunghafte und agile Katja wieder. Oder was meinst du?«

»Ja, Norman. Das ist sehr wichtig für ihr Wohl. Norman, müssen wir sehr lange auf Katja warten?», erkundigte sich Lyr ungeduldig.

»Och, weißt du, Lyr, die Frauen brauchen immer etwas länger als wir Männer. Aber ich schlage vor, dass wir trotzdem auf Katja warten.«

Und als Katja fertig umgezogen war, gingen die drei zum Mittagsessen.



 Kapitel 8, Das Radioteleskop-Signal

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