Zu den Grenzen des Planeten Goderijan

Science Fiction Roman von Peter Althammer

Kapitel 19

Angriff auf den Planeten Sinas (Teil 4)

Wieder auf dem Mutterschiff, der Surenech:
 

Norman und Katja befanden sich längst wieder in ihren Quartieren. Und ein jeder von ihnen, auch der Rest der Gruppe, langweilten sich mal wieder zu Tode.

Katja saß gerade an ihrem Tagebuch, als es an ihrer Tür klopfte.

»Komm rein, Norman?«, rief sie in Richtung Tür. Wie schon so oft wusste Katja mal wieder, dass es Norman war, der da an der Tür klopfte.

»Ah, Katja, wie ich sehe schreibst du gerade in dein Tagebuch? Ich hoffe, ich störe nicht allzusehr?«, erkundigte sich Norman zunächst.

»Aber nicht doch, Norman, bin gerade mit meinem heutigen Eintrag fertig geworden.«, erwiderte Katja sich freuend.

»Was, jetzt schon, der Tag ist doch noch gar nicht zu Ende?«, fragte Norman feststellend.

»Da hast du zwar Recht, aber sag mir mal, was könnte heute schon noch passieren?«, stellte sie die Frage.

»Da hast du mal wieder Recht. Zur Zeit ist hier auf der Surenech wirklich die Langeweile eingekehrt.«, sagte Norman verstimmt.

»Du sagt es. Aber willst du mir denn nicht verraten, weswegen du hier bist?«, wollte Katja wissen.

»Ach ja, hätte ich bald vergessen. Ich wollte dich fragen, ob du mit in den Computerraum kommst. Wir könnten doch einen lustigen Spielwettbewerb veranstalten, oder?«, fragte Norman.

»Klar, wäre ganz nett. Ist doch mal was anderes. Und weißt du was? Wir könnten doch auch die anderen der Gruppe fragen, was sagst du dazu, Norman?«, kam Katja mit dem Vorschlag an.

»Meinetwegen, wenn du meinst.«, antwortete Norman plötzlich gelangweilt.

»He, was hast du denn plötzlich, war doch deine Idee, oder?«, stellte Katja fest.

»Ja, schon, wenn da nicht dieser Irre wäre! Die anderen sind ja ganz okay?«, murrte Norman herum.

»Halt, sag nichts, ich weiß wen du meinst. Du meinst Gregor, stimmts oder hab ich Recht?«, sah Norman Katja bejahend an.

»Ach Norman, ich weiß ja, dass Gregor ne echte Nervensäge ist. Dieser Typ mit seinem ständigen Genörgel und Gejammer. Aber wir sollten ihn nicht ausschließen. Weißt du, er hat genau wie die anderen Angst. Und diese Angst vor dem ständigen Unbekannten mit denen sie konfrontiert werden, versucht er natürlich durch dieses Verhalten zu verbergen. Es ist eine Art Selbstschutz. Denke doch mal an uns selbst, als wir entführt wurden. Mann, was habe ich da Angst ausgestanden. Es war so arg, dass ich manches Mal dachte, den Verstand zu verlieren.«, wies Katja darauf hin.

»Ja, du hast wie immer Recht, mein Schwesterchen. Ich kann noch immer nicht richtig schlafen, so oft habe ich Albträume deswegen. Na gut. Ich versuche, mich zu beherrschen, Katja.«, versprach Norman seiner Schwester.

»Siehst du, so gefällst du mir schon besser. Wie immer sicher und entschlossen, Brüderchen.«, lobte sie Norman.

»Nun lass uns aber die anderen fragen, ob sie mitmachen, okay?«, sagte Katja.

»Okay, gehen wir.«

Katja legte noch geschwind ihr Tagebuch in die Lade ihres Schreibtisches und ging mit Norman ein Quartier nach dem anderen ab. Bald schon waren alle beisammen und gingen in Richtung des Liftes, als ihnen mal wieder Lyr entgegen kam.

»Seht mal, da kommt unser elektronischer Mülleimer!«, lästerte Gregor mal wieder über Lyr den Androiden.

»Gregor, lass ihn doch endlich mal in Ruhe.«, schimpfte Sarah mit Gregor.

»Wer soll mich denn daran hindern? Du Brillenschlange etwa?«, wurde nun Gregor grob.

Doch bevor Sarahs Vater einschreiten konnte, schob Norman Gregor beiseite.

»Ich werde dich daran hindern, wenn du nicht bald dein elendes Schandmaul hältst!«, stellte sich nun Norman zwischen Gregor, Sarah und ihren Vater. Norman sah Gregor furchtbar böse und sehr intensiv in die Augen. Doch Gregor getraute sich gegen Norman nichts zu unternehmen. Er hatte schlichtweg Angst vor ihm.

»Dachte ich es mir doch?«, bekräftigte Norman sein Handeln, drehte sich von Gregor weg und ging auf Lyr zu.

»Hallo Lyr, wo willst du denn hin?«, fragte Norman.

»Ich wollte gerade zu euch. Aber eine Gegenfrage: Hattet ihr etwa eine Konfrontation?«, fragte Lyr die gesamte Gruppe.

»Ach, vergiss es, Lyr, ist nicht der Rede wert.«, erwiderte Norman.

»Da bin ich aber froh. Es wäre sehr unangenehm für mich, wenn ihr euch nicht mehr verstehen würdet. Ich wüsste nicht, wie ich dies dem Heiligen Xarmax berichten sollte. Aber nun was ganz anderes: Sicherlich wird es euch interessieren, was für eine neue Neuigkeit ich euch mitgebracht habe?«, tat Lyr sehr geheimnisvoll.

»Lyr, nun spann uns doch nicht länger auf die Folter. Was ist es?«, fragte nun Peter.

»Ihr müsst Lernen euch etwas mehr in Geduld zu üben. Die Wiederherstellung unseres Hypersuptinar-Antriebes ist so gut wie abgeschlossen. In etwa ein bis zwei Stunden sind unsere Techniker so weit und wir können endlich auf Goderijan zurückfliegen. Na, was sagt ihr dazu?«

»Na endlich, Lyr. Das wurde ja langsam Zeit!«, beschwerte sich, wie konnte es auch anders sein, Gregor mal wieder.

»Und was hattet ihr vor?«, fragte Lyr im Nachhinein.

»Och, wir wollten gerade in den Computerraum und nen kleinen Spielwettbewerb veranstalten. Du kannst ja mitmachen, wenn du Lust hast?«, fragte Katja Lyr den Androiden.

»Ein anderes Mal, meine Liebe. Ich muss auf die Brücke zurück. Wir sehen uns beim Abendmahl, okay?«, gab Lyr Bescheid.

»In Ordnung, mein Bester, bis dann.«, sagte Katja

Also ging jeder seines Weges und tat das, wofür er sich im Augenblick berufen fühlte.

Einige Zeit später, beim Abendmahl, berichtete Lyr, dass er wieder mal ne Neuigkeit für die ganze Truppe hatte. So kam es, dass sich alle auf Wunsch von Lyr im Großen Saal trafen. Das große Rätseln, was Lyr mal wieder für Neuigkeiten hatte, machte seine Runde. Getuschel hallte durch den riesigen und fast leeren Saal. Da kam er auch schon an, stolz und erhaben schritt er den Mittelgang entlang, der zwischen den linken und rechten Sitzreihen bis hin zum Podest führte. Lyr setzte sich zu seiner Gruppe in die Reihe und schaute nach vorne, als würde er auf irgendetwas warten.

»He, Lyr, was machst du denn da?«, fragte Mary verwundert.

»Na, ich sitze.«, gab er zur Antwort.

»Natürlich, das sehe ich auch. Ich meine, warum hast du uns hierher bestellt? Wir dachten, dass du für uns eine Neuigkeit hast?«, fragte Norman, der es erst gar nicht glauben konnte.

»Ja, das habe ich, doch was der Heilige Xarmax von uns möchte weiß ich bis jetzt auch noch nicht. Ich weiß nur, dass er mir vor geraumer Zeit diese Order erteilt hat.«, ergänzte Lyr.

»Wieso der Heilige Xarmax, wir dachten, dass du von uns etwas möchtest, dass du mal wieder ne Neuigkeit parat hast?«, sagte Norman.

»Genau, vom Heiligen Xarmax hast du uns nichts gesagt? Oh Mann, wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich schöner angezogen?«, beschwerte sich auch Katja.

»So beruhigt euch doch, ich fand keine Zeit dazu.«, erwiderte Lyr.

»Und was will seine Heiligkeit denn von uns?«, fragte nun Gregor.

»Das sagte ich doch bereits, ich weiß es selbst nicht, Gregor.«

Plötzlich und wie aus dem Nichts kommend erschien seine Heiligkeit, der Heilige Xarmax auf dem Podest. Da staunte die Gruppe nicht schlecht. Zumal sie ja wussten, dass seine Heiligkeit zu dieser Zeit eigentlich in der Hauptstadt Bonchach auf Goderijan residierte.

»Lyr, siehst du? Seine Heiligkeit selbst! Ich dachte, er sei in Bonchach? Dabei steht er leibhaftig auf dem Podest?«, zeigte Susanne mit dem rechten Zeigefinger in dessen Richtung.

»Was ihr hier zu sehen bekommt ist eine Art signalisierte Aufzeichnung, ihr Menschen würdet es als Hologramm bezeichnen.«, erklärte Lyr ganz leise.

»Aja, davon hatte ich schon mal was gehört. Weißt du, Lyr, das habe ich mal im Kino gesehen. Und so etwas gibt es also wirklich?«, sagte Gregor zu Lyr.

»Bei euch, so glaube ich, noch nicht, was sich aber bestimmt ändern wird. Doch bei uns ist es Realität. Aber du musst jetzt schweigen, Gregor. Wir sollten seine Heiligkeit nicht warten lassen.«, versuchte Lyr Gregors Wissensdurst ein wenig unter Kontrolle zu bringen.

Da saßen nun allesamt, Lyr mit seiner Gruppe, die nun ganz gespannt aufhorchten.

»Ich grüße meine Freunde, die Menschen. Ich bin froh, euch bei bester Gesundheit wiederzusehen. Wie euch bereits von meinem treu ergebenen Androiden Lyr berichtet wurde, haben wir mit Hilfe unserer Verbündeten den entscheidenten Gegenschlag gegen diese infame und bösartige Spezies Nohkui gewonnen. Noch in den nächsten Stunden werdet ihr euch mit dem Mutterschiff auf den Heimweg nach Goderijan machen. Jedoch muss ich euch leider auch eine schlechte Nachricht überbringen. Zur Zeit residiere ich und ein großer Teil der Bevölkerung nicht in meinem Palast, sondern viele hundert Meter unterhalb meiner Residenz. Mit diesem Sieg gegen den Angriff dieser Bestien, mussten wir auch einen Tribut zollen. Ja, ein großes Opfer bringen. Nicht nur dass wir viele tapfere Soldaten unserer Verbündeten zu beklagen haben, nein, auch den Verlust und die fast vollständige Zerstörung unserer geliebten und schönen Stadt Bonchach ebenfalls. Doch diesen immensen Verlust an der Kultur und Schönheit unserer Stadt sollte uns nicht in unserem Überlebensdrang schwächen oder gar resignieren lassen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Es wird uns nur noch mehr im Tatendrang stärken und Bonchach wieder aufbauen lassen. Mit vereinten Kräften werden wir Bonchach in einem noch nie dagewesenem Licht erstrahlen lassen. Dessen bin ich mir und mein Volk sicher. Nun zu euch, meine lieben Menschen, die ihr vom Planeten Erde stammt. Viel Kummer haben wir Goderijaner euch bereitet. Doch ich glaube, dass ihr genauso gehandelt hättet, wenn euch diese Mittel zur Verfügung gestanden hätten, wenn es um euer Überleben, um eure Existenz, gegangen wäre. Ich kann euch deswegen nicht um Verzeihung bitten, vielmehr bitte ich um euer Verständnis, für ein noch immer sterbendes Volk, das Volk der Goderijaner. Nun zu euch beiden, Norman und Katja. Lyr, mein Androide, hat mich davon unterrichtet, dass ihr nun eure in eurem Inneren ruhenden Macht mit der meinen zu vereinen bereit seid. Mein Volk und ich sind mehr als glücklich darüber und stehen fortan in eurer Schuld. Doch nun zu den erfreulicheren Dingen. Bald nach eurer Ankunft werden wir trotz aller widrigen Umstände zu Ehren unserer Verbündeten. also aller hohen Kommandeure, und unseren Rettern und euch Menschen vom Planeten Erde, ein großes Fest feiern. Zudem ließ ich im Untergrund verkünden, dass jeder, der in Frieden kommt, auf diesem Fest der Freundschaft willkommen ist. Das, meine lieben Erdenmenschen, wäre zunächst alles. Ich freue mich schon, euch endlich bei uns zu haben.«

Dann erlosch das Hologramm so schnell wie es erschienen war.

Da saßen sie nun alle, die Gruppe und Lyr der Androide, stumm, nachdenklich und in sich gedanklich eingekehrt. Es folgte ein Augenblick, den sie sich selbst nicht erklären konnten. Vielleicht dachte jener Einzelne von ihnen an seine eigentliche Situation in der er sich befand. Oder wann er endlich wieder nach Hause durfte, nach Hause auf seinen Planeten Erde. Aber wer weiß das schon.

»Lyr stand von der dritten Sitzreihe, vom Podest aus gesehen, auf und sah seine Schützlinge intensiv an. Er bemerkte die Bedrückende Stimmung, die sich wie eine ansteckende Krankheit innerhalb seiner Gruppe breitzumachen schien. Obwohl er ein künstliches Wesen war, spürte Lyr, dank seines Emotionschips, dass seine Schützlinge von dem Gefühl des Heimwehs gebeutelt wurden, ja, sich sehnlichst nach Hause wünschten.

»Na, das ist doch mal ne Neuigkeit, oder? Eine Feier, eine riesige Fete, wie ihr es nennen würdet?«, wollte Lyr seine Schützlinge etwas aufheitern, was aber sichtlich in diesem Moment von vornherein zum Scheitern verurteilt war.

»Lass gut sein, Lyr?«, sagte Katja besonnen, die erkannte, dass Lyr sich offenbar mächtige Sorgen um die Gruppe zu machen schien.

»He, Leute! Was ist denn mit euch los? Es findet doch keine Beerdigung statt!«, kam Gregor völlig gefühllos herüber. Was aber dieses Mal keinen von dem Rest der Gruppe sonderlich zu interessieren schien.

»Aha, die eitlen Herrschaften reden wohl nicht mit meinesgleichen, was?«, versuchte Gregor weiterhin, seinen Senf dazuzugeben. Doch weiterhin liefen seine Versuche, Aufmerksamkeit zu erregen, ins Leere, so dass er schließlich klein bei gab und zur Freude aller sich endlich beruhigte.

So langsam wich das Ärgernis aus ihren Gesichtern. Dann folgte zum Schrecken aller und aus heiterem Himmel ein abrupter Ruck, gefolgt von einem Beben, der das gesamte Mutterschiff zwar nur ganz kurz, aber dennoch sehr heftig durchrüttelte.

»Lyr, was war denn das eben?«, fragte Mary, die ganz blass anlief, genau wie der Rest der Gruppe.

Bis jetzt kann ich euch auch nichts darüber sagen. Ich prüfe gerade den Hauptcomputer auf etwaige Schäden.«, sagte Lyr nun mit beruhigender Stimme zu seinen Schützlingen. Nach einer kurzen Weile:

»Ich muss sofort auf die Brücke.«, erklärte Lyr, zwar noch besonnen, doch sichtlich nervös geworden.

»Lyr, was ist denn nun schon wieder geschehen?«, fragte Sarah ängstlich nach.

»Der Hauptcomputer hat mir soeben gemeldet, dass wir fast mit einem Kometen kollidiert wären?«, erklärte Lyr, während er sich immer zappeliger zeigte.

»Du sagst 'nur fast'? Und warum bist du dann so nervös?«, stellte Mary berechtigterweise fest.

»Leider hat sich deswegen ein Problem aufgetan. Wegen des Kometen sind wir in dessen Schweif geraten und werden seitdem mitgesogen.«, erklärte Lyr des weiteren.

»Und was bedeutet das nun? Ich meine, was hat das für Folgen?«, wollte Norman wissen.

»Das bedeutet im Klartext, dass das Mutterschiff auf die Dauer ohne Schutzschild und dem Antrieb diese Geschwindigkeit nicht sehr lange unbeschädigt mithalten kann.«, stellte Lyr fest.

»Ja, und weiter?«, fragte nun Susanne.

»Das bedeutet, dass die Surenech früher oder später durch die enorme Gravitation des Schweifes nicht auf Dauer standhalten kann und letztendlich zerbersten wird.«, sagte Lyr offen.

»Ach du meine Güte!«, schrie Gregor völlig aufgelöst.

»Das gibt es doch nicht! Alle Augenblicke sind wir in Gefahr.«, äußerte sich Stephan, wobei die anderen ihm rechtgaben.

»Was ist eigentlich mit eurem Sensoren-Vorwarnsystem? Hat es euch denn nicht vor dem Kometen rechtzeitig vorgewarnt?«, wollte nun Norman wissen.

»Durch die enormen unkalkulierbaren Reibungs- und Dehnungs-, Sog- und Verzerrungskräfte denen die Surenech von diesem gigantischen Kometen ausgesetzt wurde, fielen sämtliche sensorische und speicherfähige Prozesse im Hauptcomputersystem aus. Nur die Not- und Lebenserhaltungsenergien konnten bisher aufrechterhalten werden. Zudem kommt noch erschwerend hinzu, dass wir durch diese wirkenden Kräfte in eine Art Raumgitter-Verzerrungssog des Kometen befördert und in einen uns bisher noch unbekannten Quadranten katapultiert wurden.«, fügte Lyr noch hinzu.

Dann verschwand Lyr wie ein Sausewind von dannen. Allein und im großen Saal zurückgelassen sah sich die Gruppe sprachlos an.

»Das gibt es doch nicht, das darf doch alles nicht wahr sein! Ich will endlich wieder nach Hause! Ich will zurück auf die Erde und ich will verdammt nochmal mein Leben zurück!«, jammerte Gregor mal wieder. Doch nicht wie sonst, wo Gregor jedem aus der Gruppe auf die Nerven ging, verstanden sie ihn diesmal. Weil sie instinktiv spürten, dass er Recht hatte. Auch sie hatten so langsam die Schnauze gestrichen voll. Nur Norman und Katja schienen als einzige die Situation im Griff zu behalten. Was daraufhin Gregor natürlich sofort bemerkte und dementsprechend reagierte:

»Was ist eigentlich mit euch beiden los?«, fragte Gregor nun Norman und Katja.

»Wieso, was soll denn los sein?«, kam Katja mit einer Gegenfrage.

»Ich glaube es einfach nicht. Wir müssen damit rechnen, dass dieses verdammte Schiff, ja diese verdammte Blechdose, jeden Augenblick auseinanderfällt und ihr fragt mich doch allen Ernstes, was denn los sei? Zudem kommt noch hinzu, dass wir antriebslos in irgend einen gottverdammten und verlassenen Quadranten geschossen wurden und höchstwahrscheinlich nicht einmal wissen, wie wir wieder nach Goderijan zurückkommen sollen. Mann, das muss man euch beiden lassen, ihr habt die Ruhe weg!«, krakeelte Gregor immer heftiger auf Katja und Norman herum.

»Gregor, ich habe dich schon einmal gewarnt, dass du dein elendes Schandmaul halten solltest. Du vergisst eines: Wir sitzen alle im selben Boot. Es nützt uns also überhaupt nichts, in dieser Situation durchzudrehen. Und bitte begreife endlich, dass sich dir niemand anschließen wird. Mit deinem endlosen Gejammer, kämen wir alle nicht sehr weit. Ich habe dich und deine ansteckende Feigheit langsam satt. Entweder du hältst jetzt augenblicklich deinen Mund, oder ich werde dich eines besseren belehren.«, gab Norman Gregor unmissverständlich zu verstehen. Gregor sah Norman hasserfüllt an. Dennoch blieb ihm im Endeffekt nichts anderes übrig, als sich von Norman abzuwenden und seinen Mund zu halten. So kam es, dass sich Gregor wortlos auf seinen Platz setzte und schwieg.

»Meine Wenigkeit jedenfalls wird sich nun zurückziehen. Ich brauche ein paar Minuten für mich.«, sagte Norman.

»Ja, das ist eine gute Idee. Den Spielwettbewerb können wir ja ein anderes Mal nachholen, wenn alles glatt geht und sich die jetzige Situation hoffentlich entschärft.«, folgte nun Katja.

Der Rest der Gruppe folgte diesem Beispiel und stapfte hinter Norman und Katja her. Tiefgründige Gedanken folgten. Normans Herz wurde ihm schwer. Er dachte an seine Familie und an seine Kinder. Er wusste, dass durch den Zeitsprung in dessen Zeitschleife, dem sie auf der Hinreise zum Planeten Goderijan ausgesetzt wurden, diese seine Familie längst nicht mehr lebte. So schrecklich, viele Jahrhunderte waren seither vergangen. Jedoch nichts desto Trotz wusste Norman, dass durch den letzten Zeitsprung in der Zeitschleife auf dem Nachhauseweg seine reale Zeit wiederkehren würde und er bei Ankunft in seiner Heimatstadt seine liebe Familie wieder in seine Armen schließen konnte, da sich die Zeit in die Vergangenheit zurückkehrte. Doch nur dann, wenn das Versprechen der Goderijaner aufrechterhalten würde. Norman spürte diese ständig steigenden Ängste, die sich in Aggressivität umwandelten. Doch es nutzte nichts, da musste die gesamte Gruppe durch. Es war ja nicht so, dass Norman den Dogon nicht mehr zu trauen schien, doch machte er sich schon einige Gedanken. Zumal er und der Rest der Gruppe immer öfter in Gefahr gerieten, worauf die Dogon doch eigentlich achten müssten, da, wie bereits des bekanntgegeben wurde, er und Katja ihr höchstes und wichtigstes Gut wären. Nun ja, Norman beließ es bei seinen negativen Gedankengängen, derzeit konnte er sowieso nichts daran ändern. Und so setzte die Gruppe ihren Gang in Richtung ihrer Quartiere fort.


*
 

Unterdessen, und wie wir bereits wissen, befanden sich Kommandeur Miwar und vier seiner untergeordneten Offiziere, die da waren Pilch, Bhonds, Frappee und Magbur, auf dem Weg zur unterirdischen Stadt, welche den Goderijanern gehörte. Sie hatten den Auftrag, für die Goderijaner die unterirdische Stadt, welche schon längere Zeit von den grausamen Nohkui, einer intelligenten insektenartigen Spezies, illegal besetzt wurde.

Hintereinander, ja wie junge Küken, die stets ihrer Mutterhenne hinterherliefen, marschierten sie achtsam und leise durch die hügelige Landschaft.

»Alles halt!«, befahl Kommandeur Miwar seinen Offizieren leise, die daraufhin abrupt stehen blieben und nach dem Handzeichen seitens ihres Kommandeurs sich eilig zu ihm gesellten. Kniend und im Halbkreis formiert lauschten sie den Worten ihres Kommandeurs.

»So, hört mal her! Laut Bericht aus der Sonde und dem Plan müssten wir bei diesem Tempo in ungefähr fünfzehn Minuten den Bereich, wo sich die unterirdische Stadt befindet, erreicht haben. Ich bitte daher nun um absolute Ruhe. Und seid stets wachsam. Haltet die Augen und Ohren offen. Ich möchte nicht einen einzigen von euch wegen irgendeiner Nichtigkeit, die man hätte vermeiden können, verlieren. Wenn wir an unserem Ziel angelangt sind, werde ich meinem Hintermann ein Zeichen geben, der dieses Zeichen dann weitergibt. Ich betone: Ich möchte kein einziges Wort von euch hören. Sollte jemand etwas wichtiges zu melden haben, gibt er es per Handzeichen weiter. Habt ihr das verstanden?«, fragte Miwar seine Schützlinge von Offizieren.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, erwiderten alle vier Offiziere mir einen lauten Ton im Spalier.

»Sagte ich denn nicht gerade, dass ich keinen einzigen Ton mehr von euch hören möchte?«, grinste Miwar, als er in ihre verdutzten Gesichter sah.

Der noch fünfzehn Minuten lange Marsch verging schnell für Miwar und seine vier blutjungen Offiziersanwärter. Miwar wusste, dass es ihr erster ernster Einsatz war. Sie waren mutig, klug, gerissen und sogar ein bisschen verwegen. Doch kam in jedem einzelnen von ihnen dieses bedrückende Erste-Mal-Gefühl in der Magengegend hoch. Ein Gefühl als stünde man kurz vor dem Ersticken, als schnüre irgendetwas einem die Luft ab. Die Atmung wird flacher. Dass Herz rast wie wild. Kalte Schweißperlen triefen aus sämtlichen Poren und das Schlucken fällt schwer, so trocken wird einem die Kehle. Miwar beobachtete seine jungen Offiziere aufs Genaueste. Er wusste genau, dass im Augenblick keinerlei Gefahr von den Nohkui ausging. Und er wusste, dass sich die unterirdische Stadt genau unter ihnen befand. Miwar hatte zwar nicht sehr viel Zeit gehabt, den gesamten Plan zu studieren, doch was er wissen wollte, ja das hatte er alles in seinem Kopf. Miwar war ein geschickter Taktiker, der aus einer schier unmöglichen Lage eine handfeste und erfolgversprechende Aktion meistern konnte. Das wusste natürlich auch sein Auftraggeber und zugleich Befehlshaber, General Goduru.

Miwar gab sofort Handzeichen, als er sich sicher glaubte, den genauen Punkt, von wo er mit seinen Offizieren in die unterirdische Stadt eindringen wollte, gefunden zu haben.

»Was ist, Herr Kommandeur?«, fragte Offizier Magbur kreidebleich.

»Ruhig, Magbur. Es ist keine Schande, etwas Angst zu empfinden. Angst macht vorsichtig. So, jetzt genau aufpassen. Wir befinden uns genau an dem Punkt, von wo wir in die Luftschächte eindringen werden.«

»Ja, aber wollten wir denn nicht in die Stadt eindringen?«, fragte Offizier Frapeeh.

»Erstens sind die Belüftungsschächte ein Teil der Stadt und zweitens brauchen wir nicht so tief einzudringen. Diese Stadt ist mehrere Zontonen (Kilometer)tief. Ich glaube nicht, dass ihr im Stande seid, so tief zu graben, oder?«, warf Miwar ein.

»Zu graben? Wieso denn graben?«, wollte Offizier Pilch wissen.

»Na, das ist ganz einfach, weil zwei von euch, also du und Offizier Frapeeh, genau hier graben werdet. Und zwar exakt einen Onen, (Meter) tief und einen breit, so dass wir mitsamt Marschgepäck hindurch passen.«, befehligte Miwar Offizier Pilch und Offizier Frapeeh, die nicht gerade Begeisterung zeigten. Doch Befehl war eben Befehl und so machten sie sich frisch ans Werk, während Offizier Magbur und Offizier Bhonds und natürlich Kommandeur Miwar auf Beobachtungsposten gingen. Sie gruben und gruben, bis sie schließlich auf einen zu harten Boden stießen, wo es kurzerhand vorbei war, zu graben. Was sie auch gleich ihrem Kommandeur zu melden beabsichtigten.

Offizier Pilch gab Kommandeur Miwar Handzeichen.

»Herr Kommandeur, muss leider melden, dass hier das Erdreich zu hart für das Graben ist. Deshalb glaube ich, dass wir auf etwas gestoßen sind.«, meldete Offizier Pilch.

»Gut erkannt, Offizier Pilch. Ihr könnt jetzt das Graben einstellen. Ihr könnt euch nun fünf Minuten ausruhen. Ich mache hier derweil weiter. Aber geht in Deckung und gebt acht.«, befahl Miwar.

Dann legte Miwar eine Tasche ab, um die er schon die ganze Mission ein Geheimnis machte.

»He, Jungs, seht doch mal unseren Kommandeur an. Fällt euch was auf?«, fragte Pilch die anderen, die sofort ihre leicht verstohlenen Blicke auf ihren Kommandeur richteten.

»Ja, genau, er legt diese geheimnisvolle Bauchtasche ab!«, sagte Offizier Bhonds.

»Genau! Was er da wohl alles zu verbergen hat?«, rätselte Offizier Frapeeh laut fragend.

»Na, was wohl, Dinge, die wir wohl oder übel für den Einsatz brauchen, oder?«, deutete nun Offizier Magbur an.

»Ja, sicherlich hast du Recht. Ist ja auch egal. Bin froh, wenn wir diese ganze Sache heil überstehen.«, gab Offizier Bhonds offen zu.

»Wieso, hast du etwa Angst?«, fragte ihn Offizier Frapeeh ein bisschen lästernd.

»Angst, sicherlich habe ich das, jeder von uns hat Angst. Wenn du keine Angst hast, wie du sagst, dann bist du ein Lügner.«, erwiderte Offizier Magbur.

Sofort wollte Offizier Frapeeh auf Offizier Magbur losgehen und sich mit ihm prügeln, doch diesmal wurde daraus nichts, da natürlich Kommandeur Miwar, der alles mitbekam, sofort zur Stelle war und die beiden auseinandertrieb, indem er jeden, und das gleichzeitig, an den Haaren packte und mit so einem kräftigen Ruck auseinanderwarf, dass sie zu Boden fielen. Als sie so auf dem Boden lagen und langsam bemerkten, wie ihnen geschah, staunten sie nicht schlecht. Jeder von den jungen Offizieren hatte eine jahrelange Ausbildung, in den verschiedensten Kampfarten und Techniken der rigkhonischen Kampfschulen. Man konnte sagen, dass jeder zwar noch sehr jung, aber dennoch ein kleiner Meister des Kampfes war. Nichts desto trotz waren sie verwundert, was für eine Kraft und Schnelligkeit von ihrem Kommandeur ausging.

»Habt ihr beiden denn euren Verstand verloren? Was ist mit euch los?«, fragte Miwar die beiden Streithähne. Doch beide blieben stumm. Keiner der beiden wollte den anderen vor ihrem Kommandeur an den Pranger stellen. Genau so etwas schätzte Miwar sehr. Natürlich war es ein Fehler, ausgerechnet in dieser heiklen und gefährlichen Situation in der sich alle befanden eine Rauferei anzustreben, doch trotz des Streites sich nicht gegenseitig zu verraten, um vor seinem Vorgesetzten besser auszusehen, zeigte Miwar, dass er in seiner Auswahl an neuen Kommandeursanwärtern keinen Fehler oder Misswahl gemacht hatte.

»Nun gut, egal, was ihr zu klären habt, ihr tut dies gefälligst nach diesem Auftrag, ist das klar? Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?«, stellte, Miwar sehr streng die Frage.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, erwiderten beide Offiziere im Spalier.«

»Geht jetzt sofort in Deckung, ich muss nun endlich die Decke des Belüftungsschachts mit dem Impulsenergiefaser freischmelzen.« Dann ging Miwar die paar Meter zum freigelegten Erdloch zurück und nahm seinen Impulsenergiefaser aus seiner bisher geheim gehaltenen Bauchtasche heraus, schnallte sich die Bauchtasche wieder um und ging ein paar Meter wieder zurück. Dann setzte Miwar mit seiner rechten Hand den Faser gezielt in Richtung des von zwei seiner Offiziere freigelegten Erdlochs und drückte ab.

Ein unglaublicher doch geräuschloser Lichtimpuls schoss aus dem Impulsenergiefaser, in das anvisierte Erdloch hinein. Es folgte ein Lichtblitz der so hell war, dass für einen Augenblick lang die gesamte Gruppe geblendet wurde. So langsam legte sich wieder die Aufregung innerhalb der vier Offiziere. Sie wagten es noch nicht, aus der ihnen befohlenen Deckung herauszukommen und warteten lieber auf einen neuen Befehl seitens ihres Kommandeurs.

»Dann winkte Miwar seine Offiziere zu sich, die natürlich dessen Befehl Folge leisteten und sogleich aus ihrer Deckung herauskamen.

»Seht ihr, so schnell verschafft man sich einen Zugang.«, deutet Kommandeur Miwar seine Offiziere auf die meisterhaft gelungene und geschmolzene Öffnung zu dem Belüftungsschacht.

»Genau hier werden wir nun hinuntersteigen. Macht allesamt euer Klettergeschirr fertig.«, wies Miwar seine Offiziere an, während er in der Zwischenzeit seine Beleuchtungsstrahler an seinem Kopf und Schultern befestigte. Miwar leuchtete in das zerschmolzene Loch des Belüftungsschachts hinein um zu sehen, wie tief sie sich denn hinunterhangeln mussten. Ein strenger, eisenhaltiger und muffiger Geruch stieg in Miwars Gesicht aus dem Belüftungsschacht entgegen. Miwar musste husten, so sehr biss ihn der Rauch in seinen Atmungsorganen. Dann schoss Offizier Magbur mit einem dafür speziellen Gerät einen Haken, der sich tief ins Erdreich bohrte, ab und band das Seil daran fest. Anschließend folgte das rituelle Anlegen des Klettergeschirres. Als auch das erledigt war, gesellten sich nun die Offiziere in tiefer Haltung um ihren Kommandeur.

»Alles okay?«, fragte Miwar seine jungen Offiziere, die mit einem bejahenden Kopfnicken zustimmten.

»Wir lassen als erstes die Rucksäcke per Seil hinunter. Anschließend werde ich mich mit dem Seil hinunterlassen. Dann folgt Offizier Miwar, Offizier Pilch und zu guter Letzt folgt Offizier Bhonds.«, befehligte Miwar des weiteren.

Da staunte Offizier Frapeeh nicht schlecht. Da Kommandeur Miwar seinen Namen nicht erwähnte, musste er wohl annehmen, dass sein Kommandeur ihn anscheinend vergessen hatte. Doch weit gefehlt, er hatte ihn durchaus nicht vergessen.

»Was soll ich denn nun tun?«, fragte Offizier Frapeeh seinen Kommandeur berechtigterweise.

»Keine Sorge, mein Bester. Du wirst hier im Unterholz auf Beobachtungsposten gehen. Halte dich ruhig und beobachte alles aufs Schärfste. Du wirst uns den Rücken freihalten. Sollte sich hier oben irgendetwas ereignen, meldest du es uns sofort per Signal, okay?«, forderte Miwar von Offizier Frapeeh.

Nur widerwillig gehorchte Offizier Frapeeh seinem Kommandeur. Denn die Vorstellung, dass er ganz alleine hier oben im Unterholz quasi Schmiere stehen musste, während die anderen Offiziere sich in einem Ernstfall jederzeit gegenseitig verteidigen konnten, behagte ihm überhaupt nicht. Was er sich aber nicht anmerken ließ.

»Offizier Frapeeh, ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte noch Kommandeur Miwar im Nachhinein.

»Natürlich, Herr Kommandeur?«, erwiderte Frapeeh.

»Also, gib gut acht.«, forderte Miwar den jungen Offizier Frapeeh nochmals auf. Dann, als schließlich die Rücksäcke mit dem Nötigsten verstaut und in den Belüftungsschacht hinabgeseilt waren, folgte der Rest der Gruppe.

Währenddessen ging wie befohlen Offizier Frapeeh im Unterholz in Stellung und sah sich mit scharfem Blick ringsherum in seinem Blickfeld angestrengt um. Kein sehr gutes Gefühl hatte Frapeeh nun. Um ihn herum schwebte eine bedrückende Stille. Nichts, außer das Rauschen des Windes konnte er wahrnehmen, der durch die angrenzende Waldlichtung durch die Baumwipfeln strich.

Unterdessen gelangten alle vier auf den Bodengrund des Belüftungsschachtes. Außer dem eindringenden Licht oberhalb der von ihnen eingeschmolzenen Öffnung war nichts zu sehen. Weder in der einen noch der anderen Richtung des Schachtes konnten sie etwas erspähen, so dunkel war es dort unten. So befahl Kommandeur Miwar den drei Offizieren, ihre Lichtquellen, die sie standardmäßig auf dem Kopf und den beiden Schultern, die durch ein Lederriemenartiges Gestell befestigt waren, einzuschalten. Auf diese Weise befanden sie sich in ihrer Bewegungsfreiheit überhaupt nicht eingeschränkt.

Kommandeur Miwar holte den Plan aus seiner Bauchtasche, um nach der richtigen Richtung zu sehen.

»Kommt näher zusammen! Wir müssen nun etwa dreihundert Onen (Meter) hier nach rechts entlang. Also, folgt mir.«, sagte Miwar mit festem Ton zu seinen Offizieren. Alsdann marschierten sie los. Leise und sehr vorsichtig ging es im Gänsemarsch voran. Warme Luft strömte der kleinen Kampftruppe entgegen und je weiter sie in dieser röhrenartigen Formation entlang gingen, desto klarer wurde Kommandeur Miwar, dass sich die Nohkui tatsächlich in dieser unterirdischen Stadt aufhalten mussten, da sie anscheinend das Wärmekraftwerk in Betrieb genommen hatten. Miwar wusste auch, dass die Nohkui die Wärme liebten und wenn möglich kältere Zonen mieden. Nach dieser erkenntlichen Feststellung rief Miwar seine Offiziere leise zu sich, um eine kurze Lagebesprechung durchzuführen.

»Habt ihr auch etwas bemerkt?«, fragte Miwar seine Offiziere.

»Ja, Herr Kommandeur, es wird hier allmählich ganz schön heiß, oder?«, stellte Offizier Magbur fest.

»Genau das gleiche ist mir auch schon aufgefallen?«, stimmte Offizier Pilch zu.

»Ja, beruhigt euch wieder. Wir haben laut Plan noch etwa fünfhundert Onen, bis wir an Punkt zwei gelangen, von da aus müssen wir uns nochmals zirka 250 Onen nach Osten gehen, bis wir an Punkt drei und somit an unser endgültiges Ziel gelangen werden.

»Also, passt weiterhin gut auf, okay?«, erklärte Miwar seinen Offizieren.

Unterdessen, wie könnte es auch anders sein, langweilte sich Offizier Frapeeh in seinem Versteck im Unterholz.

»Mann, wo bleiben die überhaupt? Würde nur zu gerne dabei sein.«

Aber nein, da muss ich als Einziger hier oben bleiben und das Beobachtungsmännchen spielen.«, murrte er im Selbstgespräch in sich hinein.

Und als er um sich herumnörgelte, vernahm er etwas. Ja, er konnte etwas hören, was nicht im Plan, bzw. in sein Konzept passte. Offizier Frapeeh kroch noch etwas weiter in das Unterholz hinein, wo er sich einiges an losem und herumliegenden Gestrüpp zurechtgelegt hatte. Im Unterholz, in einer natürlichen Mulde, umgeben von Gestrüpp und in leichtem Gehölz verborgen, lauschte und harrte er der Geschehnisse.

Verdammt nochmal, was kann denn das sein? Dachte sich Offizier Frapeeh. Er wusste bis jetzt noch nichts Definitives, so dass er berechtigt gewesen wäre, im Falle einer drohenden Gefahr, die den Plan vereiteln könnte, das abgemachte Signal zum sofortigen Abbruch des Einsatzes zu geben. Denn was er lediglich vernahm, war ein sehr hohes Summen. So beschloss er kurzerhand, erst das verabredete Signal zu geben, wenn er sich absolut seiner Sache sicher sein konnte. So wartete er das Weitere ab. Immer lauter schien dieser sehr hohe Ton zu werden, den er nirgends einzuordnen wusste. Bis dann Frapeeh einen Lichtkegel in runder Form so zwanzig Meter vor und etwa dreißig Meter seitlich, des Weiteren sehr tief, ja fast den Boden berührend, vor dem Einstiegsloch herum schweben sah. Es musste also eine Art Abtastsonde sein, die nun wie ein Spion umherschlich und alles in ihrer Umgebung und sich verändernde aufzeichnete und letztendlich weitergab.

Sind wohl entdeckt worden! Dachte, ja fragte sich Offizier Frapeeh.

Noch länger zu warten und somit Gefahr zu laufen, dass das Einstiegsloch von dieser Abtastsonde entdeckt würde, schien Offizier Frapeeh zu riskant zu sein. Deshalb beschloss er kurzerhand und wie verabredet, bei eventueller Gefahr per Signal seine Kameraden zu warnen. Sofort gab er verschiedene Codes ein, um die gegenwärtige Situation bei sich an der Oberfläche so schnell wie möglich bekanntzugeben.

Währenddessen im Belüftungsschacht:

Noch immer schlich Miwar mit seinen Offizieren in dieser riesigen Röhre, also in diesem Schacht, so leise wie nur irgend möglich das Ziel an. Sie mussten es schaffen, den kleinen Behälter mit dem Giftgas, dass sie als Zepin bezeichneten, an der richtigen Stelle, nämlich unmittelbar genau vor der Hauptbelüftungsturbine anzubringen. Wie wir bereits wissen, befindet sich in diesem Behälter noch ein kleinerer Behälter der mit einer chemischen Flüssigkeit gefüllt ist. Und in diesem kleineren Behälter sitzt eine kleine Sprengkapsel, die per Fernzündung zur Explosion gebracht werden kann und dabei die kleine Kapsel zerstört. Wobei aber die Explosion nicht hörbar, also so leise ist, dass sie nicht einmal, wenn jemand genau neben ihr stünde, sie hören könnte. Dabei fließt die chemische Flüssigkeit aus, frisst ein Loch in den größeren Behälter und setzt somit das tödliche Gas Zepin frei. Das ausgesetzte Gas vermischt sich somit mit der angesaugten Luft, die die Hauptbelüftungsturbine beim Ansaugen der Frischluftzufuhr somit in der gesamten unterirdischen Stadt verteilt. In diesem Fall wird alles Leben, das sich zu diesem Zeitpunkt in der unterirdischen Stadt aufhält, unweigerlich getötet.

Noch zweihundert Onen hatte Kommandeur Miwar mit seinen Offizieren bis zu ihrem eigentlichen Ziel. Plötzlich spürte Miwar an seinem Körper das Vorwarnsignal. Miwar hatte einen Empfänger an seinem Körper, der sich durch Vibration bemerkbar machte. So vermied man, durch ein lautes Signal sich selbst zu verraten, falls sich der Feind in der Nähe aufhielte. Als nun Kommandeur Miwar eindeutig die Vibration bemerkte, zuckte er förmlich zusammen.

»Verdammt, und das kurz vor dem Ziel, das darf doch nicht wahr sein.«, ärgerte sich Miwar.

»Was ist denn los?«, fragte Offizier Magbur seinen Kommandeur.

Doch er bekam keine Antwort von seinem Kommandeur,

»Alles mal herhören!«, forderte Miwar ganz leise seine Offiziere auf.

»Offizier Frapeeh meldete gerade eben, dass eine Sonde, höchstwahrscheinlich von den Nohkui, ganz in der Nähe unseres Einstiegslochs die Oberfläche abtastet.«, erklärte Miwar seinen Offizieren genervt.

»Mist noch einmal, was machen wir denn nun?«, fragte Offizier Pilch seinen Kommandeur etwas ängstlich wirkend.

»Woher konnten sie wissen, dass wir hier sind?«, fragte sich Offizier Bhonds zudem.

»Jetzt macht euch nicht gleich verrückt! Ich jedenfalls glaube nicht, dass sie wissen, dass wir hier sind. Genau, überlegt doch mal, würden sie sonst eine Abtastsonde schicken?«, versuchte Miwar seine Offiziere zu beruhigen.

»Stimmt, Herr Kommandeur, sie haben völlig Recht. Die würden doch selbst hierher kommen, oder?«

»Beruhigt euch jetzt. Ihr könnt mir ruhig glauben, diese Abtastsonde überprüft jeden Tag das gesamte Gelände rund um die Unterirdische Stadt.«, gab Miwar locker und ganz ruhig zurück.

»Sie meinen, so standardmäßig? Eine Routine Überprüfung?«, fragte Offizier Magbur.

»Genau, das meine ich. Schlicht und einfach standardmäßig.«, sagte Kommandeur Miwar seinen Offizieren.

»Na dann ist ja alles in bester Ordnung?«, glaubte sich Offizier Pilch nun sicher.

»Nicht ganz, mein Lieber. Verdammt heikel wird die Sache erst, wenn die Sonde beim Abtasten etwas findet, das Einstiegsloch zum Beispiel.«, entgegnete Kommandeur Miwar.

»Und was tun wir, wenn die Sonde tatsächlich das Einstiegsloch entdeckt?«, fragte Offizier Magbur seinen Kommandeur.

»Dann Befehle ich euch den sofortigen Rückzug.«, bekräftigte Miwar.

»Rückzug? Herr Kommandeur, warum reden sie bei dem Wort Rückzug nur von unserer Seite?«, fragte nun Offizier Pilch hallend im Flüsterton.

»Lasst euch eines gesagt sein. Ich werde diesen Auftrag ausführen, koste es, was es wolle. Ich werde jedenfalls keinen einzigen Schritt zurückweichen und ich werde diesen verdammten Bestien den Garaus machen. Ja, ich gebe diesen Insekten-Gehirnen keinerlei Chancen mehr, friedlich lebende Völker dahinzumorden und zu Plündern.«, gab Kommandeur Miwar unmissverständlich zu verstehen.

Einen Augenblick lang sahen sich die Offiziere einvernehmlich und mit einem bejahenden Blick an, indem sie sich mit ihren starken Leuchtstrahlern gegenseitig anleuchteten. Sie waren stolz auf ihren Kommandeur. So viel Mut und Ehrgeiz im Namen der Gerechtigkeit miterleben zu dürfen. Ja, sie begriffen und lernten dazu, dass es wahre Helden nicht nur in ihren überlieferten Geschichten gibt, die sie von ihren Ahnen vererbt bekamen, sondern dass sie eine solch einstige Legende leibhaftig vor sich hatten. Dieses selbstlose opferbereite Verhalten kannten sie nur von Erzählungen der Weisen und Ältesten ihres Clans. Nichts desto Trotz machte es ihnen mehr Mut als von ihrem Kommandeur je geahnt.

Wir werden, egal was noch auf uns zukommt, an Ihrer Seite bleiben, Herr Kommandeur.«, sagte Offizier Magbur in aller Namen fest entschlossen.

»Ihr wisst, dass ich es euch befehlen könnte, den Rückzug anzutreten?«, erwiderte Kommandeur Miwar recht streng.

»Herr Kommandeur, wir wollen nicht respektlos erscheinen, wir glauben, dass in diesem Fall ihr Befehl hinsichtlich dieser Situation bei uns keine Wirkung zeigen würde.«, äußerte sich Offizier Magbur rebellisch.

»Ihr solltet besser aufpassen, was ihr sagt. Ich könnte euch vor das große Tribunal bringen und aburteilen lassen, dann wäre eure Karriere mit einem Schlag beendet.«, konstatierte nun Miwar scharf.

»Dessen, Herr Kommandeur, sind wir uns bewusst. Doch möchten wir bemerken, dass Sie uns allesamt hinaustragen müssten, um uns von ihrer Seite fernzuhalten. Doch verzeiht unsere Starrheit, wir sind fest entschlossen, mit oder auch ohne Sie diesen Auftrag zu erledigen.«, sagte Offizier Magbur mit ernster Miene, der in aller Namen sprach, im unwiderruflichen Klartext.

Kommandeur Miwar hatte in seiner bisherigen Laufbahn noch nie von so jungen und unerfahrenen Offizieren einen solchen Ehrgeiz und zugleich mutiges Verhalten erlebt, als bei diesen, was ihn insgeheim sehr stolz machte. Doch seine Freude darüber durfte er natürlich nicht zeigen, sonst wäre es in kürzester Zeit vorbei mit seiner Autorität in Sachen Vorbild und Befehlshaber und als Kommandeur.

»Jetzt ist es aber genug, meine Herren, wir können hier nicht den ganzen Tag herumstehen und Maulaffen feilhalten, wir haben einen Auftrag zu erfüllen. Ist das nun ein für allemal klar?«, stoppte Kommandeur Miwar das meuternde Gespräch, denn viel Zeit hatten sie höchstwahrscheinlich nicht mehr. Dann gab er schnell und sicher eine codierte Nachricht, die nur Offizier Frapeeh entziffern konnte, zu ihm auf die Oberfläche. Sie beinhaltete, dass Offizier Frapeeh weiterhin verborgen im Unterholz beobachtend ausharren und nichts unternehmen sollte. Mit der Ausnahme, dass er oder das Einstiegsloch entdeckt werden würden. In diesem Falle sollte er uneingeschränkt den Versuch starten, sich bis zur versteckten Landekapsel durchzuschlagen und sie dann zu starten. Außer Reichweite, also im Orbit des Planeten Sinas, sofort eine Nachricht an die Flotte abzusetzen, die ja, wie wir bereits wissen, auf der Schattenseite des Planeten wartete.

Aus Sicherheitsgründen konnte man die Flotte nicht vom Planeten aus und per Signal erreichen, zu groß wäre die Gefahr gewesen, bei einer eventuellen Gefangennahme und einer anschließenden Folter, dass einer der Offiziere den genauen Standort der Flotte zu verraten hätte. Wofür ja die Nohkui bekannt waren. So mussten sie erst den Planeten verlassen, um eine codierte Meldung zu senden.

Währenddessen wieder auf der Oberfläche:

Offizier Frapeeh beobachtete noch immer die Sonde, die fleißig wie ein Bienchen Meter für Meter abtastete. Offizier Frapeeh wusste, dass, wenn die Sonde den derzeitigen Abtastkurs beibehielte, es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie das Einstiegsloch entdecken würde. Ihm war klar, dass er sie irgendwie ablenken musste. Doch war bei diesem Vorhaben die Gefahr sehr groß, entdeckt zu werden. Bei genauerem Betrachten der jetzigen Situation blieb ihm im Endeffekt gar nichts anderes übrig.

Frapeeh dachte sich, wenn er ein kleines Stück Holz in deren Abtastbereich werfen würde, könnte die Sonde abgelenkt werden und eventuell ihre Richtung ändern. Dieser Blitzgedanke veranlasste Offizier Frapeeh spontan, ein Stück Holz, das neben ihm lag, in die Richtung der Sonde zu werfen. Gerade wollte er zum Wurf ausholen, da bekam er einen mächtigen Schreck. Durch das Vibrieren der Nachricht an seinem Körper wurde er jäh in seinem Vorhaben unterbrochen.

Ja, sind denn die verrückt geworden? Dachte sich nun Frapeeh völlig konfus geworden. Mich so zu erschrecken.

»Mann, diese Mistdinger, blöde Erfindung.«, maulte Frapeeh, natürlich ganz leise in sich hinein. Im Nu entschlüsselte Frapeeh die codierte Nachricht seines Kommandeurs.

»Aha, ich soll die Stellung halten und bei Entdeckung meiner Wenigkeit oder des Einstiegsloches die Kurve kratzen, mich zur Landekapsel durchschlagen und die Flotte warnen. Das könnt ihr vergessen. Ich werde dieses Mistding wenn nötig außer Gefecht setzen.«, gab er flüsternd und aufgebracht von sich.

Aber halt, wenn die Sonde wirklich von den Nohkui stammt, würden sie die Sonde bestimmt vermissen, wenn ich sie außer Gefecht setzen sollte, dachte sich noch Frapeeh insgeheim.

Trotz alledem nahm er nun den Stock und warf ihn mit einem mächtigen Schwung in Richtung der Abtastsonde. Im hohen Bogen flog das Stück Holz exakt, ja fast punktgenau quasi vor der Sonde Füße.

Frapeeh duckte sich noch tiefer, man bekam bei Frapeeh das Gefühl, als wolle er sich wie ein Maulwurf in die Erde vergraben. Durch sein 'sich noch tiefer in das Unterholz vergraben' verschlechterte sich jedoch seine Sicht zur feindlichen Sonde, so dass Frapeeh seinen Hals weit ausstrecken musste, um noch einen einigermaßen guten Sichtkontakt zur Sonde zu haben. Doch sich weiter hinaus aus seinem Versteck zu lehnen konnte er nicht wagen, er würde damit riskieren, entdeckt zu werden. Also blieb es bei diesem Sichtwinkel. Immer näher kam die Sonde auf das Einstiegsloch zu. Auf einmal, so konnte Frapeeh sehen, schwebte, drehte sich die Sonde um ihre eigene Achse und schien sogar das Stück Holz, das er in ihre Richtung geworfen hatte, aufs Genauste zu mustern.

»Ja, schwebe weg vom Einstiegsloch!«, flüsterte nun Frapeeh aufgeregt im Selbstgespräch. Denn die Sonde schien sich tatsächlich ablenken zu lassen. Doch halt, was hatte sie denn nun vor. Es schien so, als käme die Sonde genau auf Frapeeh zu.

Was hat sie denn jetzt vor?«, fragte sich nun Offizier Frapeeh etwas ängstlich geworden.

Die wird doch nicht zu mir herkommen. Mann, hoffentlich hat sie mich nicht entdeckt! Was macht sie denn da?, dachte und rätselte Offizier Frapeeh.

Ja, es schien so, es machte den Eindruck, dass sie die Strecke ausmisst, aus welcher Richtung und von wo das Holzstück genau herkam.

»Du meine Güte, was ist denn das für eine Sonde? Ich muss schnellstens den Platz wechseln, hier wird es mir zu heiß.«, flüsterte Frapeeh völlig aus dem Häuschen.

So machte er sich flach auf dem Bauch liegend wie eine kleine Eidechse ganz leise und kriechend, von seinem Versteck aus dem Staube. Er kroch mit allen Vieren von sich gestreckt, so tiefliegend wie möglich, etwa fünfundzwanzig Meter weiter nach links, so dass er noch genügend Sicht zum Einstiegsloch hatte.

»So, das muss reichen. Ich hoffe, dass die Sonde nun einen anderen Weg einschweben wird, als die Position zu mir oder die zum Einstiegsloch.«, redete Frapeeh mal wieder im Selbstgespräch. Er beobachtete die Sonde aufs Genaueste. Er beschloss, die Sonde kein einziges Mal mehr aus den Augen zu lassen. Und tatsächlich hatte sie genau den Platz im Unterholz gefunden, also berechnet, wo Frapeeh das Holzstück aufhob. Die Sonde begann, sich mehrere Male um die eigene Achs zu drehen, dabei blieb sie ganz kurz in jeder angekommenen Richtung Ost, West, Nord oder Süd stehen und gab merkwürdige Lichterzeichen von sich. Wahrscheinlich, so vermutete Offizier Frapeeh, ist sie gerade dabei, den gesamten Radius abzutasten.

Hoffentlich entdeckt die Sonde das Einstiegsloch nicht, dachte sich wiederholt Offizier Frapeeh und blieb bewegungslos in seinem neuen Versteck.

Doch weit gefehlt, der Trick mit dem Holzstöckchen erwies sich als eine gute Idee. Die Sonde schwirrte urplötzlich geradewegs in die Richtung aus der sie kam und entschwand in der Ferne.

»Mann, das war haarscharf vorbei. Nicht auszudenken, wenn die Sonde das Einstiegsloch entdeckt hätte!«, sprach Frapeeh mal wieder zu sich selbst.

So, muss schleunigst Kommandeur Miwar Bescheid geben, dachte sich Offizier Frapeeh. Dann gab er seine codierte Meldung an seinen Kommandeur weiter.

Wieder im Tunnel und ganz in der Nähe der Hauptbelüftungsturbine:

Wie wir bereits wissen, ist Kommandeur Miwar mit drei von vier Offizieren kurz vor seinem Ziel, nämlich den Giftgasbehälter direkt vor der Hauptbelüftungsturbine anzubringen. Auf diese Weise konnte sich das entlassene Gas durch sämtliche Belüftungsröhren in der gesamten unterirdischen Stadt verteilen, was somit zugleich der absoluten Vernichtung der illegalen Besatzer, also in diesem Fall den Nohkui, zu Folge haben wird.

Kurz vor dem eigentlichen Ziel:

»So, Männer, noch etwa zehn Onen.«, teilte Miwar seinen Offizieren mit.

»Ist das auch wirklich die Hauptturbine, Herr Kommandeur?«, fragte Offizier Magbur.

»Laut Plan müsste sie das sein.«, erwiderte Miwar.

»Sieht ein bisschen mickrig aus, ich meine, für eine Maschine, die eine ganze Stadt mit Frischluft versorgen soll, und noch dazu gereinigt?«, bemerkte Offizier Pilch so nebenher.

»Tja, die Technik macht es eben. Die Goderijaner scheinen in diesen Sachen ganz fixe Kerlchen zu sein. Wie dem auch sei, wir sollten keine Zeit verlieren und endlich diesen blöden Behälter loswerden.«, sagte Miwar.

»Und wo genau werden wir ihn Anbringen?«, fragte Offizier Bhonds seinen Kommandeur.

»Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, dass der richtige Platz unmittelbar neben der Turbinenöffnung ist.«

»Auf der rechten Seite, denke ich. Oder was meint ihr?«, fragte Kommandeur Miwar seine Offiziere.

»Äh... natürlich, ganz wie Sie meinen, Herr Kommandeur?«, erwiderten diese.

»Gut, dann werden Sie, Offizier Magbur, den Behälter an der rechten Kante der Turbine anbringen.«, gab Miwar Offizier Magbur die Order, der natürlich hin und weg war, dass ihm diese Ehre zuteil wurde.

»Natürlich, gerne, Herr Kommandeur.«, erwiderte Magbur freudig und nahm schon geschwind die Bauchtasche, die Kommandeur Miwar schon im Vorfeld abgelegte hatte. Dann, so schien es, wollte Offizier Magbur schnurstracks zur Turbine laufen.

»Wo zum Teufel wollen sie denn hin, Magbur?«, fragte Miwar ganz ruhig seinen Offizier.

Der natürlich, wie sollte es auch anders sein, seinen Kommandeur mit großen Augen anstarrte und nicht so recht wusste wie er auf diese Frage seines Kommandeurs reagieren sollte.

»Na, Sie haben mir doch befohlen, ich solle den Behälter an der rechten Turbinenkante anbringen?«, warf nun Offizier Magbur ganz verstört ein.

»Sicherlich, das hatte ich. Aber gewiss nicht so, wie Sie es sich vorstellen.«, bemerkte Kommandeur Miwar.

»Ja, aber, ich verstehe nicht!« Magbur verstand nun überhaupt nichts mehr.

»Es sind noch mindestens zehn Meter bis zur Turbine.«

»Fünf Meter davor und es wird dich der Sog erfassen, wenn du nicht von uns mit dem Seil gesichert wirst, mein Bester. Was glaubst du, wie du erst durchgewirbelt wirst, wenn du dich unmittelbar davor aufhältst?«, wollte nun Kommandeur Miwar von seinem Offizier wissen, der mal in der Sie-Form oder in der Du-Form zu seinen Offizieren sprach. So aus dem Stegreif heraus eben.

»Verzeiht, mein Kommandeur, ich wusste natürlich nichts davon.«, entschuldigte sich Offizier Magbur.

»Schon gut, aber jetzt lass dich anschnallen. Wir werden dich gemeinsam am Seil festhalten und Stück für Stück zur Turbine nachlassen, okay? Meinst du, dass du das schaffst?«, fragte ihn noch vorsichtshalber Miwar. Denn zu diesem nicht gerade ungefährlichen Auftrag wollte Miwar keinen seiner Offiziere zwingen.

»Natürlich, Herr Kommandeur!«, gab Magbur zurück.

»Na, dann lasst uns endlich anfangen.«, gab Miwar die frohe Kunde mit ernstem Gesicht.

Ruckzuck war Offizier Magbur angeseilt und ging langsam aber stetig in Richtung der Turbine, während Kommandeur Miwar, Offizier Pilch und Bonds ganz fest das Seil in ihren Händen hielten, das sich zunehmend immer ärger straffte. Immer näher kam Offizier Magbur der Turbine entgegen und je näher er ihr kam, desto mehr wurde er von dem Sog angesaugt.

Das Atmen fiel Magbur immer schwerer. Magbur hatte zudem große Schwierigkeiten, bei jedem Schritt standfest auf dem Boden zu bleiben. Immer öfter zog es beim Anheben eines seiner Beine den jeweiligen Fuß in Richtung der Turbine weg. Es sah doch trotz alledem sehr komisch aus, so dass die anderen am anderen Ende des Seiles schon ein bisschen darüber schmunzeln mussten.

»Festhalten! Lasst ja das Seil nicht los, sonst ist Offizier Magbur verloren.«, warf Kommandeur Miwar im festen Ton ein.

Mit aller Kraft versuchte Offizier Magbur, dem immer stärker werdenden Sog mit seinem ganzen Körper entgegenzuwirken und zugleich immer weiter und näher an die Turbine heranzukommen. Doch der Sog wurde so mächtig stark, dass es ihm letztendlich die Füße vom Boden zog, so dass Magbur wie eine flatternde Fahne, die im starken Wind steht, umhergewirbelt wurde. Jetzt hatten Kommandeur Miwar und seine zwei Offiziere alle Hände voll zu tun um das Seil, an dem Magbur hing, nicht loszulassen. Als nun Magbur flatternd mit großer Anstrengung zu seinem Kommandeur zurücksah, gab er kurz Zeichen, noch mehr Seil nachzulassen. Doch Kommandeur Miwar wollte eigentlich Magbur wieder zurückziehen, was er auch mit Handzeichen deutlich machte. Er hielt es einfach für zu gefährlich, Magbur noch mehr Seil zu geben. Doch dieser winkte ab und wiederholte sein Zeichen, mehr Seil zu bekommen. Schließlich gab Miwar seinem Verlangen nach und gab mehr Seil. Langsam, jedoch vorankommend, wirbelnd und hangelnd zugleich, kam Offizier Magbur immer näher an die Turbine heran, bis er schließlich zappelnd nur noch wenige Zentimeter von der Turbine entfernt hing. Doch zu der metallenen Kante, die die gesamte Turbine im Radius als einen enormen Trichter formte, kam er nicht, als er seinen rechten Arm danach ausstreckte. Das, wohlgemerkt sah auch Kommandeur Miwar und befahl seinen Offizieren, ein paar Schritte nach rechts auszuweichen, das Seil natürlich dabei festhaltend. Nachdem dies geschehen war, streckte Offizier Magbur erneut seinen rechten Arm weit nach rechts von sich, um erneut den Versuch zu starten, diese besagte Kante zu ergreifen. Endlich konnte Magbur die Kante erreichen und mit einem festen zangenähnlichen Griff erfassen. Jedoch, und obwohl Offizier Magbur so fest er auch nur konnte zugriff, brachte er nicht mehr die nötige Kraft auf, sich daran festhalten und rutschte folglich mit seiner Hand ab. Wieder hing er am Seil, schwingend und zappelnd, wie ein Drachen im Herbstwind, den Kinder fröhlich auf einer Wiese steigen und am Himmel hin und her tanzen ließen. Offizier Magbur war fest entschlossen, diesen Behälter, der magnetisch aufgeladen und somit nur an der metallenen Kante anzudocken war, anzubringen. So gab Offizier Magbur erneut das Zeichen, es wieder zu versuchen. Doch dieses Mal nahm er, noch während er am Seil herumzappelte, den Behälter aus der vorher schon angelegten Bauchtasche heraus, um ihn mit dem nächsten körpereigenen Schwung, an der metallenen Kante einfach nur anzudocken. Sicherlich wussten alle, dass es in diesem Augenblick ziemlich dreist von Offizier Magbur gewesen ist, mit dieser Handlung Gefahr zu laufen, dass er den Gasbehälter verlieren könnte und dieser von der Turbine angesaugt würde. Sollte dies geschehen, wäre die gesamte Mission gefährdet, da in diesem Fall das Gas Zepin nicht ausströmen konnte. Bange Minuten folgten. Doch dann war es so weit: Offizier Magbur wuchtete sich mit aller Kraft und der Hilfe seines Kommandeurs und der zwei Offiziere in Richtung der Außenkante. Immer und immer wieder schwang er mit seinem gesamten Körper und vollends ausgestrecktem rechten Arm, in der Hand den Behälter, wuchtig hin und her. Dann folgte ein schallender Knall, der letztendlich nicht zu vermeiden war, mit dem der Behälter andockte. Es war geschafft! Sofort zogen Kommandeur Miwar und die Offiziere Magbur langsam aber stetig wieder aus dem Sog-Bereich heraus, bis hin, von wo er wieder selbstständig laufen konnte.

»Gut gemacht, Offizier Magbur.«, rief ihm leise Kommandeur Miwar mit einem Lächeln auf seinem Gesicht entgegen. Was Offizier Magbur wie ein Kind, das eine Belohnung erhielt, förmlich in sich aufsog. Zwar erschöpft, dennoch überglücklich über seine erste und gelungene Aufgabe. Offizier Magbur befand sich vielleicht noch drei Meter entfernt, also fast bei seinem Kommandeur und Offiziersfreunden angekommen, da fiel sein Gesichtsausdruck ins Bodenlose. Magbur guckte kurz nach links und dann wieder zu seinem Kommandeur Miwar und umgekehrt. Als wolle er um Hilfe rufen, was aber sein Ehrgefühl ihm verweigerte. Wie einem Rausch verfallen blieb Offizier Magbur stehen. Kreidebleich und mit einem entsetzt verzerrten Gesicht stand er nun wie ein Zinnsoldat einfach und regungslos da. Mit einem Satz warf sich Kommandeur Miwar mit einer gekonnten Rolle vorwärts, vor Offizier Magbur, zog seine Faserwaffe und drückte den Auslöser, wobei der Strahl einen der Nohkui, die Offizier Magbur entdeckt hatte, tödlich traf. Sofort stand Kommandeur Miwar wieder auf, wobei er Offizier Magbur zur Seite drängte, wo sich die Röhre etwas nach außen hin wölbte und sie einigermaßen vor dem Gegenangriff Schutz fanden, falls einer stattfinden sollte.

»Verdammt, wir sind entdeckt. Wie konnte das denn geschehen?«, fragte sich der Kommandeur laut äußernd.

»Was machen wir denn jetzt, Herr Kommandeur?«, fragte ihn Offizier Pilch mit zitternder Stimme.

»Das ist eine gute Frage, muss erst mal kurz nachdenken.«, antwortete Miwar seinem Offizier.

»Wieso das denn, sprengen wir doch gleich die Kapsel, dann sind wir sie ein für alle mal los. Sie wissen ja, Herr Kommandeur, dass dieses Gas uns nichts anhaben kann, weil wir ja schon im Vorfeld das Gegenmittel bekommen haben, was sagen sie dazu?«, drängte nun Offizier Bhonds seinen Kommandeur.

»Ruhig, Männer! Ich kann euch ja verstehen, dass ihr nicht gerade scharf darauf seid, diese Insekten-Gehirne persönlich kennenzulernen. Denkt doch mal logisch. Wir können es nicht riskieren, so einfach wie die gejagten Quillis (eine Art Waldtier vom Planeten Rigkhonia) auf einem Teller präsentiert zu werden. Stellt euch nur mal vor, wir rennen auf dem Rückzug schnurstracks in eine Meute von Nohkui, noch bevor das Gas überhaupt zu wirken anfängt. Wir bleiben vorerst einmal hier, beobachten und lauschen ein wenig in der Deckung, bis wir uns sicher sein können, dass nicht doch noch mehr von dieser Sorte hier aufkreuzen.«, befahl Kommandeur Miwar seinen Offizieren. Miwar spürte die Anspannung bei seinen noch so jungen Offizieren deutlich und er wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass er sie heil wieder an die Oberfläche bringen konnte. Doch so einfach den Befehl zu geben, nach draußen an die Oberfläche zu stürmen und alle Gefahren, die in den Schächten lauern könnten, außer Acht zu lassen, war ihm einfach zu gefährlich. So entschied sich Miwar, erst einmal die Kapsel in dem Behälter, wo sich das tödliche Gas befand, per Signal zu zünden, um wenigsten im Falle eines Falles seinen Auftrag erfüllt zu haben.

»Was tun sie da, Herr Kommandeur?«, fragte Offizier Magbur, der sich inzwischen wieder beruhigt hatte. Er sah, dass Miwar eine Art Kette von seinem Hals über den Kopf strich.

»Ich werde jetzt endgültig mit diesen Bastarten aufräumen. Ich werde nun das Gas freilassen.«, erklärte Miwar seinen Offizieren.

Schweigend und mit weit aufgerissenen Augen sahen seine Offiziere zu, wie ihr Kommandeur langsam die kleine Schachtel, die am Ende seiner Halskette hing, hervorzog. Anschließend nahm er sie mit beiden Händen und begann, ihren Schraubverschluss gegen den Uhrzeigersinn zu drehen. Irgendwie eiskalt warf er den Deckel der Hartschachtel vor sich auf den Boden und kippte ganz vorsichtig den Inhalt heraus. Dieser Inhalt beinhaltete einen kleinen Silbernen Stift, der einem Metallbolzen ähnelte. Diesen umschloss er mit seiner rechten Hand. Dann hob er den Daumen, setzte ihn am oberen äußeren Ende behutsam auf, sah nochmals seine Offiziere an, lächelte, und drückte kurz und fest den Stift ein, so dass er am Ende um einiges an Länge verloren hatte, was Miwar vermittelte, dass es getan war. Ja, er hatte quasi seinen Auftrag erfüllt. Doch zufrieden war er allemal nicht. Nicht, bevor er seine noch so jungen und unerfahrenen Offiziere heil wieder zur Flotte zurückgebracht hatte. Da standen sie nun, leicht verborgen, in dem etwas nach außen hin gewölbten Schacht und warteten, bis das chemische Mittel die Außenhaut des Behälters zerfressen hatte, so dass das für die Nohkui gefährliche Gas Zepin austreten konnte. Alle warteten nur auf diesen Augenblick. Und dann kam er auch sogleich. Plötzlich konnte man an der unteren Seite des Behälters leichten durchsichtigen Qualm sehen, der durch die chemische Reaktion entstand und nach außen trat. Alle verfolgten mit ihren Blicken, wie sich der Rauch in Sekundenschnelle förmlich in den Sog hineinschraubte und in der Hauptturbine verschwand.

»So, das war es gewesen.«, sagte Kommandeur Miwar zu seinen Offizieren. Die ehrlich gesagt ganz tief ausatmeten, ja, sich anscheinend wieder sicher fühlten. Nur Kommandeur Miwar konnte sich kein einziges Lächeln abgewinnen. Irgendwie, so schien es ihm, ging alles bis auf das Erscheinen des Nohkui, den er töten musste, viel zu glatt, zu einfach. Und er als alter Haudegen wusste, auf was er in jeder Situation achten musste, ja, viel mehr noch. Er war einer der wenigen Kommandeure, die ein bestimmtes Gespür entwickelten, wenn etwas in der Luft lag, wenn etwas faul an der ganzen Sache war. Noch wusste er nicht, was auf ihn zukam, doch er behielt die Nerven, war hellwach, hoch konzentriert und vor allem sehr wachsam. Trotz alledem, raus aus diesem Belüftungs- und Schachtsystem mussten sie allemal, das war auch Miwar klar. Also beschloss er, vor den Rückmarsch noch ein paar hundert Meter in die Richtung zu gehen, von wo anscheinend dieser einzelne Nohkui kam.

»So, Jungs, wir müssen leider noch etwas weiter ins Tunnelsystem!«, gab Miwar den Befehl. Doch dies schien seine Offiziere nicht im Geringsten zu interessieren.

»Ich bitte um absolute Ruhe, ich verlange das gleiche pflichtbewusste Verhalten wie auf dem Weg hierher, ist das klar?«, verlangte er Bestätigung seitens der Offiziere, die aber seine Worte nicht mehr so richtig wahrnahmen, so sehr waren sie von ihrem Erfolg benommen. Sie waren sich so siegessicher, dass sie plötzlich anfingen, laut zu reden und zu lachen. Das Verhalten setzte doch glatt 'die Krone aufs Häubchen'.

»Alles stillgestanden!«, fauchte nun Miwar seine Offiziere an. Die natürlich sofort zusammenzuckten und in Aufstellung gingen.

»Sagt mal, habt ihr jetzt total den Verstand verloren?«, rügte Miwar seine Leute die Herren Offiziere.

»Ihr strebt nach dem Posten eines Kommandeurs? Da lachen euch doch alle Quillis restlos aus! Ich glaube es einfach nicht. Dies hier ist für uns noch immer Feindesgebiet. Wie könnt ihr es nur wagen, euch auf die Wirkung dieses Gases zu verlassen? Ist das hier ein Ausflug oder gar ein Kindergarten?«, gab Kommandeur Miwar jetzt erst richtig Zoff. Natürlich weiterhin im Flüsterton, dennoch sehr streng und unmissverständlich.

Er stauchte seine Offiziere dermaßen zusammen, dass sie nun nicht mehr wie junge und unerfahrene Offiziere wirkten, sonder eher wie ängstliche kleine Kinder, die gerade eben die Geisterbahn verlassen hatten. Als nun Kommandeur Miwar unmissverständlich klarmachte, wer hier das Sagen hatte, kamen sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

»So ist es gut. So gefallt ihr mir schon um einiges besser. Nun hört mal her: Ich werde diesen Vorfall vergessen und nicht in meinen Protokollbericht eintragen.«

»Aber vergesst nicht, dass ich es jederzeit nachholen kann, und was das bedeutet, brauche ich euch wohl nicht zu sagen. Habt ihr das verstanden?«, erkundigte sich Miwar nochmals im Erproben seiner Machtstellung.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, antworteten die Offiziere.

Tja, so haben die Herren Offiziere erstmal einen Vorgeschmack auf das bekommen, was noch folgen kann, wenn sie ihre Pflicht gegenüber ihrem Kommandeur und Befehlshaber und dem des Einsatzes vernachlässigen.

»Wie ich bereits schon sagte, müssen wir leider noch ein paar hundert Onen tiefer hinein. Ich muss wissen, wo dieser einzelne Nohkui überhaupt herkam.«, sagte Kommandeur Miwar.

Die Begeisterung, die sich bei seinen Jungs verbreitete, war an ihren herunterhängenden Kinnladen sofort zu erkennen. Doch ihm blieb keine andere Wahl. Er durfte jetzt nicht nur an seine Jungs denken, er musste sich absolut sicher sein, dass die Nohkui wirklich von dem Giftgas Zepin getötet wurden. Er konnte, solange er sich nicht selbst davon überzeugt hatte, sich mit seinen Männern nicht aus dem Staube machen, also auf die Oberfläche zurückkehren und seinem General das Freizeichen, dass die Goderijaner ihre unterirdische Stadt wieder sicher betreten konnten, gewährleisten. Man stelle sich die Katastrophe vor, nachdem General Goduru den Goderijanern volle Sicherheit für das Wiederbetreten der unterirdischen Stadt gewährleisten würde, und statt der zugesicherten Sicherheit die Goderijaner von den Nohkui empfangen werden würden. Nicht auszudenken! Sie hätten gegen diese Nohkui nicht die geringste Chance. Zumal die Goderijaner sich sowieso nicht zur Wehr setzen würden. Aus diesem Grund war es für Miwar beschlossene Sache. Selbst wenn er alleine gehen musste, aus welchen Gründen auch immer.

»Na, Jungs? Alles in Ordnung?«, fragte er seine Offiziere.

»Jawohl, Herr Kommandeur?«, erwiderten Sie.

»Wird schon nicht so schlimm werden, was? Gut, dann packt mal eure Faserwaffen aus und überprüft sie auf ihre Funktion.«, befahl Miwar seinen Offizieren.

Sogleich begannen sie, ihre Faserwaffen auszupacken, die mit gutem Grund nur bei bestimmten gefährlichen Situationen aus dem Sturmgepäck ausgepackt wurden. Nur einzig und allein der Kommandeur darf diese Waffe ständig an seinem Körper tragen. Und was das bedeutete, wussten Offizier Magbur, Pilch und Bhonds nur zu gut. Sie spürten förmlich, dass ihr Kommandeur eine ernste Lage erwartete. Zum ersten Mal standen sie einer möglichen und absolut ernsten Kampfhandlung gegen diese Bestien von Nohkui gegenüber. Keiner seiner Offiziere, seit er mit ihnen zusammen war, hatte je so einen ernsten und erwachsenen Gesichtausdruck wie in jenem Augenblick hier, als sie ihre Faserwaffen in die Hand nahmen. Und Miwar wusste, dass es nicht die Gier nach dem Töten des Feindes war, nein, es war das tiefe Bewusstsein, zu spüren, dass ein jeder Kämpfer, egal um welche Sache es ging, wahrnahm, nämlich die Möglichkeit, dabei sterben zu können. Kämpfen um zu überleben und einer Sache nachzugehen, egal was es koste. Selbst wenn es um sein eigenes Leben ging.

Nachdem die Offiziere auf seinen Befehl ihre Faserwaffen schussbereit und ihre Ausrüstung wieder angelegt hatten, stellten sie sich nochmals im Spalier ihrem Kommandeur gegenüber. Mit einem scharfen und geübten Blick wandte sich Miwar zu seinen Offizieren.

»So, Jungs, es ist so weit. Ich gehe voran, ihr folgt mir, so einfach ist das! Hat noch jemand Fragen?«, fragte Miwar seine Offiziere. Die aber mit einem verneinenden Kopfschütteln ablehnten. Dann marschierten sie los und Kommandeur Miwar vorweg. Immer tiefer gingen sie ins Schachtsystem hinein. Außer ihren hallenden Schritten und den tropfenden Rohren, die entlang des Tunnels oberhalb an der Deckenwölbung angebracht waren und sich schier unendlich in der Dunkelheit verloren, konnte man nichts hören.

Zur selben Zeit, wieder bei Offizier Frapeeh, der es sich, wie konnte es auch anders sein, in seinem neuen Versteck im Unterholz mal wieder gemütlich gemacht hatte:

»Mann, wo bleiben die denn. Die müssten doch längst wieder hier sein. Hoffentlich ist alles in Ordnung da unten.«, führte er mal wieder Selbstgespräche.

So langsam bin ich ganz froh, nicht dort unten zu sein. Irgendwie beschleicht mich das Gefühl, dass es hier bald rundgehen wird. Es wird besser sein, wenn ich mich kampfbereit mache, dachte sich Offizier Frapeeh und fing an, seine Kampfausrüstung wieder anzulegen, alles im Liegen, versteht sich. Was sich natürlich als nicht so leicht zu handhaben erwies. Frapeeh dachte intensiv nach. Soll er mal eine codierte Anfrage zu seinem Kommandeur schicken, ob auch wirklich alles in Ordnung ist? Keine leichte Entscheidung. Er wusste, dass er nur im Notfall eine codierte Meldung per Signal geben durfte. Doch war es ein Notfall? Hier oben bei ihm gewiss nicht. Und ob bei seinen Kameraden alles in Ordnung war, konnte er sich auch nicht sicher sein. Kommandeur Miwar würde ihm auf jeden Fall vorwarnen, solange er im Stande dazu war. Aber was ist, wenn er es nicht war und sie alle schon gefangen oder gar tot waren. So viele Gedanken gingen Offizier Frapeeh durch den Kopf. So beschloss er schließlich, dass er höchstens noch eine Stunde wartete. Wenn sie bis dahin nicht wieder hier sind oder zumindest eine Nachricht per Signal gesendet haben, wird er sich bei ihnen melden. Schließlich musste er ja handeln können, wenn tatsächlich etwas schief ginge.

Da lag er nun, Offizier Frapeeh. Wie ein Häufchen Elend, das man irgendwie vergessen hatte. Er dachte an seine Familie und wie schön er es doch zu Hause hatte. Jetzt, wo er weit, weit weg von jenem Heim war, das er eigentlich verschmähte und sich irgendwie nutzlos vorkam, wo er von Abenteuern träumte, große Taten vollbringen wollte, ja, dieses Zuhause vermisste er nun sehr. Und er dachte noch, als er auf seinen Zeitmesser schaute, dass er, wenn er zu Hause wäre, gerade jetzt und in diesen Minuten mit seinem Vater Mangorla (eine Art Nationales Stockwurfspiel der Rigkhonia) spielen würde. Wie sehr hasste er diese Sportart, die auf seinem Planeten weit verbreitet war und, wer sich als Meister erwies, sehr verehrt wurde. Er spielte es eigentlich nur mit seinem Vater, weil er ihn nicht enttäuschen wollte. Sein Vater war in seiner Jugend ein wahrer Meister dieses Stockspieles. Ständig musste er sich seine unendlichen Geschichten darüber anhören. Und jetzt, ja, und jetzt würde er gerne zu Hause sein und seinen Erzählungen lauschen.

Ist schon komisch, dachte sich Frapeeh, man merkt doch erst wie schön man es zu Hause hatte, wenn man nicht mehr zu Hause ist. Doch nichts desto Trotz musste er sich weiterhin konzentrieren, um ja nichts außer Acht zu lassen. Frapeeh rieb sich die Augen, streckte und wandte sich, damit seine angespannten Muskeln ein bisschen entschlacken konnten. Anschließend folgte wieder das schier unendliche Warten.

Im gleichen Moment wieder bei Kommandeur Miwar mit Gefolge:

Wie schon gesagt, drang Kommandeur Miwar mit seinen Offizieren immer weiter in den vor ihnen liegenden Schacht ein, um zu sehen, wo eigentlich dieser Nohkui herkam, den Miwar töten musste, und ob das Gas auch wirklich die unterirdische Stadt von den Nohkui befreit hatte.

Weiter und weiter ging es in die pechschwarze Dunkelheit.

»Alles herhören! Befahl Kommandeur Miwar seinen Offizieren, als er plötzlich abrupt stehen blieb.

»Seid mal ganz still, ich glaube, etwas gehört zu haben.«

Sofort ging Kommandeur Miwar in die Hocke, was auch gleich seine Offiziere taten und horchten auf. Doch im Augenblick war nichts zu hören. Nach dieser Feststellung gab Kommandeur Miwar wieder Entwarnung und es ging leise und vorsichtig im Schleichgang weiter. Nach etwa zehn Metern blieb Miwar wieder stehen und ging erneut in die Sitzstellung. Doch diese Mal konnten alle, sowohl Miwar als auch seine Offiziere, eindeutig Geräusche wahrnehmen.

»Herr Kommandeur, können sie das auch hören?«, fragte ihn Offizier Magbur im Flüsterton.

»Ja, ich höre es auch. Hört mal her. Es genügt, wenn sich einer von uns mal die Sache etwas genauer ansieht, und keine Diskussion darüber, das ist ein Befehl.«

Keinen Laut gaben seine Untergebenen von sich, so sehr aufgeregt waren sie nun.

»Legt eure Kampftaschen ab und dann auf den Boden mit euch. Benutzt die Kampftaschen als Schutzkörper, indem ihr sie vor euch legt. Sollte ich in genau fünfzehn Minuten nicht wieder hier sein, werdet ihr euch aus dem Staub machen und schleunigst an die Oberfläche zurückkehren. Auch das ist ein Befehl. Hat das auch jeder von euch begriffen?«, fragte Miwar seine Offiziere, denen dieser Befehl überhaupt nicht gefiel, gegen den sie aber auch nichts machen konnten.

»Jawohl, Herr Kommandeur.«, gaben sie im Flüsterton zurück. Kommandeur Miwar legte dann alles Unnötige an Ausrüstungssachen von sich ab und ging los. Da lagen sie nun, die Offiziere Magbur, Pilch und Bhonds, auf dem kaltnassen Boden vor ihren Kampftaschen mit hochgehaltenen Faserwaffen in ihren Händen, während sich ihr Kommandeur immer mehr in der Dunkelheit des Schachtssystems verlor.

»He, Magbur?«, flüsterte Offizier Bhonds ihm entgegen, der gleich neben ihm zu seiner Rechten lag.

»Was ist? Was willst du?«, fragte Magbur Offizier Bhonds.

»Sollen wir wirklich abhauen, wenn der Kommandeur in fünfzehn Minuten nicht wieder hier ist?«, wollte Offizier Bhonds wissen.

»Natürlich nicht! Oder was glaubst du denn. Wir werden nicht so einfach unseren Kommandeur im Stich lassen, ist das klar?«, gab Offizier Magbur mit ernstem Ton zurück.

»Auch, wenn es ein Befehl ist?«, fragte nun Offizier Pilch, der auch gleich neben Offizier Bhonds zu seiner Linken lag und das Geflüster mitbekam.

»Ja, auch wenn es ein Befehl war. Dieser Befehl ist mir so was von egal, sage ich euch. Ihr könnt ja gehen. Ich jedenfalls bleibe und wenn es meine Karriere kosten sollte.«, festigte Offizier Magbur sein Vorhaben.

»Was denkst du eigentlich von mir und Pilch.«, sagte Offizier Bhonds etwas verärgert.

»Genau, entweder wir kommen hier alle heil raus, oder gar keiner.«, bestätigte Offizier Pilch hartnäckig.

So folgte ein unheimlich quälendes Warten in diesen kalten Röhren, umringt von den nass triefenden eisernen Wänden des Tunnellabyrinthes. Nur das Ansaugen der großen Turbine und das schwere Atmen der drei Offiziere war ganz leise zu hören.

Ein paar Hundert Meter weiter:

Kommandeur Miwar war schon ein gutes Stück vorangekommen, als er mal wieder und plötzlich abrupt stehen blieb. Miwar horchte auf, dann sah er von weitem einen Lichtschein.

Muss unbedingt sehen, was da vor sich geht. Mann, das kann doch nicht sein, dass da noch jemand ist. Habe doch das Gas freigelassen, fragte sich Miwar und beschloss, weiter auf das Licht zuzugehen. Unter größtmöglicher Vorsicht, mit seiner Laserwaffe im Anschlag, ging er so leise es ihm auch nur möglich war diesem Treiben entgegen. Je näher er dieser Ursache entgegenlief, je lauter wurde es. Dann kam Miwar an einen Seitentunnel, der nach rechts verlief. Ein kurzer Blick hinein, und er ging weiter. Doch in dieser Richtung schienen diese Geräusche eher ab-, anstatt zuzunehmen. Folglich musste der Geräuschpegel aus dem Seitentunnel kommen. Miwar blieb wieder stehen und horchte auf. Drehte sich um.

Aha, doch dieser Seitentunnel. Dachte ich es mir doch. Miwar ging die paar Meter wieder zurück. Dann guckte er nochmal in diesen Seitenarm und war sich sicher, dass er die Quelle der Geräusche gefunden hatte.

Verdammt noch mal, was ist das nur? Jetzt heißt es aufpassen. Dachte sich noch Miwar und ging hinein. Immer heller wurde es. Zu hell für den Geschmack von Miwar, also presste er sich so weit es ging an die rechte Eisenwand des Tunnels und ging einer Öffnung entgegen die wie Tageslicht hell leuchtete. Nur noch knappe fünf bis sechs Meter errechnete Miwar bis zum Ausgang dieses Nebenarmes des Haupttunnels, wo sich auch die drei Offiziere in Wartestellung befanden. Miwar beschloss, diese letzten Meter zu kriechen, also ging er auf den Boden herunter und kroch, ja krabbelte, bis er schließlich am Ende des Seitentunnels ankam. Was er da zu sehen bekam, verschlug ihm den Atem.

Ach du meine Güte, das kann doch nicht sein? Dachte sich noch Miwar voller innerlicher Panik. Muss raus hier, muss mit meinen Jungs schleunigst raus hier und dem Flottenkommando Meldung erstatten. Miwar schlich sich auf allen Vieren wieder zurück, bis er es wagen konnte, wieder zu gehen. Vom Seitentunnel wieder im Haupttunnel angekommen, begann Miwar, zwar noch sehr vorsichtig und leise, aber immer schneller zu gehen.

Unterdessen bei den drei Offizieren, die noch immer fast unbeweglich hinter ihren Kamptaschen auf dem Boden lagen und mit großer Sorge auf ihren Kommandeur warteten.

»Wie lange noch?«, fragte zum x-ten Male Offizier Pilch seinen Kameraden Magbur.

»Noch etwa zwei Minuten. Aber tue mir einen Gefallen, hör auf, mir mit deiner ständigen Fragerei auf die Nerven zu fallen. Das ist ja nicht zum Aushalten.«, beschwerte sich Offizier Magbur bei ihm.

Die zwei Minuten waren um und es war immer noch nichts von Kommandeur Miwar zu sehen. Jeder von ihnen wusste, dass nun ein Befehl wirksam wurde und sie ihn eigentlich und umgehend hätten ausführen müssen. Doch keiner der Offiziere machte auch nur die geringsten Anstalten, diesen Befehl auch in die Tat umzusetzen.

»Da, ich höre etwas!«, gab Offizier Magbur im Flüsterton bekannt.

»Ach, das bildest du dir ein.«, erwiderte Offizier Pilch.

»Nein, seid doch mal still und hört hin.«, gemeinsam sperrten sie ihre Lauscher auf und tatsächlich konnten sie von Weitem leicht hallende Schritte vernehmen.

Mit einem Mal zückten alle ihre Faserwaffen wieder in den Anschlag und zielten in die vor ihnen liegende Schwarze Leere.

»Dass mir von euch ja keiner abdrückt, ehe wir nicht definitiv wissen, um wen es sich hierbei handelt.«, sagte Offizier Magbur zu seinen Kameraden.

Noch immer liegend auf dem Boden starrten sie förmlich gierend nach dem Objekt, was nun immer lauter werdend auf sie zukam. Im nächsten Augenblick konnten sie schon eine Gestalt wahrnehmen die stetig an Konturen zunahm. Dann der erlösende Augenblick. Es war Kommandeur Miwar, der nun eilig auf sie zukam.

»Nicht feuern, ich bin es, Miwar!«, befahl Kommandeur Miwar.

Sofort nahmen die Offiziere ihre Faserwaffen herunter, standen vom Boden auf gingen vor ihrem ankommenden Kommandeur in Spalier.

»Rührt euch! Legt euch eure Ausrüstung über, wir müssen so schnell wie möglich raus hier.«, befahl ihr Kommandeur sehr aufgebracht.

»Ja, aber was ist denn geschehen, Herr Kommandeur?«, fragte nun Offizier Magbur.

»Später, für Erklärungen bleibt keine Zeit mehr. Folgt mir so leise es geht.«, befahl Miwar seinen Offizieren, die sich eilig ihre Ausrüstung anlegten. Dann ging es schon los. Hastig und so leise wie nur irgend möglich marschierten sie allesamt in Richtung des Ausstiegsloches.



 Kapitel 19, Angriff auf den Planeten Sinas, Teil 5

 Anfang und Kapitelübersicht
© 2012 by Peter Althammer

Sollten Sie als Verlag Interesse an einer Veröffentlichung in Buchform haben, nehmen Sie bitte Verbindung auf:
 Kurze Vita des Autors, Kontakt

Ein Liebesroman von Peter Althammer im Internet:
 Du, mein Licht in dunkler Nacht!

Hauptverzeichnis Reiseberichte mit Bildern, Interessantes und Kurioses aus aller Welt:
 www.panoptikum.net