Ich möchte Ihnen heute eine Geschichte erzählen.
Eine Geschichte?
Nun, ob Wahrheit oder Fantasie, das bleibt
jedem selbst überlassen, der dieses Abenteuer liest.
In nicht allzu ferner Zeit werden einige
Menschen einem Abenteuer gegenüberstehen, wie sie es sich
hätten niemals erträumen lassen.
Lauscht, meine Lieben, und lasst euch entführen,
entführen in Galaxien und deren Welten, auf denen nichts
unmöglich scheint:
Kapitel 1
Kontakt
Bleiern und träge setzt sich ein Fuß dem anderen voraus.
Den Gedanken, dass er noch etliche Kilometer
Schienenstrang abzulaufen und zu kontrollieren hatte, verbesserte
nicht gerade seine heutige Laune. Norman Wiesener arbeitete bei der
größten Eisenbahngesellschaft Deutschlands als
Streckenposten und er hatte die Gabe, Vorahnungen zu verspüren.
Immer, wenn etwas auf ihn zukam, was nicht in seinem gleichmäßigen
Leben Platz fand, wurde er nervös und zappelig, begleitet von
schlechter Laune. Vorahnungen und Visionen, haben die Menschen von
Anbeginn ihrer Existenz schon immer und sollten deshalb nichts
Ungewöhnliches darstellen. Doch was sich in diesem Abenteuer
ereignet, stellt bisher alles dagewesene in den Schatten.
*
München Ruferstr. 16, Abteilung für außergewöhnliche Fälle bzw.
Phänomene und nicht erklärbare Erscheinungen:
Mein Name ist Peter Lenz. Ich bin Chef und
Organisator dieser, na ja, sagen wir einmal "Agentur". Wir sind keine
große aber auch keine kleine Organisation, die nicht
erklärbare Erscheinungen erforschen. Wir tragen beweisbare
Ereignisse aus allen erdenklichen Regionen dieser Welt zusammen,
archivieren und verkaufen sie anschließend. Besonders gerne
schwatzen wir diese Kuriosen Geschichten speziell dafür
geeigneten Verlagen und reichen Personen auf, die sich dies leisten
können. Dann bekommen wir gelegentlich Gelder von Clubs und
Vereinen, die Anhänger verschiedener spiritueller Richtungen
sind. Das reicht von Übersinnlichem, Rätselhaftem,
Telekinese, Mystiker, ja sogar Sekten bis hin zum Glauben an
außerirdische Intelligenz, die aber nicht der Bemühungen
wert sind, was wir im Gegenzug für Sie tun. Schon um einiges
interessanter sind da doch die jungen neureichen Schnösel, die
anscheinend nicht wissen, wohin
mit ihrem vererbten Reichtum. Durch sie hatten wir uns schon einige
Male aus einer finanziellen Notlage retten können. Sozusagen
verhelfen wir solchen Persönlichkeiten, ihren etwas zu schwer
gewordenen Geldbeutel ein bisschen zu erleichtern, in dem wir sie
überreden, in eine gute Sache zu investieren. Für
Mystiker, Gläubige und Fantasten durchaus eine gute
Investition. Zudem unterstützen sie uns bei unseren
Unterfangen mit Geldern für Tickets und eventuelle Hotelkosten.
Als Gegenleistung geben wir ihnen von unserem gesammelten Material,
einige Kopien von Tonaufnahmen und zu guter Letzt, Fotos. Natürlich
nur mit Genehmigung der dafür zuständigen Behörden.
Es sind Materialien die wir nicht so einfach der Öffentlichkeit
Preis geben dürfen. Doch mehr dazu etwas später. Die
Ruferstr. 16 ist sozusagen das Hauptquartier, wo alle Informationen
aus den verschiedensten Regionen dieser Welt zusammenlaufen und
ausgewertet werden. Von hier aus läuft alles zusammen und
werden alle Fäden gezogen.
Meine Arbeit ist nicht immer aufregend. Oft
sitze ich den lieben langen Tag an meinem Schreibtisch und
beantworte Fan-Post. Diese Mitteilungen kommen von Leuten, die eine
sehr rege Fantasie besitzen und uns mit ihren außergewöhnlichen
Geschichten regelrecht den letzten Nerv rauben. Ich hefte ihre
Briefe ein, speichere alle Daten in den Computer und nehme
gelegentlich Telefonanrufe entgegen, wenn Susanne, unser Mädchen
für alles mal wieder überlastet ist. Immer wenn irgendwo
auf dieser Welt ein Heißluftballon oder gar eine Geheime
Militäraktion entdeckt wurde, dann laufen bei uns die
Telefontdrähte heiß. Und unsere Briefkästen scheinen
aus allen Nähten zu Platzen. Aber jetzt möchte ich erst
einmal meine Crew vorstellen. Von Susanne, dem Mädchen für
alles, wurde bereits ein wenig berichtet. Wir könnten ohne sie
nicht mehr auskommen. Und dann war da noch Gregor unser athletischer
Gesundheitsapostel. Wir nennen ihn gelegentlich so, weil er mächtige
2 Meter und 2 groß ist und ein Gewicht von 195 Pfund auf die
Waage bringt. Gregor ernährt sich ausschließlich von
pflanzlichen Produkten. Eben ein gesund lebender Mensch. Er ist für
die Satelliten-Kommunikation zuständig. Auch in Sachen Computer
ist er ein pfiffiges Kerlchen. Er kann einfach alles an diesen
hochempfindlichen Geräten reparieren. Auch er ist schwerlich zu
entbehren. Und dann ist da noch zu guter letzt Mary Ritley. Ja, Sie
hören richtig. Mary ist Amerikanerin und seit etwa zehn Jahren
bei uns. Sie ist eigens von der NASA zu uns nach Deutschland
versetzt worden, um sich bei unserer Agentur als so genannte
Firmenschnüfflerin einschleusen zu lassen. Mary sollte
so viel wie möglich Informationen bei uns sammeln
und sie dann an die NASA weiterreichen. Doch mit den Jahren hatte
sich Mary auf unsere Seite geschlagen. Dennoch musste sie ab und an
einige Berichte ihrer Zweitfirma schicken. Aber die waren nicht von
Belang. Mary hatte nämlich ein feines und zu gleich
außergewöhnliches Näschen, wenn es ums Geld ging.
Sie unterstützt uns, Organisationen und Sponsoren zu ermitteln,
die noch nicht auf unseren Spendenlisten stehen. Was sie mit
Feinheit, Ihrem außergewöhnlichen Scharm und dem guten
Aussehen bewältigt. Einmal eine Geldquelle geschnuppert, war
sie nicht mehr zu halten. Aber nicht nur in finanziellen Dingen ist
sie perfekt. Auch von ihren geschäftlichen Reisen bringt sie
öfter eine heiße Geschichte mit. Mary ging nämlich
niemals ohne ihre Minikamera-Ausrüstung aus dem Haus. Sie ist
eine sehr Konservative Frau und weiß was sie will. Wenn sie sich
erst Mal ein Ziel gesetzt hatte, gab sie nicht eher Ruhe bis das
Ziel erreicht war. Ein wahrer Kampfgeist. Unentbehrlich, diese Frau.
Doch ihren größten Clou vollendete sie, als sie es fertig
brachte eine der Mächtigsten Raumfahrtfirmen auf unsere
Sponsorenliste zu stellen. Nämlich jene welche, die sie einst
bei uns einschleusten, um uns auszuspionieren. Ja, es war Mary
Ritley. Sie hat es uns nie Verraten. Wie sie das vor Jahren fertig
brachte, ist uns heute noch ein Rätsel. Doch wir müssen
vorsichtig sein, nicht vor Mary, eher vor einer gerichtlichen
Maßnahme. Ja, so ist das nunmal. Etwaige Missstände, die
nicht für die Bevölkerung oder für die Presse
geeignet sind, müssen wir nötigenfalls geheimhalten, wenn
dadurch die Gefahr bestünde, dass es die Öffentlichkeit in
Unruhe versetzen könnte.
Alles was nicht als normal bewilligt worden
ist gehört zu den Geheimakten. In einigen, ja in vieler
Hinsicht sind uns auf diese Weise einmal mehr
die Hände gebunden. Alles ist Top Secret.
Für alles braucht man eine Genehmigung, Zulassungen und zu
guter Letzt, Ausweise und Befugnispapiere. Nun, auch ich kann diese
heilige Ordnung nicht ändern. Gerade als ich in Susannes Büro
wollte um sie zu fragen, ob sie die Berichte für die NASA
fertig hatte, schrillte eines meiner vier Telefone. Es war Apparat
zwei, der nur ganz selten klingelte. Sehr oft meldete sich dieses
Telefon nicht. Doch wenn es klingelte, lag in den meisten Fällen
ein Problem in der Luft. Dieses Telefon hatte eine Geheimnummer, die
nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Nur ganz
bestimmten Kunden war sie zugänglich. Man konnte in Peters
Gesicht erkennen dass er sorgenvoll seine Stirnfalten auf und abzog,
ja dass er nicht gerade Begeisterung an diesem schrillen Ton des
Apparates zwei zeigte. Peter dachte sich, hoffentlich ist es nicht
schon wieder ein unzufriedener Kunde der sich beschweren möchte.
*
Norman Wiesener hatte gerade Kilometerstandort
42 / 4 erreicht, als er auf seine Armbanduhr sah. Norman machte nach
einer sich selbst vorgegebenen Kilometerzahl die er zu gehen hatte,
einen Zeitvergleich. Damit errechnete er, wie viel Zeit ihm für
den Rückweg noch blieb, um ja nicht den heißersehnten
Feierabend zu versäumen. Er war fleißig und
pflichtbewusst, dennoch, gerne ging er nicht zur Arbeit. Es war wie
bei den meisten, die Verantwortung und die Macht der Gewohnheit, die
ihn Tag für Tag in seinem Job trieb.
»Jeden Tag dass gleiche, ja jeden Tag
immer das gleiche Programm. Einmal ist es zu heiß und einmal
zu kalt.«, murmelte Norman in sich hinein.
Er war müde und er hatte schlechte Laune.
Zirka 15 Kilometer Schienenstrecke waren es, die er fast jeden Tag
ablaufen und dabei kontrollieren musste, schlauchten ihn doch sehr.
Zirka 7,5 km hin und natürlich zu seinem Ausgangspunkt wieder
zurück. Norman tat dies schon einige Jahre und sollte sich
daran gewöhnt haben. Doch wie allgemein bekannt ist, wird man
ja nicht jünger. Und in den Jahren verliert ein jeder an
Substanz und Lebenskraft. Der Lauf der Dinge. Norman war seit sieben
Jahren verheiratet, hatte ein Kind aus erster Ehe und eines aus der
jetzigen. Da kommt schon einiges an finanzträchtigen
Abgaben seines schwer verdienten Gehaltes zusammen, die er aber brav,
wie es sich für einen ehrlichen Bürger gehört,
bezahlte. Wie wir erkennen können, ein ganz normaler junger
Mann. Wenn wir natürlich von seinen Fähigkeiten,
Vorahnungen verspüren zu können, absehen. Doch dann nahm
das Schicksal seinen Lauf. Ohne dass er es zunächst bemerkte
wurde er schon während seines Streckenganges beobachtet. Bis zu
jener Uhrzeit, wo er es sich zur Gewohnheit machte, ein kleines
Zigarettenpäuschen einzulegen.
»Mh, was ist heute nur los mit mir,
nicht einmal die Zigarette schmeckt mir. Muss wohl von dem unguten
Gefühl her sein, dass ich seit heute früh habe. Immer das
gleiche, wenn ich doch schon vorher wüsste, was wieder einmal
auf mich zukommt!«, gab er etwas erregt im Selbstgespräch
von sich.
Instinktiv verspürte Norman, dass dieses
drückende Gefühl der Vorahnungen, die er bisher hatte,
dieses Mal von ganz anderer Art geprägt wurde, wie er sie bis
dahin noch nicht kannte. Die ihn aber in so panische Angst
versetzten, das er mit Selbstablenkung, in dem er immer öfter
an seiner Zigarette zog, zu verdrängen versuchte.
»Oh Gott, oh mein Gott.«,
wiederholte er sich im Selbstgespräch,
während sich seine Zigarette dem Ende
neigte. Norman schnippte den Rest der Zigarette in den Abgrund neben
dem Gleis auf dem er stand. Gerade wollte er den Rückweg
antreten, da stockte ihm der Atem. Irgendetwas befand sich hinter
ihm. Er drehte sich um. Er wollte sehen, wer oder was es war. Doch
nichts war zu sehen. Mit einem Kopfschütteln ging er wieder
weiter. Jedoch dieses unbehagliche Gefühl wollte und wollte
einfach nicht von ihm weichen. Dann vernahm er einen eiseskalten
Windhauch in seiner Rückengegend, der ihn erschaudern ließ.
Jeder normale Mensch würde jetzt aufschreien oder sich auf dem
schnellsten Weg aus dem Staube machen. Doch Normans Instinkt riet
ihm ab, davonzulaufen. Er wagte nicht, sich zu bewegen und nur so
viel Luft zu atmen, wie es unbedingt erforderlich war. Das Blut in
seinen Adern gefror.
Normans Augen drifteten immer in die gleiche
Richtung, lauernd und auf das Schlimmste vorbereitet.
Was ist da nur hinter mir. Oh Gott, hilf mir,
lass mich da wieder heil rauskommen und ich verspreche dir, dass ich
öfter in die Kirche gehe, als nur ein oder zwei mal im Jahr,
dachte er sich. Norman rang mit seinem Mut, oder war es gar
Verzweiflung?
Egal was es auch war, er hatte keine Wahl, er
musste sich dem Schicksal fügen oder entgegenstellen. Er
rätselte, welcher der beiden Möglichkeiten ihm mehr
Chancen einräumte.
Soll ich mich erneut umdrehen, soll ich mich
auf Verteidigung einstellen? Dachte er sich noch. Ihm wuchs diese
ernste Entscheidung so langsam über den Kopf. Der Mut war
vorhanden. Wenn da nicht der Verstand und seine Vorahnungen wären.
Norman fiel das Atmen schwer. Jeden Moment dachte er den Verstand
verlieren zu müssen. Obwohl ihm die Schweißperlen von der
Stirn rannen, fühlte er Eiseskälte. Als er sich
schließlich doch entschied, sich gegen alle Regeln seiner
Vorahnung umzudrehen und dem Spuk ein Ende zu bereiten, quasi der
Wahrheit ins Auge zu sehen, war es schon zu spät dafür. Er
konnte sich nicht mehr bewegen. Außer seinen Gedanken ließ
sich nichts mehr an seinem Körper kontrollieren. Von einer
Minute auf die andere wurde es um Normans Nähe dunkel,
begleitet von einer unheimlichen und bedrückenden Stille.
Eigenartig, so dachte sich Norman. Ich werde
jetzt wohl sterben. Er hatte kein Zeitgefühl mehr, viel zu sehr
beherrschte ihn dieser Zustand.
Norman versuchte krampfhaft, seine Haltung zu
bewahren. Einige Zeit war vergangen. Seine Gedanken und seine Gefühle
kehrten, so spürte er, wieder in seinen Körper zurück.
Sein Blick war nicht mehr so starr und unbeweglich wie noch vor
Augenblicken, so dass er in seinem Blickfeld wieder seine gewünschte
Freiheit bekam.
Und dennoch bemerkte Norman, dass er in seiner
Bewegungsfreiheit noch immer Einschränkungen zu verbuchen
hatte.
Doch plötzlich sah er eine Art dunkle
Nebelwolke (anders vermochte er diese schemenhafte Erscheinung nicht
zu beschreiben) auf ihn zukommen, die sich wie ein Vorhang um seinen
geschwächten Körper schlang. Instinktiv hatte er das
Gefühl, dass er noch immer beobachtet wurde.
Verdammt, was soll denn das, ist denn das ein
Scherz und was ist hier los. Warum tut man mir das an, dachte er
sich. Normans Nerven zeigten nicht die Stabilität die er sich
in dieser Situation erhoffte.
In seinem Gesicht spiegelte sich das blanke
Entsetzen wieder, als er sah, dass sich ihm irgendetwas näherte.
In dieser nebelhaften Wolke, die sich wie ein Dieb in dunkler Nacht
heranschlich und ihn wie eine feine Hülle aus glänzendem
Badeschaum umschleierte, konnte Norman hindurchsehen. Seine Augen
schmerzten so sehr, dass er das Gefühl bekam, jemand hätte
ihn blanke Säure hineingeschüttet. Nur unter großen
Anstrengungen gelang es ihm ein bisschen, und das nur begrenzt,
einen Blick ins Freie zu erhaschen. Zunächst konnte er die
zwei Schienenstränge sehen, die sich unendlich immer in die
gleiche Richtung zogen, um sich schließlich in der Flucht zu
verlieren. Plötzlich konnte er schemenhaft eine Gestalt
erkennen. So sehr er es auch versuchte, er konnte beim besten Willen
nicht erkennen, ob dieses Etwas mit irgendeiner Spezies auf seinem
Planeten zu vergleichen wäre. War es ein Wesen? Ja gewiss war
es ein Wesen, denn es schien ihn zu beobachten. Tatsächlich
besaß es eine Gestalt als Form. Er versuchte, Ruhe zu bewahren,
indem er krampfhaft ein Lächeln zu seinem Besten gab, wobei er
sich vor Angst auf die Unterlippe biss. Erneut machte sich
Verzweiflung in seinem Inneren breit. Immer näher kam dieses
schwerlich zu identifizierende Wesen auf ihn zu. Es drang in die
nebelartige und leicht durchsichtige Wolke ein, wo sich Normans
Körper gefangen hielt. Ja immer näher und näher kam
es auf Norman zu, dass er das Gefühl bekam, es wolle in ihn
eindringen, um von seinem starren Körper Besitz zu ergreifen.
Doch es schien ihn nur zu beobachten. Norman konnte auch zwei Punkte
erkennen, die einige Merkmale von menschlichen Augen aufwiesen. Doch
sicher war er seiner Feststellung nicht. Vielleicht, so dachte er,
habe er ja doch den Verstand verloren. Doch umso länger er sich
in dieser Situation befand, desto mehr wurde ihm bewusst, dass es
sich nicht um ein Trugbild seiner Sinne handeln konnte. Ja, dass
dies von einer sehr harten Realität beherrscht wurde.
*
Zur gleichen Zeit im Büro von Peter Lenz:
Peter ließ einige Zeit Apparat 2
klingeln. Es soll den Anschein prägen, dass hier in der Agentur
ein reger Betrieb herrschte. Für diesen besonderen Fall hatte
er eine Kassette mit Bürogeräuschen, die er Abspielen
ließ, während er auf Apparat zwei mit seinen Kunden in
Verhandlung stand. Das schindete nach seiner Ansicht enorm
Eindruck. Und er konnte schneller einen Kunden, der ihm zuwider war,
abservieren, mit der Begründung, dass er keine Zeit besaß.
Mit einem gemischten Gefühl hob Peter den Hörer von
Apparat 2 ab.
»Abteilung rätselhafte Phänomene,
Peter Lenz am Apparat, was kann ich für Sie tun?«, gab er
mit leicht zitternder Stimme zu seinem Besten.
Ȁh, guten Tag Herr Lenz, mein Name ist Heinz Gruber vom
Zeitschriften-Verlag der Fakt.« Oh Gott, der Fakt, so dachte
sich Peter.
Auch diesen Verlag hatten wir es teilweise zu
verdanken, dass wir uns geschäftlich über Wasser halten
konnten. Dieser Verlag benötigte ab und zu ungewöhnliche
Ereignisse die er dann als Kurzgeschichten in seinen Illustrierten
getarnt als Wahrheitsberichte veröffendlichte. Und genau da
kommen wir ins Spiel. Wir mussten uns verpflichten, diesen Verlag
regelmäßig mit genau solchen Phänomenen zu
beliefern. Natürlich bekommen sie nur das Beste, was wir an
seltsamen Ereignissen zu bieten haben. Nun, was wir uns dennoch
eingestehen müssen, bei einigen Geschichten, die uns
aufgebrachte Bürger schreiben oder erzählen, erfinden wir
das eine oder andere ein bisschen dazu. Aber nur ein bisschen, denn
allzu viel dürfen wir diese Phänomene nicht verändern.
Dies hätte sonst Rechtliche Maßnahmen gegen uns zur Folge
und könnte unser geschäftliches Aus bedeuten. Wir nennen
das in unseren Fachkreisen "Verwirklichung".
»Schönen guten Tag Herr Gruber, ich
glaube wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen?«
»Dass trifft zu, Herr Lenz. Ich wollte
nur verlautbaren lassen, dass ich meinen Kollegen, den Herrn Clemens,
für eine gewisse, also für eine kurze Zeitspanne, vertreten
werde, hier in der Materialbeschaffungsabteilung, für ungefähr
zwei Wochen. Leider hat er eine Erkältung. Ich soll Ihnen auch
einen schönen Gruß ausrichten, Herr Lenz.«
»Oh, dass tut mir aber außerordendlich
leid für den Herrn Clemens. Bitte seien Sie so nett, Herr
Gruber, und richten Sie ihm gute Besserung von mir aus!«
»Ja, das werde ich gerne für Sie
tun, Herr Lenz.«
Peter Lenz fühlte sich wie eine nervliche
Zeitbombe, die jeden Augenblick explodieren könnte. Hatte er
doch zurzeit kein Phänomen parat. Hoffentlich wird dieser
Gruber nicht nach einer Story nachfragen.
»Ausgerechnet jetzt meldet sich der Fakt«,
dachte er sich noch.
»Darf ich Ihnen mit irgendetwas dienlich
sein Herr Gruber?« fragte Peter schon fast scheinheilig nach.
»Oh ja, hätte ich doch fast
vergessen weshalb ich Sie überhaupt anwählte. Herr Clemens
hatte mir geraten, bei bestimmten Gesprächen, die aber nicht an
die Öffentlichkeit geraten sollten, diese Geheimnummer zu
wählen.«
»Ja Herr Gruber, das war vollkommen
richtig. Wissen Sie, ich fand das nur etwas Verwunderlich.«,
entgegnete Peter hörbar nervös.
» Kann ich
mir vorstellen Herr Lenz. So wie ich gehört hatte, klingelt
dieses Telefon nicht sehr oft bei Ihnen. Aber machen Sie sich
deswegen kein Kopfzerbrechen, ich wollte mich nur bei Ihnen
vorstellen und zugleich wollte ich mich noch erkundigen, ob bei
euch etwas Neues hereingekommen ist.«
Aha, dachte sich Peter, ich habe es doch geahnt,
dass der Gruber nur anrief weil er festellen wollte, ob wir eine gute
rätselhafte Geschichte auf Lager haben.
»Oh, tut mir leid Herr Gruber, im
Augenblick nicht. Die heutigen Aufträge sind alle schon raus.
Aber bestimmt ergibt sich in den nächsten Tagen etwas. Sie
haben bestimmt schon in Erfahrung gezogen, dass sich bei uns sehr
schnell etwas ändern kann. Ich meine hinsichtlich der
Aufträge.«
» Sicherlich Herr Lenz, aber ich sitze
so ziemlich auf dem Trockenen. Na ja, bis dann, in den nächsten
Tagen. Und Sie werden sich ganz bestimmt bei uns melden, wenn etwas
Neues hereingekommen ist?«, kam nervend seine
Vergewisserung.
»Ganz bestimmt, Herr Gruber. Und noch
etwas, ich versprechen Ihnen, dass Sie sich hundertprozentig auf mich
verlassen dürfen.« Peter war es zuwider diesen Gruber
schmeicheln zu müssen, doch er hatte keine Wahl, wenn er in
Zukunft den Verlag Fakt zu seinen Kunden zählen wollte.
»Dann wünsche ich Ihnen und Ihrer
Crew einen schönen und erfolgreichen Tag.«
»Danke Herr Gruber Ihnen auch, bis auf
bald!« Als Peter den Hörer wieder auf seine Gabel
legte, kam ein großer Seufzer, der nichts Gutes versprach.
Seine innerlich Nervliche Bombe war gerade explodiert. »Susanne?«,
schrie Peter wie ein Choleriker, um mal wieder mit lautem Getöse zu
verkünden, dass er der Chef in diesem Hause ist. Diesen
kläglichen und wutentbrannten Verzweiflungsschrei kannte jeder
einzelne in seiner Crew, so dass die allgemeine Reaktion jeden
wachrüttelte und hellhörig werden ließ. Peter konnte
nichts mehr auf seinen Stuhl halten.
»Susanne!«, schrie Peter abermals
auf dem Weg von seinem Büro durch den schmalen und engen Gang,
wo sich auf der linken und rechten Seite Kartons in Reih und Glied
bis zur Decke aufstapelten. Bis es ihm wie von den Schuppen von den Augen fiel,
dass er ja Susanne einen Tag frei gegeben hatte.
»Mist, ausgerechnet jetzt war wohl ein
Fehler, ihr den heutigen Tag frei zu geben. Susanne nicht da, Mary
nicht da und das jetzt, wo ich die beiden so dringend bräuchte.
Was soll ich denn nur tun?«, räumte er im ständigen
Selbstgespräch ein.
Peter konnte sich kaum mehr im Zaum halten. Zappelnd und sichtlich
nervös lief er den Gang auf und ab. Seine Gehirnzellen
arbeiteten auf Hochtouren.
»Was ist denn Geschehen?«,
meldete sich nun Gregor zu Wort und kam wie von einer Hummel
gestochen auf den Flur gerannt.
Aufgeregt und mit starren Blicken wartete Gregor auf eine Antwort
von Peter.
»Ach du Gregor, dich hatte ich ganz
vergessen. Ärgerlich, dass ich Susanne heute frei gab.«
»Kann ich
irgendetwas für dich tun?«, sah jetzt Gregor seine
Chance, sich bei Peter etwas beliebter zu machen. Denn wann fand
sich schon mal eine solche Gelegenheit, dass er mit seinem Chef
alleine war.
Gregor war eine gute Fachkraft, keine Frage,
aber er war ein Streber und das mit Leib und Seele. Von Anfang an
hatte er nur ein Ziel vor Augen, nämlich irgendwann einmal ganz
oben zu stehen, an erster Stelle zu sein, koste es was es wolle. Und
sei es auf Kosten seiner Kollegen. Gregor sah seinen Vorteil darin
bestehen, dass keiner von seinen Kollegen einen Verdacht hegte, dass
er Sie ausspielte. Ja, Gregor war ein Stilist, man konnte sagen ein
in jeder Hinsicht zu seinem Vorteil sich verändernder Karrieremensch. Er
achtete fortwährend auf sein äußerliches
Erscheinungsbild, war stets zuvorkommend, hilfsbereit und immer
freundlich zu allen. Eben eine vertrauenserweckende Kombination.
Und eines konnte er besonders gut, nämlich
Situationen auszunutzen, wenn sich einer seiner Kollegen in
geschäftlichen Schwierigkeiten befand. So wie gerade eben sein
Chef Peter Lenz, der sich in genau so einer Situation befand. Gregor
wusste, dass Peter gerade jetzt sehr empfänglich war, und nach
jedem Strohhalm greifen würde, wenn er ihm welche reichen
würde, also reichte Gregor den Strohhalm.
»Der Fakt hat soeben angerufen und ich
habe das Gefühl, dass da irgendetwas im Busch liegt. Ruf doch
bitte unsere Außenstellen an und frage nach, ob sie in der
letzten Zeit was Neues hereinbekommen haben. Wir brauchen unbedingt
für den Verlag ein heißes Ereignis und das sehr bald.«
»Klar doch, geht in Ordnung. Kein Problem,
Peter.«
Gregor sauste wie von der Tarantel gestochen
los, den Flur entlang, um Peters Auftrag so schnell wie nur irgend
möglich zu erledigen, um natürlich mächtig bei seinem
Chef Eindruck zu schinden. Peter wusste nur all zu gut, wie schnell
man bei den meisten Verlagen abserviert wird, wenn man sich nicht an
die vertraglich festgelegten Regeln hielt. Viele Agenturen sind von
großen Verlagen abhängig, da machte Peter Lenz mit seiner
Crew keine Ausnahme. Und der Andrang war enorm groß. Ja, es war
leicht abzusehen, dass er enorm unter Druck stand.
»Peter ging, obwohl er nur seine
Sprechanlage zu bedienen hatte, um Gregor zu erreichen in dessen
Büro, um sich zu vergewissern ob der wenigstens an den
Außenstellen etwas erreicht hat. Dort angekommen sah Peter
Gregor hoffnungsvoll an. Doch Gregor musste zu seinem Bedauern
verneinen. Und Peter grübelte weiter.
»Gregor, kannst du mir sagen, wann denn
nun Mary von ihrer Auslandsreise zurückkommt?«
»Auf den
Tag genau kann ich es dir auch nicht sagen. Du kennst ja Mary.«
Aber vielleicht hat Susanne etwas in Ihrem Terminkalender auf ihrem
Computer gespeichert. Soll ich sie dir ausdrucken?«
»Äh ja, sehr nett von dir, Gregor.«
Gregors Ego entflammte wie Feuer, als er diese
netten Worte von seinem Chef hörte.
Während Gregor den Befehl zum Ausdrucken in Susannes Computer
eingab, unterhielten sich die beiden weiter.
»Klar Peter. «, antwortete Gregor
auf eine weitere Frage, die Peter bei der Besprechung der aktuellen
Sachlage gab.
»Peter, wie dir ja sicherlich bekannt
ist, ist Mary gerade auf den Malediven, um sich von einem weiteren
und großzügigen Neureichen einen Barscheck abzuholen.«
»Hä, ja, sicherlich, ich dachte,
vielleicht hätte sie zufällig ein Phänomen parat.
Aber wie sollte sie auch. Hm, hat ja genug mit ihren Aufgaben zu
tun. Na ja, hoffentlich kann sie wenigstens diesen neureichen
Schnösel als Kunden für uns gewinnen, oder was meinst du
Gregor?«
»Aber Peter, seit wann zweifelst du an
Marys Fähigkeiten. Bis jetzt hat sie noch immer jeden Auftrag
erfüllt.«, entgegnete Gregor ermutigend.
»Sicher hast du Recht, ich meinte ja
nur.«
Gregor sah in Peters Gesichtsmiene, die sich
zu einer einzigen Sorgenfalte zusammenzuziehen drohte.
»Soll ich sie vielleicht Mal anrufen,
Peter?«
»Was, hä, nicht nötig Gregor,
dieser Auftrag ist zu wichtig, als dass wir Mary stören
könnten.«
Peter konnte es nicht riskieren, dass wegen
dieses Engpasses an Material Marys Zusammenkunft mit dem neuen
Kunden wie eine Luftblase platzte.
Auch dieses Geld, sofern Mary den neuen Kunden für die
Agentur gewinnen konnte, war für Peters Geschäft sehr
wichtig.
» Vielleicht ergibt sich in der nächsten
Zeit etwas Neues, womit wir den Fakt beruhigen können.«,
sagte Gregor tröstend.
»Sicherlich Gregor, bestimmt hast du
wieder mal Recht, wie schon immer.«, antwortete Peter mit
einer Hoffnungslosigkeit, die in Gregor Mitgefühl auslöste.
*
Zur gleichen Zeit bei Norman:
Diese Situation versetzte Norman Wiesener in
eine unerklärliche Neugier. Er spürte instinktiv, dass er
keine Angst zu haben brauchte, obwohl er völlig geschockt war.
Mit zitterndem Körper lauschte er fortan dem Geschehen. Dieses
Wesen befand sich nun so dicht bei Norman, dass er nur seine Hand
auszustrecken bräuchte, um es berühren zu können.
Aber so sehr er es auch versuchte, wiederum konnte er kein einziges
Glied an seinem Körper bewegen. Plötzlich, wie unter Zwang,
schloss er seine Augen. Er erlebte Visionen, die so hautnah und echt
wirkten, dass er das Gefühl bekam, in einem Kinofilm mitzuspielen
oder gar in der Wirklichkeit dabei zu sein. Dort befand sich
Norman in einer Welt, die ihm völlig fremd war. Er sah zwar
Wälder, Blumen und Täler aber in einer Form, die bislang nur
im Garten Eden vorkommen konnten. Täler, die so saftig und grün
sich darboten, dass er glaubte sich im Himmelreich zu befinden. Und
doch wurde dieses Paradies von einem grauen Schatten umhüllt.
Nun konnte er diese Wesen besser erkennen, die so ähnlich wie
wir Menschen aussahen. Er sah diese menschenähnlichen Wesen
auf jener wundervollen Welt weinen und klagen. Und er sah sie ihre Arme
nach etwas ausstrecken. Ja, es kam ihm so vor, als würden sie
ihre Arme nach ihm ausstrecken. So als wäre er ein Gott und
Vater für sie. Als wäre er der Korn des Gedeihens. Norman
spürte die grenzenlose Verzweiflung und Ängste, die von
diesen Wesen ausgingen. Tiefste Traurigkeit machte sich in seinem
Herzen breit. Ein ungutes Gefühl kam in ihm auf, irgendeinmal
kam es ihm so vor, als hätten diese Kreaturen nach ihm verlangt.
Als wäre er, und nur er, der, der Ihnen diese Traurigkeit nehmen
konnte.
Kapitel 1, Kontakt (Teil 2)
© 2012 by Peter Althammer
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